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Gera (ddp-lth). Die Oper «Cosima» wird am Samstag am Theater Gera uraufgeführt. Der Komponist Siegfried Matthus setzt sich in dem Werk, das als Ringuraufführung mit dem Staatstheater Braunschweig auf die Bühne kommt, mit den Beziehungen zwischen Friedrich Nietzsche, Richard und Cosima Wagner auseinander.
Siegfried Matthus ist ein gefragter Mann. In den vergangenen Wochen pendelte der 73-jährige Komponist zwischen seinem Wohnort Rheinsberg sowie Braunschweig, Gera und München hin und her. Er wollte hören und sehen, wie seine jüngsten Werke unter den Händen von Regisseuren und Dirigenten sozusagen für die Öffentlichkeit «geboren» werden. Mit «Lamento» erleben am Freitag in der Interpretation der Münchner Philharmoniker seine musikalischen Erinnerungen an die Flucht aus Ostpreußen ihre Uraufführung. Tags darauf kommt in Gera seine Oper «Cosima» - als Ringuraufführung mit dem Staatstheater Braunschweig in zwei unterschiedlichen Inszenierungen - auf die Bühne.
Eigentlich könnte die Oper auch «Friedrich» heißen, steht doch der Philosoph Friedrich Nietzsche (1844-1900) in der letzten Stunde vor seinem Tod im Mittelpunkt des Geschehens. Dessen Persönlichkeit fasziniere ihn, und er habe sich eingehend mit dessen Philosophie befasst, bekennt der Komponist. Darin weiß er sich einig mit Martin Schüler, der für die Geraer Inszenierung von Theater & Philharmonie Thüringen verantwortlich zeichnet. Als Regisseur, der schon sehr viele Werke Richard Wagners (1813-1883) auf die Bühne gebracht habe, sei dabei die Figur Cosimas (1837-1930), der Frau Wagners, besonders interessant, betont er.
Zudem finde er es spannend, in der Oper, die Traumebene und Realität vermische, zu erleben, wie Nietzsche gegen den einst von ihm verehrten Wagner ankämpft. «Wagner war erfolgreich und hatte viele Frauen. Nietzsche hat nie eine Anerkennung erfahren, war verlacht und verspottet», sagt Schüler. Der psychisch kranke Philosoph hätte Cosima gern als Frau an seiner Seite gehabt und habe vergeblich gehofft, dass dieser Wunsch nach dem Tod Wagners Wirklichkeit wird. Seine Liebe zu Cosima versuchte der Philosoph, der sich auch als Komponist ausprobierte, in einem Musikdrama zu verarbeiten.
Diesen komponierenden Nietzsche nennt Matthus als einen der Handlungsstränge seiner etwa 80-minütigen Oper. Sie setze auf großes Orchester und großen Chor, habe aber viele kammermusikalische Farben und greife im Vorspiel auf Kompositionen Nietzsches zurück. Daneben würden immer wieder Teile aus dem Opernfragment des Philosophen auftauchen. Und dann sei da noch Cosima, die den Jenaer Nervenarzt Binswanger, in dessen Anstalt Nietzsche lebt, unter Druck setzt, um an die Partitur Nietzsches heranzukommen.
Zwar sei das Ende - Cosima «ermordet» Nietzsche mit der von ihm verabscheuten Musik des Wagnerschen «Parsifal» - von ihm «frei fabuliert», doch basiere das Libretto zu 95 Prozent auf Originaltexten von Nietzsche, Wagner und Cosima, betonte Matthus.
Auch Regisseur Schüler griff auf Originalmaterial zurück. Er habe in der Psychiatrie in Jena die originale Krankenakte Nietzsches lesen können, Fotos von der Einrichtung gesehen, die nun im Bühnenbild von Dieter Richter fast originalgetreu wiederkehre. Die Musik von Matthus, mit dem er bereits zum dritten Mal zusammenarbeitet, bezeichnet er als «handwerklich toll, lernbar und singbar». Deshalb hoffe er, dass der Funke zum Publikum überspringe, die Zuschauer «die Tragödie des Mannes nachvollziehen und sich vielleicht mit Nietzsche auseinander setzen, dessen Werk und Leben so wie bei keinem anderen Philosophen miteinander verquickt waren».
Uschi Lenk
http://www.tpthueringen.de
Acht Daten aus dem Leben des Komponisten Siegfried Matthus
1934 - geboren in Ostpreußen
1948-1952 - Schulbesuch in Rheinsberg
1952-1958 - Studium an der Musikhochschule Berlin
1958-1960 - Meisterschüler von Hanns Eisler
seit 1960 - freischaffender Komponist, seither schuf er mehr als 600 Werke
1985 - Ernennung zum Professor
seit 1991 - künstlerischer Leiter der Kammeroper Schloss Rheinsberg
2000 - Auszeichnung mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse