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Kirchenruine in Schweden. © Martin Hufner

Kirchenruine in Schweden.

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Kopflos(e Kirchenmusik) – Die Deutsche Bischofskonferenz will ab 2027 die Zuschüsse für den ACV streichen

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Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker können ein Lied davon singen: Wenn ihr Dienstherr ein Händchen für die Kirchenmusik hat und womöglich auch noch ein kollegiales und von gegenseitigem Respekt geprägtes Arbeitsverhältnis auf Augenhöhe pflegt, kann ihr Wirken sehr erfüllend und fruchtbar sein. Ist das jedoch nicht der Fall, wird der Job unter Umständen schwierig. Wie oft kursieren Geschichten, in denen Pfarrer die Arbeit ihrer „Untergebenen“ kleinhalten, verhindern, mitunter gar sabotieren. Das hat in jedem Einzelfall sicherlich sehr unterschiedliche Hintergründe und Ursachen, zum Glück aber gibt es auch genügend und überwiegend positive Beispiele. Wenn aber der alleroberste kirchliche Dienstherr, nämlich die Deutsche Bischofskonferenz, die Arbeit eines ganzen Berufsstandes infrage stellt, ist das wenig kollegial, nicht von gegenseitigem Respekt geprägt und schon gar nicht auf Augenhöhe. Es hat zudem eine völlig andere Qualität.

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Stein des Anstoßes ist die Streichung des Zuschusses, den der Verband Deutscher Diözesen (VDD) bislang dem Allgemeinen Cäcilienverband für Deutschland (ACV) gewährt hat. Es handelt sich um 50.000 Euro, die der überwiegend ehrenamtlich geführte ACV dazu verwendet hat, seinen einzigen (!) hauptamtlichen Angestellten zu finanzieren: einen Geschäftsführer. Wenn der Zuschuss wie geplant ab 2027 wegfällt, wird dies zur Folge haben, dass dieser Geschäftsführer arbeitslos und der ACV bis auf seinen – natürlich auch ehrenamtlichen – Präsidenten kopf- und führungslos wird. Der Zuschuss macht nämlich rund 40% des Etats des ACV aus. Eine Finanzierung aus Eigenmitteln ist somit nicht möglich.

Lob und Krokodilstränen

Dass ein hauptamtlicher Geschäftsführer durchaus Sinn ergibt, verdeutlichen die Zahlen: Es gibt rund 14.494 katholische Chöre und Instrumentalensembles mit insgesamt 273.723 Mitwirkenden. „Damit ist das aktive Musizieren die dritte große Säule des katholischen Laien-Engagements neben den Jugend- und Frauenverbänden.“ Das schreibt nicht irgendwer, sondern die Deutsche Bischofskonferenz höchstselbst, aus deren Publikation „Zahlen und Fakten 2024/25“ die Zahlen stammen. Der Geschäftsführer des ACV hat sehr vielfältige Aufgaben. Er ist auch für die fachliche Begleitung und Schulung der Ehrenamtlichen, die Organisation von Tagungen, Publikationen, Hilfsmaterialien, die Vernetzung mit anderen kirchlichen und kulturpolitischen Partnern und nicht zuletzt für die zukunftsfähige Weiterentwicklung katholischer Kirchenmusik verantwortlich. Ein ehrenamtlicher Präsident kann das nicht leisten.

Der VDD, der ihm von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im rechtlichen und wirtschaftlichen Bereich übertragene Aufgaben wahrnimmt, begründet dies mit einem „erheblichen Haushaltsdefizit“, das ausgeglichen werden müsse. Der Vorsitzende der Liturgiekommission der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, bedauert die Entscheidung in einem Begleitschreiben zwar, bezeichnet sie jedoch „trotz der großen Tradition und des segensreichen Wirkens des ACV“ als „unabwendbar“. Ist das wirklich so?

Auf Nachfrage wird der Sprecher der DBK, Matthias Kopp, nicht konkreter. Er verweist auf ein allgemeines Schreiben der DBK zu den Sparbeschlüssen vom Juli 2025 und bittet um Verständnis dafür, dass man „auf Einzelvorgänge bei den notwendigen Sparmaßnahmen nicht“ eingehe. Was nun wo gespart wird und aus welchen Gründen diese Entscheidungen zustande gekommen sind, bleibt in der „Black Box“. So ist insbesondere der Chorverband „Pueri Cantores“ nicht von den Kürzungen betroffen.

„Kalt erwischt“

Kritikwürdig ist auch die Art der Kommunikation. „Ich bedaure sehr, dass die Bischofskonferenz uns vor vollendete Tatsachen gestellt hat. Es muss bezweifelt werden, dass es einen qualitativ fundierten und transparenten Entscheidungsprozess in der Bischofskonferenz gegeben hat, welche national bedeutenden Aufgaben gemeinsam finanziert werden und welche nicht mehr“, sagt Msgr. Markus Bosbach, Präsident des ACV in einem öffentlichen Statement. Bosbach und der ACV hatten mit einer Kürzung der Mittel gerechnet und waren nach Gesprächen mit dem VDD bereits dabei, eine „zukunftsfähige inhaltliche, organisatorische und personelle Aufstellung des Verbandes und eine schlagkräftige Dachstruktur für die gesamte katholische Kirchenmusik in Deutschland zu entwickeln“, wie er in einem Brief vom 4. August an die Mitglieder des ACV schreibt. Diese Pläne sind jetzt Makulatur. Stattdessen steht die Abwicklung des ACV im Raum. Nicht betroffen von diesen Entwicklungen ist die Zeitschrift „Musica Sacra“, die der ACV herausgibt, da sie sich gerade so selbst trägt.

In einem Telefonat bemängelte Bosbach zudem die „mangelnde Transparenz“ der Entscheidung, die den ACV „kalt erwischt“ habe. Nach welchen Kriterien welcher Verband Zuschüsse bekomme, stehe völlig im Dunkeln. Derzeit gäbe es viele Fragezeichen. „Wir müssen nun in alle Richtungen denken.“

Die Entscheidung des VDD hält er für falsch, nicht nur weil damit dem ACV die Existenzgrundlage entzogen wird: „Das motiviert nicht gerade die Hauptamtlichen!“ Was die Motivation der Hauptamtlichen betrifft, liegt derzeit ohnehin einiges im Argen. Die Streichung der ACV-Zuschüsse durch den VDD ist nämlich nicht der erste Nackenschlag, den die engagierten Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker an der Basis verkraften müssen. Schon die Nicht-Verlängerung des Pauschalvertrages mit der GEMA für kirchliche Veranstaltungen und Konzerte – also nicht Gottesdienste, wofür es einen eigenen Vertrag gibt – hat seit dem Auslaufen Ende 2023 für erheblichen Unmut und Mehrarbeit gesorgt. „Kirchengemeinden müssen daher die Kosten für Konzerte mit ernster Musik und mit neuem geistlichen Liedgut, Gospelkonzerte, Pfarr- und Gemeindefeste, Kindergartenfeste, adventliche Feiern und Seniorenveranstaltungen künftig selbst tragen und die verwendeten Werke an die GEMA melden. Ansonsten droht die Berechnung der doppelten Normalvergütung“, wie katholisch.de im März 2024 schrieb.

Fazit: Was nun?

Wer an dieser Misere schuld ist, dazu gibt es unterschiedliche Darstellungen. Der VDD sagt sinngemäß, die GEMA war’s, die GEMA sagt, der VDD war’s. Tatsache ist, dass die Kirchenmusik im VDD offenbar trotz aller wortreichen Beteuerungen in Hochglanzbroschüren und Resolutionen (unter anderem 2022 in einer gemeinsam mit dem Deutschen Musikrat und der EKD verabschiedeten Erklärung) keine Priorität hat. „Leider werden wir von beiden Parteien weder in Verhandlungen noch in Planungen oder Überlegungen einbezogen, sondern erfahren den Stand der Dinge lediglich über Pressemitteilungen“, sagte ACV-Generalsekretär Raphael Baader im Juli 2025 gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Daran scheint sich nichts geändert zu haben. Schlimmer noch: der ACV scheint nicht nur keine Rolle für den VDD zu spielen, er scheint angesichts der Kürzung der Zuschüsse auch verzichtbar zu sein. Dabei gefährdet der VDD durch sein Vorgehen ganz offensichtlich eines der letzten Pfunde, mit denen die katholische Kirche derzeit überhaupt noch wuchern kann. Eine Selbstverzwergung ohne Not.

Bei einem Haushaltsvolumen von 129 Millionen Euro weist der Haushaltsplan des VDD für 2025 gut 105 Millionen Euro für „Sonstige betriebliche Aufwendungen“ aus, worunter auch „Aufwendungen für überdiözesane Verträge und Zuwendungen an Zuschussempfänger“ fallen. Das geplante Sparvolumen soll laut VDD acht Millionen Euro betragen. Mehr wird öffentlich nicht kommuniziert. Der Rest ist Schweigen. Gar nicht klar wird deshalb, an welchen anderen Stellen der VDD zu sparen gedenkt. Ausgerechnet vergleichsweise läppische 50.000 Euro für den ACV scheinen jedenfalls nicht mehr drin zu sein. Das aber hat zur Folge, dass dessen Existenz akut in Frage gestellt ist.

Institutionelle und substanzielle Geringschätzung

Wie es für den ACV jetzt weitergehen kann steht noch in den Sternen. Für den 30. September ist eine außerordentliche Mitgliederversammlung anberaumt, auf der weitere Schritte beraten werden sollen. Derweil läuft auf change.org eine Petition, die innerhalb weniger Tage rund 4000 Unterschriften erreicht hat. Ob noch etwas zu retten ist, ist angesichts der Mauertaktik des VDD allerdings höchst fraglich. Dabei schwebt längst das nächste Damoklesschwert über der deutschen Kirchenmusik: Ende 2026 läuft der Pauschalvertrag mit der GEMA für die Nutzung von Kirchenmusik in Gottesdiensten aus. Ende offen. Das Maß an institutioneller und substanzieller Geringschätzung, dass der VDD der Kirchenmusik gegenüber an den Tag legt, lässt jedenfalls das Schlimmste befürchten. Es wäre an der Zeit für alle Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, auf die Barrikaden zu gehen.