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17.9.: Oper, Konzert +++ Oper, Konzert aktuell

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+++ Klassik-Festival Ruhr lockte 28 000 Besucher ins Revier +++ Plattdeutsches Musical mit Hans-Albers-Melodien +++ Wahrheit oder nicht? - Deutsche Erstaufführung für Luciano Berios «La vera storia» in Hamburg - Milva als gefeierter Opernstar +++

Klassik-Festival Ruhr lockte 28 000 Besucher ins Revier
Rund 28 000 Musikinteressierte haben in diesem Jahr das Europäische Klassik Festival Ruhr besucht. Von den insgesamt 52Konzerten in 14 Städten des Ruhrgebiets waren ab dem 12. Juni fast alle zu 90 Prozent ausgelastet, wie der Festivalsprecher Hubert Schulte-Kemper in einem ddp-Gespräch in Essen sagte. Damit habe das Festival, das am Montag endete, im Laufe seiner fünfjährigen Geschichte einen Besucherrekord aufgestellt. Im Vorjahr waren 25 000 Besucher in Kirchen, Schlösser, Museen oder Industrieanlagen gekommen. Im Mittelpunkt des diesjährigen Festivals hatte der italienische Komponist Antonio Rosetti - ein Zeitgenosse Mozarts - gestanden.
«Wir haben in diesem Jahr deutlich gespürt, dass wir mit dem Klassik-Festival von der zweiten in die erste Bundesliga aufgestiegen sind», betonte Schulte-Kemper. Zu den «hervorragenden Produkten» zählten etwa Veranstaltungen wie «Klassik for Kids» und Wettbewerbe unter internationalen Hochschulen. Allein alle sechs «Last Night of the Proms»-Konzerte seien weitestgehend ausverkauft gewesen. «Es ist uns auch gelungen, die Zusammenarbeit mit den Städten zu intensivieren», sagte der Festivalleiter weiter und fügte hinzu: «In einigen sind wir bereits fester Bestandteil der Abo-Reihe.»
Schulte-Kemper begrüßte, dass das Klassik-Festival ab 2003 Teil der Ruhr-Triennale sein wird. «Das Ruhrgebiet hat mit dem Bühnenfest eine hervorragende Performance in der Kultur», beobachtete er. Mit der Triennale werde die Region international «viel intensiver wahrgenommen». Oft fehlten im Ruhrgebiet Mut und Zuversicht, sagte er. «Der Leiter der Ruhr-Triennale, Gérard Mortier, hat uns diese zurückgebracht.»

Plattdeutsches Musical mit Hans-Albers-Melodien
Gassenhauer von Hans Albers wie «Auf der Reeperbahn nachts um halb eins» oder «La Paloma» erleben ab Mittwoch ihre Wiederauferstehung. Die Niederdeutsche Bühne am Stadttheater Wilhelmshaven feiert ihren 70. Geburtstag und zeigt aus diesem Anlass das plattdeutsche Musical «Grote Freiheit Nummer söben». Es basiere auf dem Albers-Film «Große Freiheit Nummer sieben» von Helmut Käutner, teilte die Bühne am Montag mit.
Das Musical wird im Rahmen der Jubiläumswoche vier Mal im Veranstaltungszentrum «Pumpwerk» und später noch acht Mal im regulären Spielplan im Stadttheater aufgeführt. Auf die Bühne kommt die Geschichte des Steuermanns Johnny Kröger. Er verliert sein Patent und verdient sich seinen Lebensunterhalt als Stimmungssänger in einer Plattdeutsches Musical mit Hans-Albers-Melodien=

Wahrheit oder nicht? - Deutsche Erstaufführung für Luciano Berios «La vera storia» in Hamburg - Milva als gefeierter Opernstar
Dieses Fest auf einer italienischen Piazza ist alles andere als heiter: Die Teilnehmer singen vom nahen Tod, reden von Rache, bezeichnen den Bruder als Feind. «In dem Fest lebt alles», heißt es. Doch die «wahre Geschichte» ist, was lebt und überlebt sind
Hass und Feindschaft, Wut, Trauer und Verletzung. Der italienische Komponist Luciano Berio hat zu einem Libretto von Italo Calvino aus diesem schweren Stoff die Oper «La vera storia» gemacht. Die deutsche Erstaufführung des dunklen Stücks zeitgenössischen Musiktheaters wurde am Sonntagabend an der Hamburgischen Staatsoper zu einem frenetisch gefeierten Ereignis. In einer ungewohnten Rolle: die italienische Chansondiva Milva.
Regisseur Henning Brockhaus hatte schon vor der Aufführung in Hamburg gewarnt: Eigentlich gibt es keine Geschichte, die erzählt wird. Höchstens dies: Die Handlung ist angelehnt an Giuseppe Verdis «Troubadour». «Doch auch diese Oper habe ich nie verstanden und darum noch nie inszeniert», sagt Brockhaus.
Wie auf einem Filmset in der römischen Cinecitta beobachten Kameras die streng in schwarz-weiß gehaltene Szenerie: Zwei Männer aus politisch verfeindeten Lagern, die nicht wissen, dass sie miteinander verwandt sind, und sie dieselbe Frau lieben. Ein Mann, der für erlittenes Unrecht schreckliche Rache nimmt. All diese Menschen sind unfähig zu Dialogen, stattdessen singen sie die vom Poeten Calvino verfassten inneren Monologe. Singen «Wer einen Feind hat, der hatte ihn schon allzeit bei sich, in sich, wie ein Bruder» oder «Leben ist nichts anderes als Sterben».
Ein kurzes Innehalten und Durchatmen gibt es nur, wenn die Catastorie, die Geschichtenerzählerin (Milva), dazukommt. Sie erzählt sozusagen als Frau aus dem Volke die Geschichte in einfacher Balladenform, damit das Publikum sie versteht. Mit folkloristischer Musik fast wie im Schlager, herber Stimme und großen Gesten ist sie die einzige auf der Bühne, die mit positiver Energie die dunklen Gedanken für kurze Zeit zerreißt. Doch auch sie kennt die «wahre Geschichte»: «Keiner weiß, wer der andere ist, keiner will es wissen. Ach, so führt denn ein Verbrechen alsbald zu einem anderen.»
Milva hatte Berio Anfang der 80er Jahre in dem Auftragswerk der Mailänder Scala die Rolle der Cantastorie auf den Leib geschneidert. In allen bisherigen Aufführungen von «La vera storia» übernahm sie diese Partie. Für Regisseur Brockhaus hat sie ein großes Kompliment:«Das ist die schönste und beste Inszenierung, die bisher aufgeführt wurde. Auch in Hamburg wird Milva bis zum 9. Oktober die weiteren sechs Aufführungen singen.
Im zweiten Teil der Oper, von dem Berio selbst sagt, dass es gar keine Oper mehr ist, ist die Musik ausgedünnt, konzentriert sich immer mehr. Acht Sänger aus dem Chor singen nun dieselben Calvino-Verse wie im ersten Teil. Ebenso wie die Geschichte aus Hass, Rache und Blutvergießen, so wiederholt sich auch Calvinos Geschichte. Die Kulissen sind ebenso wie die Illusionen völlig zerstört, die Szenerie ist in Auflösung. Die Balladensängerin weiß um den Zustand der Menschen um sie herum und kann ihre Lieder manchmal nur noch stammeln. Mit einschmeichelndem Ton versucht sie, »den Ruf der Hölle zu vertreiben«. Vergebens, so singt es die atemberaubende Yvonne Naef in der Schlussszene: »Möglich, dass jenseits der Jahrhunderte sich Gutes vorbereitet, das ausreicht, um zu vergüten alle bitteren Qualen." Jenseits der Jahrhunderte? Für Regisseur Brockhaus bedeutet das: Der Mensch ist unfähig, das Gute durchzusetzen. Sein Hang zurZerstörung wird immer stärker sein als die Tendenz zum Guten.
Das gesamte Ensemble, außer Milva, sang die Oper als Rollendebüt. Neben Milva und Yvonne Naef brillierten vor allem Hellen Kwon als Leonora, Paul Lyon als Luca und Ashley Holland als Ivo. Begeisterte Zustimmung gab es an diesem Premierenabend zur Eröffnung der neuen Spielzeit auch für Generalmusikdirektor Ingo Metzmacher und sein engagiertes Orchester.

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