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Korngold-Oper «Die tote Stadt» bei den Salzburger Festspielen

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Salzburg (ddp). Er galt als musikalischer Wunderknabe, als neuer Mozart. Schon als Elfjähriger komponierte Erich Wolfgang Korngold sein erstes Ballett, mit 23 Jahren die abendfüllende Oper «Die tote Stadt» - nach dem Roman «Bruge-la-Morte» von George Rodenbach. Das Werk wurde 1920 gleichzeitig in Hamburg und Köln uraufgeführt und war ein überwältigender Erfolg.

Nur ein Jahr später kam die Oper in Wien und New York heraus. Korngolds Vertreibung aus Österreich durch die Nationalsozialisten und seine Emigration nach Hollywood, wo er sich vor allem der Filmmusik widmete, ließen das Werk und seinen Komponisten jedoch mehr und mehr in Vergessenheit geraten. Jetzt erlebte «Die tote Stadt» am Sonntagabend bei den Salzburger Festspielen eine spektakuläre Wiederauferstehung. Die Oper spielt in der flandrischen Handelsstadt Brügge, deren Blüte längst Vergangenheit ist. Paul kann den Tod seiner geliebten Frau Maria nicht überwinden, flüchtet sich in Träume und religiöse Schwärmereien. In der Tänzerin Marietta glaubt er, seine verlorene Gefährtin wiederentdeckt zu haben. In einer großen Traumsequenz, die den Hauptteil der Oper ausmacht, verliebt er sich in Marietta und schläft mit ihr. Diese erkennt, dass er in ihr nur das Abbild einer Toten liebt. Marietta verhöhnt Paul deswegen und reizt ihn, indem sie sich Mariens Haarflechte, Pauls wertvollstes Erinnerungsstück, als Perücke auf den Kopf setzt. Kulminationspunkt der Oper ist die Ermordung Mariettas durch Paul. Dieses Erlebnis katapultiert Paul wieder in die Wirklichkeit. In einer Art Katharsis gelingt es ihm, die Schatten der Toten hinter sich zu lassen und der «toten Stadt» Brügge den Rücken zu kehren. Geschickt und wirkungssicher vermischt Korngold in diesem vielschichtigen Sujet Traum und Wirklichkeit, Tod und pralles Leben, erotische Verstrickung und Verfallenheit an die Vergangenheit. Die «Trauerarbeit» des Opernhelden Paul wird getragen von einer ekstatischen, vielschichtigen Musik, die mal an Giacomo Puccini, mal an Korngolds Lehrer Alexander von Zemlinsky erinnert, aber stets eine eigene Handschrift trägt. Die Komposition ist überwiegend der Tonalität verpflichtet und reich an Ohrwürmern wie dem Schlüsselstück «Glück, das mir verblieb». Immer wieder lässt sie aber auch die heraufdämmernde Moderne erahnen. Kongenial setzte Regisseur Willy Decker die ständig zwischen Traum und Realität changierende Oper in Szene. Wolfgang Gussmann schuf dafür einen klar gegliederten, äußerst wandlungsfähigen Bühnenraum. Für die Traumszenen verdoppelt er den großbürgerlichen Salon, in dem sich der trauernde Paul eingeschlossen hat, in perspektivischer Verlängerung. Oder er lässt Flügeltüre und Stuckdecke, wie in einem expressionistischen Film, völlig verzerrt aus den Fugen geraten. Die beiden Wirklichkeitssphären werden von einem Schleiervorhang getrennt, der das überlebensgroße Bild Mariens trägt. Geschickt geordnete Chor-Tableaux, wie die von Paul verzückt verfolgte religiöse Prozession, vervollständigen das Bild. In dieser klug ausgetüftelten Szenerie agiert ein vorzügliches Sängerensemble - allen voran die heftig umjubelte Angela Denoke als Marietta und Torsten Kerl als Paul. Selbst die kleine Rolle von Pauls Freund Frank war mit Bo Skovhus exzellent besetzt. Dirigent Donald Runnicles führte die Wiener Philharmoniker und den Wiener Staatsopernchor sicher durch die facettenreiche, äußerst anspruchsvolle Partitur. Die Neuinszenierung im Kleinen Festspielhaus, letzte Opernpremiere der laufenden Saison, war der wohl bislang größte Erfolg der diesjährigen Salzburger Festspiele. In seltener Einmütigkeit bejubelte das Publikum musikalische und szenische Leistungen. Die Koproduktion wird in der gleichen Besetzung im Herbst auch an der Wiener Staatsoper gezeigt. Danach geht sie an die Nederlandse Opera Amsterdam und zum Gran Teatre del Liceu nach Barcelona.
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