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Women Wanted: Hat die Musikbranche ein Frauenproblem?

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Berlin - Stellen wir uns mal vor, es gäbe keine Helene Fischer. Die Schlager- und Pop-Königin ist so omnipräsent, dass eine Tatsache nahezu verdrängt wird: Die Musikbranche hat ein Frauenproblem. Ob in den Charts, bei den gängigen Preisverleihungen oder auf Festivals: Künstler sind deutlich präsenter als Künstlerinnen.

 

Und auch hinter den Kulissen geben Männer den Ton an. Zumindest in den Führungsetagen der Musikindustrie herrscht Frauenmangel. «Die gute Nachricht ist, dass das Problem ein größeres Bewusstsein bekommen hat», sagt Verena Blättermann vom Verband unabhängiger Musikunternehmen (VUT). Die 32-Jährige hat vor zwei Jahren «Music Industry Women» ins Leben gerufen. Ziel des Netzwerks ist, dass langfristig mehr Frauen die Musikwirtschaft mitgestalten - und zwar auch in Spitzenpositionen und als Gründerinnen.

«Wir wollen dafür sorgen, dass Frauen in der Musikwirtschaft sichtbarer werden», erklärt Blättermann, die in diesen Tagen auf dem Reeperbahnfestival in Hamburg unterwegs ist. Dort bildet das Thema Gender-Lücke einen Schwerpunkt im Konferenzteil. «Natürlich gibt es ein Ungleichgewicht, ob bei den Künstlern, bei den Autoren, bei Shows oder Konzerten», sagt Festivalchef Alexander Schulz. «Und warum? Weil in den Schaltzentralen auch kein Gleichgewicht besteht.»

Auch beim Reeperbahnfestival würden aktuell noch deutlich mehr Männer als Frauen auf den Bühnen stehen. «Aber wir bemühen uns zumindest um eine Annäherung», sagt Schulz. «Das geht auch nicht von heute auf morgen, aber die Gender-Gap ist beschämend für eine Branche, die von sich behauptet, auf der Höhe der Zeit zu sein.»

Tatsächlich gibt es kaum valide Zahlen zum Frauenanteil im Musikbusiness. Allerdings ist der Mangel in den Führungsebenen offensichtlich. 2015 stellte der VUT fest, dass lediglich 7,4 Prozent der mehr als tausend Mitgliedsunternehmen von Frauen geführt werden. 5,5 Prozent haben gemischte Teams an der Spitze. Und betrachtet man den Vorstand des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) sieht es noch schlechter aus. Das Gremium besteht aus fünf Männern, darunter die Chefs der Majorlabel Sony, Universal und Warner.

Und was ist mit der Künstlerseite? Klar gibt es Stars wie Helene Fischer, die mit ihrer Präsenz vielleicht einen verzerrten Eindruck verschaffen. Aber schauen wir mal zurück auf die diesjährige Helene-lose Echo-Verleihung. In den gemischten Kategorien wurden 16 Preise an Kreative (ohne Organisationen etc.) verliehen. 12 gingen ausschließlich an männliche Künstler oder Bands wie Udo Lindenberg, Beginner, Westernhagen oder Annenmaykantereit.

Lediglich Andrea Berg setzte sich als Frau in der Kategorie Schlager durch. Ansonsten gibt es weibliche «Teilgewinnerinnen» wie Bassistin Ines Maybaum, deren Band Broilers ausgezeichnet wurde. Oder beim Hit des Jahres, der an US-Rapper Drake feat. Wizkid @ Kyla (britische Sängerin) ging. Beim Preis für Popkultur sah es nicht besser aus. Und bei der 1Live-Krone gab es letztes Jahr keine einzige Siegerin.

Klarer Männerüberschuss auch in den offiziellen deutschen Charts: Laut GfK Entertainment haben in diesem Jahr bislang 256 Künstler und 75 Künstlerinnen ein Album platziert, das ist ein Verhältnis von 3:1. Bands wurden nicht berücksichtigt. Und die großen Festivals waren in diesem Sommer ebenfalls deutlich männerdominiert, wie ein Blick auf die Programme von Rock am Ring, Hurricane oder Lollapalooza zeigt.

Auch hinter den Hits stehen oft Männer. Das ergab eine Datenanalyse der Verwertungsgesellschaft GEMA und des Bayrischen Rundfunks. Darin wurden die Urheber der 100 Songs, die zwischen 2001 und 2016 die meisten Ausschüttungen aus Radioplays erhielten, nach Geschlecht unterschieden. Ergebnis: 9248 männliche und 1191 weibliche Urheber.

Natürlich gibt es Superstars wie Beyoncé, Rihanna und Adele oder hiesige tolle Sängerinnen wie Joy Denalane, Judith Holofernes und das Frauen-Duo Boy. Aber was ist zu tun, wenn dennoch Gleichberechtigung fehlt, wie lässt sich die Lage verbessern? Auf dem Reeperbahnfestival wurde jetzt das «Keychange»-Programm vorgestellt, das von der EU gefördert wird. 60 Frauen aus ganz Europa (30 Musikerinnen und 30 Branchenvertreterinnen) bekommen dabei zwei Jahre lang die Möglichkeit, ein internationales Netzwerk aufzubauen und so die Bedingungen für Frauen in der Musik nachhaltig zu verbessern.

Zu den «Keychange»-Botschafterinnen gehören die isländische Sängerin Björk, die Schottin Shirley Manson von der US-Band Garbage oder die schwedische Musikerin Robyn. Aus Deutschland ist Sängerin Alexa Feser dabei, die die Ungleichheit selbst gesehen hat. «Ich bin noch nie auf eine Produzentin gestoßen und auch im Musikjournalismus erlebe ich wenig Frauen», erklärt sie. «Der einzige Bereich, in dem das anders ist - und das ist wirklich traurig - ist der Promotion-Bereich. Das liegt meiner Meinung nach daran, dass die Frauen mit ihrem Witz und Charme die Musikthemen den Männern schmackhaft machen sollen.»

Was sie von dem Programm erwarte? «Ich erhoffe mir, dass wir ein bisschen Lärm machen und die Leute wachrütteln können. Es kann nicht sein, dass es in der Musik noch immer so ein Gefälle gibt.» Es gehe auch gar nicht darum, in Konkurrenz zu treten. Vielmehr gehe es um eine Gleichstellung und um eine Bereicherung für alle. «Musik ist etwas sehr Kreatives, und Kreativität ist sowohl weiblich als auch männlich. Beide Seiten sind sehr stark und sehr unterschiedlich - und es wäre schade, wenn wir diese Vielfalt nicht zu hören bekämen.»

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