Hamburg - Kurz vor ihrem Abschied aus Hamburg ließ Simone Young noch einmal eines ihrer Erfolgsteams an den Start. Nach «Madama Butterfly» legte das Duo Boussard/Lemaire Giacomo Puccinis Goldgräber-Saga «La Fanciulla del West» in einer Neuproduktion an der Staatsoper vor.
Puccinis Wildwest-Märchen «La Fanciulla del West» («Das Mädchen aus dem Goldenen Westen») ist ein schillernder Solitär im Werk des Komponisten. Zwischen Goldrausch-Thrill, Bibelfrömmigkeit, brutaler Lynchjustiz und Erlösungssucht schrammt die Fabel um die ebenso naive wie ausgebuffte Kneipenwirtin Minnie und ihren verbrecherischen Geliebten Dick Johnson oft nur haarscharf an der Kolportage vorbei. An der Hamburger Staatsoper feierte das Stück am Sonntagabend Premiere.
Es war dabei ein besonderer Reiz, dass nicht sofort auszumachen war, wo genau der Dreiecks-Plot um Sheriff, Gangster und das Mädchen Minnie spielen sollte: Ob in einer zum Western-Saloon umfunktionierten, wie mit Galgen bestückten Wasch-Kaue eines Goldgräber-Camps oder im Bunker-Schacht einer Bergbau-Mine in der Wildnis der Sierra Nevada oder gar in einer Urwald- oder Eis-Kathedrale. Die atmosphärisch betörende Lichtregie setzte jedenfalls immer neue irisierende Assoziationen frei für das obsessive Treiben der aufgeheizten Männer-Meute im kalifornischen Goldrauschfieber der 1850er Jahre.
Es waren denn auch diese Outlaws, denen Puccini in seiner «Fanciulla» gleich zu Beginn ein großes, musikalisch aufrüttelndes Denkmal setzte. Mit einem fulminanten Chor-Geschehen, dem der Franzose Vincent Boussard mit einer realistisch bewegten Regie explosive Schubkraft für eine insgesamt schlüssige «Fanciulla»-Sicht gab. Allerdings nahm alles etwas langsam Fahrt auf. Unklar blieb zudem, was der Prunk-Kronleuchter in Minnies ärmlicher Hütte zu suchen hatte. War er Symbol für den Glanz des giftigen Goldes? Puccinis brüchiges Happy-End mündete hier jedenfalls in ein etwas zu edel arrangiertes Oratorium.
Barbara Sell