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Julia Cloot mit Kuratoriumsmitglied Lucas Fels. Foto: Björn Hadem
Julia Cloot mit Kuratoriumsmitglied Lucas Fels. Foto: Björn Hadem
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Aktuelle Musik mit ästhetischem Eigenwert

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Martin Maria Krüger, Julia Cloot und Felix Falk im Interview über den neu gegründeten Musikfonds
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Auf Anregung der Staatsministerin für Kultur und Medien, Monika Grütters, ist durch sieben Verbände und Institutionen am 15. September 2016 der Musikfonds e.V. gegründet worden. Ziel des Musikfonds ist die Förderung der zeitgenössischen Musik aller Sparten in ihrer Vielfalt und Komplexität.

Mit Spannung wurde die Zusammensetzung des 14-köpfigen Kuratoriums, das als Jury die Förderentscheidungen verantworten wird, erwartet. Jedes der sieben Gründungsmitglieder durfte einen Kandidaten setzen, weitere sieben wurden in geheimer Wahl aus einer Vielzahl von Vorschlägen zugewählt. Entsendet wurden Stefan Fricke (GNM), Urs Johnen (UDJ), Adelheid Krause-Pichler (DTKV), Ulrike Liedtke (DMR), Robert HP Platz (DKV), Marion Saxer (DEGEM) und Ralf Weigand (IM). Verbandsunabhängig wurden zugewählt Marc Chung, Lukas Fels, Orm Finnendahl, Thomas Krüger, Carolin Naujocks, Julia Neupert und Stefan Schulzki.

Die Mitglieder des Kuratoriums treffen sich dreimal im Jahr. Es wird alle zwei Jahre neu gewählt. Insgesamt darf man bis zu sechs Jahre dem Kuratorium angehören. Mit dem Musikfonds sollen herausragende Projekte aller Sparten der zeitgenössischen Musik mit einer Antragssumme von bis zu 50.000 Euro unterstützt werden, bei einer in Ausnahmefällen möglichen Förderung bis zu drei Jahren. Es gibt keine Grenze nach unten. Insgesamt stehen jährlich 1,1 Millionen Euro aus Mitteln der Staatsministerin für Kultur und Medien für den Fonds zur Verfügung.

Lesen Sie im Folgenden Interviews mit den Vorsitzenden des Musikfonds, Martin Maria Krüger, Julia Cloot und Felix Falk.

Kämpfen um den Musikfonds

neue musikzeitung: Wie sieht die Zeitschiene aus?

Martin Maria Krüger: Wir stehen vor der Konstituierung des Kuratoriums am 16. Dezember. Das wird ein entscheidender Schritt sein, da das Kuratorium die abschließenden Förderrichtlinien beschließt, die dann noch der Bestätigung durch die Mitgliederversammlung bedürfen. Parallel dazu läuft die Vorprüfung der Satzung des Musikfonds als gemeinnütziger Verein beim Finanzamt in Bonn. Wir wollen nach Möglichkeit den Sitz des Fonds im Haus der Musik in Bonn installieren, wo ja auch schon andere Fonds sitzen. Die Geschäftsstelle des Fonds wird in Berlin sein.

nmz: Mit welchem Anspruch will der Musikfonds fördern?

Krüger: Unser Anspruch ist es, ausdrücklich nicht-kommerzielle und qualitativ herausragende Projekte auf hohem künstlerischen Niveau zu fördern. Das gilt für alle beteiligten Sparten, ob das zeitgenössische Musik im Sinne der Neuen Musik ist, oder ob es in den populären und Jazz-Bereich betrifft.

nmz: Wo ist der Platz des Musikfonds im System der Bundesprojektförderung anzusiedeln?

Krüger: Die Aufgabe ist es, unterhalb der „Reizschwelle“ der Kulturstiftung des Bundes, die erst bei wesentlich höheren Förderbeträgen tätig wird, ein Instrument zu haben, das mit dem geringsten möglichen Aufwand an Bürokratie, und vor allem ohne zu langen Vorlauf, sehr flexibel fördern kann. Es wird im Kern um Konzertprojekte gehen, im Einzelfall können aber auch erweiternde Komponenten – zum Beispiel Kompositionsaufträge oder ein integriertes Symposium – gefördert werden.

nmz: In welcher Relation steht die Musikfondsförderung zu Konzerten des Deutschen Musikrats?

Krüger: Naturgemäß wird die Förderung von Projekten mit Ensembles Neuer Musik, also das, was das Konzert des Deutschen Musikrates im Moment macht, eine ureigene Aufgabe des Musikfonds sein. Der Deutsche Musikrat hat auch deshalb so um den Musikfonds gekämpft, damit auf diese Weise ein mit viel mehr Fördermitteln und auch größerer Flexibilität ausgestattetes Instrument geschaffen wird, als es das Konzert des Deutschen Musikrat darstellt. Wie wir mit der Marke „Konzert des Deutschen Musikrates“ umgehen, werden wir noch klären müssen. Heute kann ich sagen: Im Februar des nächsten Jahres wird das Präsidium des DMR zu einer Klausur zusammen treten, die sich mit der Zukunft der Förderung Neuer Musik, und zwar unter dem Aspekt, dass es jetzt diesen Musikfonds gibt, beschäftigen wird.

nmz: Um die Rock-, Pop- und Jazzmusik in Deutschland zu stärken, hat der Bundestag beschlossen, die bestehenden relevanten Strukturprojekte auszubauen, inhaltlich zusammenzuführen und durch weitere zu ergänzen. Insgesamt 8,2 Millionen Euro stehen 2017 für dieses Vorhaben zur Verfügung? Hat Popularmusik und Jazz jetzt ein „Förder-Übergewicht“?

Krüger: Letztlich ist die Initiative Musik auch als ein Marktförderinstrument geschaffen worden, um Künstlerinnen und Künstlern die Möglichkeit zu geben, wirtschaftlich erfolgreich arbeiten zu können. Das ist auf andere Weise auch der Fall beim Konzert des DMR oder beim Musikfonds. Denn wenn Aufführungen aus öffentlichen Mitteln gefördert sind, haben die Künstler auch einen Anspruch darauf, dass man darauf achtet, dass sie auch fair entlohnt werden. Beim Musikfonds geht es allerdings darum, jeglichen Wirtschaftsförderaspekt außen vor zu lassen und tatsächlich reine Qualität und Experimente zu fördern.

nmz: Monika Grütters nennt als Kriterium hohe Innovationskraft.

Krüger: Wir hatten überlegt, ob wir den Begriff Avantgarde unmittelbar als zentralen Begriff in den Fördergrundsatz aufnehmen. Das haben wir so am Ende nicht gemacht. Avantgarde kann natürlich schon geradezu als stilistische Eingrenzung definiert werden. Richtig ist: Gefördert werden soll Zukunftsweisendes.

  • Martin Maria Krüger ist Präsident des Deutschen Musikrats

Wichtiges Signal

neue musikzeitung: Bei der Förderung geht es um zeitgenössische Musik. Damit ist aber nicht nur gemeint, was wir unter der Neuen Musik verstehen, sondern auch Jazz und Pop?

Julia Cloot: Der Fonds ist ein wichtiges Signal für die Neue Musik. Aber es ist ja ohnehin so, dass sich die Neue Musik an den Rändern stark ausgeweitet hat, auch hin zu anderen Genres und dass sie mit unterschiedlichen Formaten arbeitet. Dem tragen wir Rechnung. Und bei den anderen Musikrichtungen ist nicht „der Jazz“ oder „der Pop“ gemeint, sondern aktuelle Musik, die einen ästhetischen Eigenwert hat und nicht auf das Kommerzielle ausgerichtet ist, die innovativ und experimentell ist.

nmz: Wann startet die erste Förderrunde?

Cloot: Die erste Ausschreibung wird sicher nicht mehr in diesem Jahr erfolgen, weil die konstituierende Sitzung des Kuratoriums am 16. Dezember stattfindet und die Position der Geschäftsführung erst ausgeschrieben werden muss. Es ist also realistisch, dass die erste Antrags-Runde zu Beginn des neuen Jahres startet. Die Fördermittel von 2016 können aber nach 2017 übertragen werden.

nmz: Wie tariert ihr die Interessenlagen der 7 Verbände aus? Und wie arbeitet das 14-köpfige Kuratorium?

Cloot: Ich habe sehr dafür geworben, dass wir alle über den Tellerrand schauen. Wir sitzen nicht in der Mitgliederversammlung, um nur die Interessen unserer eigenen Verbände zu vertreten. Bei der Formulierung der Fördergrundsätze haben wir versucht, zwischen verschiedenen Perspektiven zu vermitteln.

nmz: Sind die Fördergrundsätze schon für die Öffentlichkeit zugänglich?

Cloot: Ja, seit dem 25. November 2016. Es gibt eine Präambel, in der alle förderfähigen Musikrichtungen genannt sind: „Mit seinen Fördermaßnahmen spricht der Musikfonds Bereiche, Schnittmengen und interdisziplinäre Ansätze von Neuer Musik, zeitgenössischer Moderne, Jazz, elektroakustischer Musik, freier Musik, improvisierter Musik, Echtzeitmusik, experimentellem Rock und Pop der Subkultur, radikale Strömungen von Elektro und Dance, Hardcore und Ensemble-Formationen aller Größen, Audio-Installationen oder Klangkunst an.“

nmz: Was kann man mit 1,1 Millionen bundesweit fördern?

Cloot: Die Summe reicht nicht für eine Infrastrukturförderung wie beim Netzwerk Neue Musik. Mit 1,1 Millionen Euro kann man nicht institutionell fördern. Wir haben dem Kuratorium des Fonds aber die Möglichkeit eingeräumt, im Einzelfall Förderungen für 3 Jahre zu beschließen.

nmz: Siehst du auch Gefahren? Wenn man etwas fördert, entstehen natürlich auch wieder Förderbiotope, die nach Auslaufen der Förderung zum Sterben verurteilt sind. Hat man sich da Gedanken gemacht?

Cloot: Haben wir, ja. Gerade, weil es sich nicht um eine Infrastruktur-, sondern um eine Projektförderung handelt, ist die Gefahr einer Bildung von Biotopen nicht ganz so groß. Es sollte aber andererseits keine Gießkannenförderung betrieben werden. Der Fonds soll die Vielfalt der zeitgenössischen Musik in Deutschland unterstützen, aber im Sinne einer qualitätvollen Vielfalt. Da wird das Kuratorium in seinem Urteil gefordert sein.

nmz: Und die Einbettung in andere Fördersysteme? Spricht man sich ab, oder sind das parallele Institutionen?

Cloot: Es gab einige Maßgaben von der BKM, die wir natürlich erfüllen mussten. Dazu gehört, dass der Musikfonds keine Projekte fördern kann, die von der Bundeskulturstiftung bereits Unterstützung erhalten. Damit soll eine Doppelförderung vermieden werden. Deswegen auch die obere Antragsgrenze von 50.000 Euro, oberhalb dieser Summe können Anträge bei der Kulturstiftung des Bundes gestellt werden.

  • Julia Cloot ist Präsidentin der Gesellschaft für Neue Musik

Gutes Klima für Jazz

neue musikzeitung: Um die Rock-, Pop- und Jazzmusik in Deutschland zu stärken, hat der Bundestag für 2017 insgesamt 8,2 Millionen Euro 2017 bereitgestellt. Zusätzlich hat der Musikfonds einem Förderetat von 1,1 Millionen Euro im Jahr. Es herrscht ein gutes Klima für den Jazz zurzeit. Können Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) und Bundeskonferenz Jazz (BK Jazz) jetzt die Früchte ihrer jahrelangen, zähen Lobbyarbeit ernten?

Felix Falk: Ja, aber an diesen Erfolgen haben noch mehr Partner entscheidenden Anteil. Zum Beispiel dürfen wir uns derzeit über zwei sehr musikkulturverständige Haushälter freuen. Das sind die Bundestagsabgeordneten Rüdiger Kruse (CDU) und Johannes Kahrs (SPD) aber das sind auch die Mitglieder des Kulturausschusses. Zusammen mit der Tatsache, dass mit Monika Grütters eine jazzaffine Kulturstaatsministerin das Thema von exekutiver Seite her entscheidend unterstützt, ist das sehr wirkungsvoll für die Verbesserung der Situation des Jazz auf bundeskulturpolitischer Ebene. Die lange Überzeugungsarbeit, die wir als UDJ und BK Jazz geleistet haben, hat sich also gelohnt, denn Jazz und unsere Ideen werden wahrgenommen und unterstützt. Allein das Beispiel des Spielstätten-Programmpreises APPLAUS, der ab 2017 von einer auf zwei Millionen Euro verdoppelt wird, zeigt das eindrucksvoll, denn hier handelt es sich um ein Konzept, dass wir ursprünglich entwickelt hatten.

nmz: Der Musikfonds e.V. soll eine Förder-Lücke schließen. Welche?

Falk: Das ist die Lücke, die sich zwischen der Nachwuchsförderung, der Wahrung des musikalischen Erbes und der musikwirtschaftlich ausgerichteten Förderung auftut. Zeitgenössische Musik – das meint Jazz, Neue Musik, elektroakustische Musik, improvisierte Musik, experimenteller Pop der Subkultur oder auch radikale Strömungen von Elektro. Der Musikfonds nimmt also die hochambitionierte Musik in den Fokus, die Kunst eher als Selbstzweck begreift und die daher nicht primär wirtschaftlich funktioniert. Gerade für den Jazz ist das eine gute Nachricht, denn hier fehlte bisher eine entsprechende Förderstruktur. Dass die UDJ als Gründungsmitglied in den Fonds aufgenommen wurde, ist politisch ein wichtiges Signal, dass diese Musik stärker in der Projektförderung berücksichtigt werden soll.

nmz: Ist der Musikfonds eher Musiker- oder Spielstättenförderung?

Falk: Während der APPLAUS der Initiative Musik stärker auf die Spielstätten zielt, ist der Musikfonds eine klassische Projektförderung. Da können Musikerinnen und Musiker, unabhängig von Wirtschaftspartnern Anträge stellen. Bei den Jazzmusikern wird die große Herausforderung sein, dass auch genügend Förderanträge einreichen. Aus anderen Bereichen werden möglicherweise zunächst mehr Anträge kommen, da es da bereits eine Förderpraxis gibt, die Antragsteller mehr Routine haben und das Schreiben von Förderanträgen einfach gewohnt sind. Ich kann also nur jeden ermutigen, Anträge zu stellen.

  • Felix Falk ist stellvertretender Vorsitzender der Union deutscher Jazzmusiker sowie Sprecher der Bundeskonferenz Jazz.

Infos zur 1. Förderrunde 2016/17: www.musikfonds.de

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