Baden-Baden (ddp-bwb). Es ist eine hochkarätige Ausstellung, mit der die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden ihr 100-jähriges Bestehen feiert: Ab Samstag ist in der Schau «Von der Fläche zum Raum. Malewitsch und die frühe Moderne» avantgardistische Kunst zu sehen.
Mehr als 40 Gemälde sowie zahlreiche Zeichnungen, Grafiken und Skulpturen unter anderem von Kasimir Malewitsch, Wassily Kandinsky, El Lissitzky, Alexander Rodtschenko und Kurt Schwitters beleuchten den radikalen Umbruch in der Kunst in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts.
Im Mittelpunkt stehen neben Werken von Malewitsch drei rekonstruierte Räume von El Lissitzky, Rodtschenko und Schwitters. Das Kunstministerium Baden-Württemberg fördert die Schau als Große Landesausstellung mit rund 330 000 Euro. «Ohne Landesmittel wäre eine solche Ausstellung gar nicht möglich», verrät Kurator Fritz Emslander, zumal die Staatliche Kunsthalle nicht über eigene Bestände als Ausstellungsgrundlage verfügt. Nur zum Jubiläum könne man sich ein derart aufwendiges Projekt mit internationalen Leihgaben gönnen. Die Kosten für Transport, vor allem aber für die Versicherung, gehen dem Kurator zufolge in den dreistelligen Millionenbereich.
«Die knappe Hälfte der Exponate», schätzt Emslander, übernimmt die gleichnamige Schau des liechtensteinischen Kunstmuseums in Vaduz. Die drei großen rekonstruierten Räume seien allerdings eigens für die Kunsthalle nachgebaut worden. In eineinhalbjähriger Vorarbeit gelang es dem Kurator zufolge, weitere Kunstwerke aus russischen Beständen nach Baden-Baden zu holen. Teilweise stammen die Leihgaben von «jenseits des Urals», erzählt Emslander. Allein der Lkw-Transport von den Museen in Astrachan und Jekaterinburg nach Moskau dauerte vier Tage.
Dank des Aufwands kann die Staatliche Kunsthalle an ihre rund 30-jährige Tradition der Ausstellung zeitgenössischer russischer Kunst anknüpfen. «Malewitsch ist einer der Urväter der modernen Kunst, er hat Generationen von zeitgenössischen Künstlern beschäftigt», erläutert Emslander. Immerhin strebte Kasimir Malewitsch nichts weniger an als die Neugestaltung der Welt aus dem Geist der Kunst. Er brach mit seinem «Schwarzen Quadrat auf weißem Grund» 1915 radikal mit den Kunstströmungen seiner Zeit. Dahinter stand eine umfassende Theorie. «Durch die Dynamik der farbigen Flächen sollte die Dynamik des modernen Lebens sowie ein neuer, kosmischer Raumbegriff zum Ausdruck kommen», schildert Emslander.
Der Wunsch des Künstlers, eine neue Welt zu erfinden, deckte sich mit den Idealen der russischen Revolution. Alles, der Mensch, die Umwelt, bis zum banalsten Alltagsgegenstand, musste neu und anders werden. So zeigt die Staatliche Kunsthalle auch Revolutionsplakate und Revolutionsporzellan. Selbst die Architektur sollte den neuen Prinzipien entsprechen. Der Architekt El Lissitzky entwarf die sogenannten Prounen, was sich mit «Projekte zur Verfechtung des Neuen» übersetzen lässt, zu sehen in dem rekonstruierten Prounenraum von 1923. Emslander sieht Lissitzky als «Schlüsselfigur des sowjetischen Ausstellungsdesigns».
Rodtschenko wiederum erarbeitete im Sinne der neuen Ideale Einfachheit, Sparsamkeit und Zweckdienlichkeit einen Arbeiterclub als Modell in Originalgröße, ausgestellt im Pavillon der UdSSR auf der Internationalen Kunstgewerbeausstellung in Paris 1925. Raum und Möbel sind multifunktional und betont nüchtern gestaltet - als Gegenentwurf zum repräsentativen Stil westeuropäischer Bürgerlichkeit.
Weder bürgerlich noch politisch dachte Schwitters. In Hannover entwickelte er über Jahre hinweg den «Merzbau», einen höhlenähnlichen Raum aus eigenen Collagenkunstwerken und Huldigungen an eine Reihe russischer Künstlerfreunde. Der Merzbau wurde bei einem Luftangriff 1943 zerstört. «Die Rekonstruktion ist als eine Annäherung an das Original aufzufassen, die trotz ihrer Unvollständigkeit doch erahnen lässt, welche räumliche Erfahrung Schwitters anstrebte», kommentiert Emslander die dritte Rekonstruktion. Was heute unter dem Begriff «Rauminstallation» von zeitgenössischen Künstlern präsentiert wird, hatte in diesen Raumexperimenten seine Vorläufer.
100 Jahre Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden ist 1908 von Herrmann Billing vollendet worden Im Frühjahr 1909 wurde in Anwesenheit des Großherzogs von Baden die erste Ausstellung eröffnet. Seither gilt die Kunsthalle als ein Forum der Auseinandersetzung mit der Bildenden Kunst von der Avantgarde bis zur Gegenwart. Zur Tradition gehören Ausstellungen russischer Künstler wie die Kandinsky-Schau 1970, Rodtschenkos Fotografien 1978, Russische Avantgarde und Volkskunst 1993, Vladimir Tatlin 1994 und besonders «HA KYOPT! Russische Kunst heute» im Jahr 2004. Mit der Malewitsch-Schau vom 25. Oktober bis 25. Januar zum 100-jährigen Bestehen wird daran angeknüpft. Im Frühjahr 2009 folgt ein weiteres Jubiläumsprojekt mit dem Titel «7 x 14». Es widmet sich mit mehreren Ausstellungen im 14-tägigen Wechsel der aktuellen deutschen Kunstszene.