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+++ Unumstrittene Königin des Bombast-Pop - Fans feiern Musiklegende Cher zum Deutschland-Tourstart in Köln. +++ Von B.B. King bis Elvis Presley - Die Musikdoku «The Road to Memphis» porträtiert die Blues-Metropole Memphis +++
Fans feiern Musiklegende CherKöln (ddp). Es werde ein etwas verrückter Abend werden, versprach Poplegende Cher am Freitag zum Auftakt ihrer Deutschland-Tournee in Köln. Die Diva übertrieb nicht: Mit einer furiosen Bühnenshow bewies die Amerikanerin, dass sie in der internationalen Musikszene immer noch eine Klasse für sich ist. Dabei hatten Sängerin und Band bei den ersten Stücken wie dem U 2 Cover «I still haven\'t found what I am looking for» Probleme mit der heiklen Akustik der Kölnarena. Der Sound der Band kam nur breiig beim Publikum an, und auch Cher im imposanten Lamettagewand blieb mit ihrer Stimme nur zweiter Sieger. Doch das besserte sich rasch. Und von den akustischen Mängeln lenkte ohnehin eine Bühnenshow ab, die man so in der Kölnarena selten gesehen hat. Immer wieder tummelten sich Gaukler und Artisten auf der Bühne, hangelten sich von der Decke, scheinbar ohne Netz und doppelten Boden. Die Fans hatte Cher sowieso schon mit den ersten Takten erobert. Mal seilte sie sich in einem Biedermeierkäfig ab, mal kam sie als Haremsdame auf einem Papp-Elefanten auf die Bühne. Den schweißtreibenden Teil des Tagwerks überließ Cher ihren sieben Tänzern, die überdreht und in exotischen Kostümen für Furore sorgten. Statt dessen huschte die Sängerin immer wieder zum Kostümwechsel in die Dekoration. Mit fast jedem Schlussakkord wurden das Outfit und die Frisur gewechselt, von textilarmen Glitter und Glimmer bis zur Schlaghose und der unverzeihlichen Kunstfellweste der Flower-Power-Ära.
Also genau jener Las-Vegas-Flair, den die Fans von Cher erwarten dürfen. Doch zum Ereignis wurde der Abend, weil die Glitzer-Queen auch als Künstlerin überzeugte. Während Nachwuchssängerin Britney Spears bereits zum Beginn ihrer derzeit laufende Tournee über Auszehrung klagte, präsentierte sich Cher auch nach über 200 Konzerten ihrer Abschiedstour immer noch prächtig aufgelegt. Ihre unverwechselbare Stimme verlieh dem Schmachtfetzen «Love hurts» den dringend notwendigen Gänsehaut-Faktor und verpasste auch den im Radio totgedudelten «Choop Choop»-Song neue Frische. An «I got you, babe», den ersten großen Hit mit ihrem mittlerweile tödlich verunglückten Ex-Ehemann Sonny Bono, erinnerte im Konzert lediglich ein Video. Die Frühphase ihrer rund 40-jährigen Karriere mit Hits wie «Halfbreed» handelte Cher in einem Medley ab. Mit dem ihr eigenen Sinn für Bombast polierte die mittlerweile 58-Jährige ihre Dance-Floor-Hits auf und verpasste dem 70er Jahre Herzschmerz-Stück «Bang Bang» ein sprödes Hardrock-Gewand. Zum Finale schien auf der Bühne dann die Zeit stehen geblieben zu sein. Cher zeigte sich schwarzgelockt in dunkler Lederjacke, darunter ein Mysterium aus Kunstfaser, für das der Begriff «Kleidung» irreführend wäre. Im Hintergrund lief das Video, mit dem Cher vor Jahren bereits endgültig Popgeschichte geschrieben hatte: Die Sängerin auf einem US-Schlachtkreuzer, ebenso leicht geschürzt wie auf der Bühne, vor hunderten johlenden Marine-Soldaten. Und noch während Cher ihren Hit «If I could turn back time» sang, reckten sich Geschütztürme des Schlachtschiffs drohend in den Himmel. Zu toppen war das nicht. Nach dem letzten Stück «Believe» entließ Cher rund 10 000 hochzufriedene Fans ohne Zugabe in den Kölner Frühlingsabend. Weitere Stationen der Cher «Farewell-Tour» sind München (4. Juni), Frankfurt (5. Juni), Hamburg (11. Juni) und Leipzig (27. Juni).
Von B.B. King bis Elvis Presley - Die Musikdoku «The Road to Memphis» porträtiert die Blues-Metropole Memphis
Berlin (ddp). Sechs Wochen nach Abschluss der Dreharbeiten zur Musikdokumentation «The Road to Memphis» starb der Blues-Pianist Rosco Gordon in Queens, wo er die letzten 20 Jahre in einer Wäscherei gearbeitet hatte. Am nächsten Tag wollte der 68-Jährige ein Konzert in Milwaukee, Wisconsin, geben. Gordon und den ebenfalls kürzlich verstorbenen Blues-Veteranen Rufus Thomas und Sam Philips widmete US-Regisseur Richard Pearce sein filmisches Porträt der Blues-Metropole Memphis, Tennessee. Mit seinem Filmessay «The Soul of a Man» hatte Wim Wenders vor kurzem die von Martin Scorsese angeregte siebenteilige Filmreihe eröffnet, die die Geschichte des Blues dem heutigen Publikum nahe bringen soll. Als zweiter Beitrag des Pakets kommt nun «The Road to Memphis» von Richard Pearce in die deutschen Kinos. Pearce beleuchtet mit Hilfe von Archivaufnahmen, Zeitzeugen-Berichten und Konzertmitschnitten vor allem Blues-Legenden wie B. B. King, deren Aufstieg und Ruhm mit Memphis, dem Mekka der Blues-Musik der Schwarzen im Mississippi-Delta, verbunden ist. Die filmische Hommage an die Stadt vereint unter anderem Ausschnitte von Originalauftritten von B.B. King - dem «King of the Blues»- , Bobby Rush, Rosco Gordon und Ike Turner sowie historische Aufnahmen von Howlin\' Wolf, Rufus Thomas und Fats Domino. Mit Hilfe zahlreicher Zeitzeugenberichte verfolgt Pearce, der als Dokumentarist, Kameramann und Spielfilmregisseur gleichermaßen anerkannt ist, dabei das Anliegen, wichtige Entwicklungslinien und Ausformungen des Blues als spezifisch amerikanischer Kunstform aufzuzeigen. Viel stärker als das essayistische Wenders-Porträt dreier Blues-Veteranen, das mit fiktionalen Gestaltungsmitteln arbeitet, lässt die Arbeit von Pearce den didaktischen Duktus des Blues-Projekts erkennen, das für den öffentlichen TV-Sender PBS entstand. Konventionell gebaut und in leicht verdauliche Kapitel gegliedert, versucht «The Road to Memphis» insbesondere die Verbindungslinien des Mississippi-Blues zum aufblühenden Rock\'n\'Roll nachzuzeichnen. So erschließt Pearce gerade jungen Kinogängern überraschende, weil wenig bekannte Stationen der Geschichte der Populärmusik, wenn er etwa den weißen Studioleiter Sam Phillips vorstellt, der in Memphis erst Platten schwarzer Bluesmusiker aufnahm, ehe er Elvis Presley «entdeckte». Hier wird deutlich, dass die Revolution des Rock\'n\'Roll ohne den musikalischen Nährboden des Blues nicht möglich gewesen wäre. Mag die musikgeschichtliche Zeitreise in den Passagen über die Beale Street in Memphis, dem legendären Vergnügungsviertel für schwarze Musiker, etwas langatmig geraten sein, so gelingen doch immer wieder bewegende Momente. So etwa wenn Rosco Gordon auf der zur Touristenmeile mutierten Straße einen spontanen Auftritt absolviert. Oder Reverend Gatemouth Moore in Yazoo City mit seiner Gemeinde eine mitreißende Gospel-Chor-Kirchen-Show zelebriert. («The Road to Memphis - The Blues II», Musikdokumentation, USA/Deutschland 2003, 90 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Richard Pearce, Mitwirkende: B. B. King, Rosco Gordon, Bobby Rush, Fats Domino, Little Richard, Ike Turner, u. a.) Kinostart: 3. Juni 2004