München - Die erste Saison der Münchner Philharmoniker unter ihrem neuen Chefdirigenten Waleri Gergijew ist ganz auf den russischen Maestro zugeschnitten. Gergijew wird rund ein Drittel der 35 Programme der Saison 2015/2016 leiten. «Wir wollen möglichst schnell ein gemeinsames Repertoire erarbeiten, was auch für unsere Tourneefähigkeit wichtig ist», sagte der Intendant des Orchesters, Paul Müller, am Freitag in München.
Gergijew sagte, er strebe «die beste Kombination» aus deutscher Musik und russischer Tradition an. Dabei wolle er auch hierzulande weniger bekannte Werke aus seiner Heimat präsentieren.
Gergijew gilt als einer der bekanntesten und gefragtesten Dirigenten weltweit. Durch seine Nähe zum Regime von Russlands Präsident Wladimir Putin und seine Zustimmung zur Annexion der Krim war er im vergangenen Jahr weltweit in die Kritik geraten. Mittlerweile sind die Proteste abgeklungen.
Das offizielle Antrittskonzert des neuen Chefdirigenten findet am 17. September statt. Dann steht Gustav Mahlers 2. Symphonie, die «Auferstehungssymphonie», auf dem Programm. Im November ist ein dreitägiges deutsch-russisches Musikfestival im Münchner Gasteig-Kulturzentrum geplant, zusammen mit dem St. Petersburger Mariinsky-Orchester, Gewinnern des Moskauer Tschaikowsky-Wettbewerbs und weiteren Ensembles.
Es sei wichtig, abseits der traditionellen Abokonzerte neue Wege der Musikpräsentation zu finden, betonte Gergijew. Er pries den besonderen Klang der Münchner Philharmoniker, den er bewahren wolle. Leider gebe es immer weniger Orchester auf der Welt mit einer eigenen Stimme.
In St. Petersburg leitet Gergijew als Intendant das renommierte Mariinsky-Theater, neben dem Moskauer Bolschoi das wichtigste russische Opernhaus. Daneben arbeitet er mit Orchestern wie den Berliner und Wiener Philharmonikern und dem Amsterdamer Concertgebouw. In München wird er Nachfolger des US-Dirigenten Lorin Maazel, der vergangenes Jahr gestorben ist.
Kurzporträt Waleri Gergijew
Der Russe Waleri Gergijew ist einer der bekanntesten Dirigenten weltweit. Der langjährige Leiter des St. Petersburger Mariinsky-Theaters und künftige Chef der Münchner Philharmoniker stammt aus dem Kaukasus. Er machte erstmals international auf sich aufmerksam, als er 1976 als Student des Konservatoriums im damaligen Leningrad den Berliner Herbert-von-Karajan-Dirigierwettbewerb gewann. Nach Stationen in der sowjetischen Provinz wurde er 1988 Chefdirigent und künstlerischer Leiter der damaligen Kirow-Oper. Seit 1996 ist er Intendant des wieder in Mariinsky umbenannten russischen Prestigetheaters.
Mit seinem Stammensemble gastiert Gergijew seither in der ganzen Welt, unter anderem regelmäßig im Festspielhaus Baden-Baden. 1995 bis 2008 war er zusätzlich Chefdirigent der Rotterdamer Philharmoniker; 2007 übernahm er den Chefposten beim London Symphony Orchestra, den er aber zu Gunsten seiner künftigen Tätigkeit als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker aufgibt. In München wird er Nachfolger des im vergangenen Jahr verstorbenen US-Maestros Lorin Maazel.
In Russland gilt der Putin-Freund und glühende Patriot als künstlerisches Aushängeschild. In dieser Rolle eckt er international immer wieder an. Als im März 2014 bekanntwurde, dass er in einem offenen Brief zusammen mit weiteren russischen Kulturschaffenden die Annexion der Krim unterstützt hatte, gab es Proteste im Vorfeld seiner Konzerte. Auch künstlerisch ist der 62-Jährige nicht unumstritten. Für seine Interpretationen des russisch-sowjetischen Repertoires genießt Gergijew zwar großen Respekt. Andererseits wird ihm zuweilen vorgeworfen, er sei zu viel unterwegs und probe zu wenig mit seinen Ensembles.