Der Märchenkönig, der Kini, also Ludwig II., wusste schon immer, wo es in Bayern besonders schön ist. Hohenschwangau nahe Füssen kannte er bereits aus seiner Jugend. Den Alpsee, immerhin über zwei Kilometer lang, soll er bereits als Kind durchschwommen haben. (Da drängt sich sofort wieder die Frage auf, warum er dann im Starnberger See ertrunken sein soll, aber das ist eine andere Geschichte …)

So schön ist es allerdings nicht immer am Forggensee, denn er führt nicht immer Wasser. Foto: Festspielhaus Neuschwanstein
Totgesagte leben länger
Das Märchenschloss Neuschwanstein blieb genauso wie Herrenchiemsee unvollendet, spült dem Freistaat Bayern aber tagtäglich jede Menge Eintrittsgelder in die Kassen. Laut Schlösserverwaltung besuchten allein Neuschwanstein 2024 über eine Million Menschen.
Nicht nur, aber auch darum geht es in dem Musical „Ludwig II – Sehnsucht nach dem Paradies“ von Franz Hummel und Stephan Barbarino von 2000, das damals innerhalb von zwei Jahren 1,5 Millionen Besucher in das eigens auf einer extra aufgeschütteten Halbinsel errichtete Musicaltheater am Forggensee spülte.
Im März wurde das jetzt mit einer halbszenischen Wiederaufnahme mit großem Orchester und einem Empfang für geladene Gäste gefeiert. Auch wenn die Jahre bis 2016 von argen Turbulenzen durchsetzt waren. Der Plan, dass nämlich alle Neuschwanstein-Besucher automatisch auch ins Musicaltheater, das heutige Festspielhaus, gehen, ging nämlich nicht ganz auf. Vor allem internationale Gäste bleiben größtenteils nicht einmal über Nacht in Füssen. Sie lassen sich in 35 Minuten durch das Schloss schleusen, und weiter geht’s.
Geld regiert die Welt
So musste das Haus mehrere Insolvenzen ertragen und fiel ein paar Jahre gar in einen Dornröschenschlaf, was es nun wirklich nicht verdient hat. Der direkte Blick auf das Schloss, das stattliche Gebäude mit Parkanlage – angelehnt an Pläne des Semperoper-Architekten, verfeinert durch Josephine Barbarino, die Gemahlin des Ideengebers und Visionärs Stephan Barbarino, das alles imponiert immer noch – genau wie die Kompositionen von Franz Hummel.
Lauter einzigartige Details auch im Innenbereich des Theaters: ein See mit echtem Wasser, in dem der „Kini“ versinken konnte, die zweit- oder inzwischen drittgrößte Drehbühne Europas, ein Zuschauerraum, der von jedem Sitz eine hervorragende Sicht auf das Geschehen auf der Bühne bietet… Natürlich erinnert das alles an das Bayreuther Festspielhaus, das nach ähnlichen Plänen erbaut wurde.
Gerettet hat das alles ein Allgäuer Unternehmer, der jede Menge Geld in das Festspielhaus gesteckt hat und die Eröffnungsrede vor den geladenen Gästen hielt: Manfred Rietzler. Seinem Geschäftssinn ist es zu verdanken, dass das Festspielhaus Neuschwanstein heute auf einigermaßen soliden Füßen steht und seit zwei Jahren sogar staatliche Unterstützung erhält.
Im Gegenzug müssen pro Jahr mindestens zwei Neu-Produktionen auf dem Spielplan stehen. Weiterhin fest im Programm: das Nachfolger-Musical Ludwig2 – das Musical von Konstantin Wecker, Christopher Franke, Nic Raine (comp) und Autor Rolf Rettberg. Besonders gefragt ist inzwischen auch die Musical Academy für Kinder und Jugendliche, es gibt lange Wartelisten.
Höhen und Tiefen
Im Interview erinnert sich Anke Hiltensperger von Füssen Tourismus an die Anfänge und Höhen und Tiefen.
neue musikzeitung: Sie haben das Musical Theater von Anfang an mitverfolgen können. Wie war das 2000, welche Erwartungen waren an die Eröffnung des Hauses geknüpft?
Anke Hiltensperger: Die Erwartungen waren groß – und wurden zu Beginn der Laufzeit auch erfüllt. Mit dem Anlaufen von „Ludwig II. – Sehnsucht nach dem Paradies“ kamen vermehrt Kultur- und Städtereisende nach Füssen – dieses etwas „andere“ Publikum fiel auch im Stadtbild auf, vor allem an den Wochenenden. Nur in geringem Umfang ist es gelungen, internationale Gäste für das Musical zu interessieren, obwohl das Theater-Marketing auch Märkte im Ausland – und auch außerhalb des deutschsprachigen Raums – bedient hat und bei den Musicalvorstellungen Subtitles in vier verschiedenen Sprachen eingeblendet wurden.
nmz: War die Enttäuschung dann groß, als das Ganze nicht so funktioniert hat?
Hiltensperger: Die Enttäuschung war in der Tat deutlich zu spüren – nicht nur bei den Betreiber:innen von Beherbergungs- und Gastronomiebetrieben, die vom Ganzjahresbetrieb des Musicaltheaters vor allem in den Nebensaisonzeiten profitiert und Kooperationen mit dem Theater geschlossen hatten, sondern auch bei vielen anderen Einheimischen, denn das Musical Theater hatte sich auch als Arbeitgeber etabliert.
nmz: Wie war und ist die Akzeptanz bei den Einwohnern von Füssen?
Hiltensperger: Nach unseren Erfahrungen bei FTM weiß die Mehrheit der Füssener:innen die Tatsache zu schätzen, dass man hier „in der Provinz“ ein so großes Bühnenunternehmen mit einem abwechslungsreichen und hochkarätigen Programm vor der Haustür hat. Die Füssener:innen besuchen vor allem die hauseigenen Musicalproduktionen gerne.
Zwiespältig waren die Reaktionen der Einheimischen auf die Planungen für ein Hotel direkt am Festspielhaus. Hier wurden von vielen Füssener:innen Befürchtungen bezüglich Verkehrsüberlastung und zusätzlichem Besucherdruck vor allem in den Hochsaisonzeiten geäußert und Naturschutzbelange in die Diskussion gebracht. Dieser „Gegenwind“ hat letztendlich dazu geführt, dass Manfred Rietzler dieses Projekt nicht weiterverfolgt hat.
nmz: Hat sich dadurch touristisch viel verändert oder gehen Touristen, die Neuschwanstein besuchen eher nicht ins Musical?
Hiltensperger: Füssen Tourismus und Marketing hat bisher keine gezielten Gästebefragungen zum Zusammenhang zwischen Schloss- und Musicalbesuch gemacht. Es ist aber anzunehmen, dass mindestens die Neuschwansteinbesucher:innen aus dem Ausland das Musical „Ludwig²“ eher wenig frequentieren. Zudem hat Füssen als Tourismusdestination eine eher heterogene Gästestruktur mit ganz unterschiedlichen Urlaubsideen, die sie nach Füssen führen: Kultur- und Städtereisende, Erholungs- und Aktivurlauber:innen vor allem in den Bereichen Wandern und Radeln, Gesundheitsurlauber:innen (Füssen ist ja als Kneipp- und Luftkurort sowie mit dem Ortsteil Bad Faulenbach als Moorheilbad prädikatisiert). Dieser Gästemix ist sicherlich dafür verantwortlich, dass in der Vergangenheit mit den zeitweiligen Schließungen des Theaters keine signifikanten Rückgänge bei den Gäste- und Übernachtungszahlen verbunden waren.
nmz: Wie wichtig ist das Festspielhaus heute insgesamt für die Region, die Musikstadt Füssen?
Hiltensperger: Der Beitrag des Festspielhauses zur Rolle Füssens als Musikstadt ist wichtig und ergänzt das Angebot der regionalen größeren Veranstalter, das eher klassisch orientiert (Kaisersaalkonzerte, Festival vielsaitig, Füssener Festtage Alter Musik etc., siehe Infos am Ende des Artikels) ist, wunderbar durch Angebote im Bereich Musical und „leichte Muse“. Obwohl im Festspielhaus auch immer wieder Klassik zu hören ist, wie etwa bei den jährlichen Orff-Tagen der Bayerischen Philharmonie. Touristisch kann das Festspielhaus mit seinem ganzjährigen Spielbetrieb zum einen dazu beitragen, die besucherschwächeren Nebensaisonzeiten zu beleben. Zum anderen sind die Festspielhausveranstaltungen auch in der sommerlichen Hauptsaison ein von unseren Gästen gerne genutztes „Add-on“ zu ihrem Füssen-Urlaub.

Szenenfoto aus dem aktuellen Nachfolger-Stück von „Sehnsucht nach dem Paradies“, dem „Ludwig2 – das Musical“, das im Sommer wieder in Füssen auf dem Spielplan steht. Foto: Peter Samer/Festspielhaus Neuschwanstein
Metropole des Lauten- und Geigenbaus
Füssen ist aber nicht nur durch das Musicaltheater und seine klassischen Konzertreihen zur Musikstadt geworden. Was wenige wissen: vor Cremona oder Mittenwald war die Stadt im Allgäu wegen ihrer besonderen Lage an der Handelsstraße Via Claudia Augusta, dem besonders guten Holz und dem schiffbaren Fluss Lech eine Metropole des Lauten- und Geigenbaus.
Lebendig wird das heute alles im Museum der Stadt Füssen im ehemaligen Benediktinerkloster St. Mang. Es präsentiert eine beeindruckende Sammlung an historischen Instrumenten, die von der Römerzeit über das Mittelalter bis hin zur Neuzeit reicht. Handwerkskunst und innovative Techniken wurden von Generation zu Generation weitergereicht und in andere europäische Gebiete weitergetragen. 1562 wurde die erste Lautenmacherzunft Europas in Füssen gegründet. Das war allerdings schon ein Hinweis darauf, dass der Berufsstand der Lautenbauer mit Problemen kämpfte, denn der Zunftzwang sorgte für eine Regulierung des Marktes.
Die Tradition lebt in Füssen bis heute weiter: In modernen Werkstätten fertigen Handwerker Instrumente von höchster Qualität.
Und noch ein etwas „unmusikalischer“ Tipp für Füssen: das Museum der bayerischen Könige in Hohenschwangau erzählt die Geschichte der Wittelsbacher auf sehr spannende und anschauliche Weise. Hier erfährt man viel mehr Spannendes über Ludwig II, seine Familie und seine Vorfahren als in den 35 Minuten in Neuschwanstein.
Wenn am frühen Abend der Besucherstrom zu den Schlössern langsam abreißt, zeigt sich Füssen mit seinen pittoresken bunten Häusern und der malerischen Lage an Berg und Fluss von seiner besten Seite. Romantik pur und sicher zu jeder Jahreszeit eine Reise wert.
- Presseeinladung FTM/Festspielhaus Füssen
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