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Zurück in Nordrhein-Westfalen: Isabel Pfeiffer-Poensgen. Foto: MKW/Bettina Engel-Albustin
Zurück in Nordrhein-Westfalen: Isabel Pfeiffer-Poensgen. Foto: MKW/Bettina Engel-Albustin
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Nicht nur im Namen kommt Kultur an erster Stelle

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Die neue musikzeitung im Gespräch mit Isabel Pfeiffer-Poensgen, der neuen NRW-Kulturministerin
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Es war ein Coup: NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) holte Ende Juni die parteilose Volljuristin und Generalsekretärin der Kulturstiftung der Länder, Isabel Pfeiffer-Poensgen, in sein Kabinett. Die bundesweit beachtete Personalie verspricht: Die Kultur soll in Nordrhein-Westfalen wieder ganz groß geschrieben werden. Andreas Kolb traf sich für ein erstes Gespräch mit der neuen Ministerin für Kultur und Wissenschaft in ihrem Amtssitz in Düsseldorf.

neue musikzeitung: „Die neue nord-rheinisch-westfälische Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen hält nichts von Forderung nach einem Bundeskulturministerium.“ Das meldete die Deutsche Presseagentur am 2. Oktober 2017. Frau Pfeiffer-Poensgen, warum ist ein neu eingerichtetes NRW-Kulturministerium gut, ein Bundesministerium dagegen nicht?

Isabel Pfeiffer-Poensgen: Weil die Ausgangsbedingungen vollkommen unterschiedlich sind. Wir wissen alle, dass in den vergangenen Jahren die Kulturpolitik in der Bundesebene durch Kulturstaatsministerin Monika Grütters und auch ihre Vorgänger sehr stark nach vorn gebracht worden ist. Die Bundeskulturförderung hat enorm an Wahrnehmung, aber auch an Finanzkraft zugenommen. Dass die Kultur in der zentralen Einheit der Bundesrepublik situiert war, wurde zum absoluten Erfolgsmodell. Wenn die Kultur nicht in personam einer Staatsministerin beim Bundeskanzleramt angesiedelt wäre, sondern Teil eines riesigen Bundesministeriums würde, wäre sicher diese Art der Positionierung schwieriger.

Hier in Nordrhein-Westfalen war die Ausgangslage in eine vollkommen andere. Wir befinden uns zwar im größten Bundesland Deutschlands, aber wir haben eine Ausstattung, die der Bedeutung des Bundeslands nicht annähernd gerecht wird. Dazu kam die negative Wahrnehmung unter anderem wegen des Verkaufs der Sammlung der ehemaligen WEST LB sowie des Spielbank-Betreibers Westspiel und der Diskussion, die sich daran anschloss. Dass die Kultur ein eigenes Ministerium bekommt, ist eine bewusste Setzung der neuen Landesregierung. Wir setzen Kultur ganz ins Zentrum, weil es da Nachholbedarf gibt. Das ist eine ganz andere Lage als im Bund.

Nomen est Omen

nmz: Was erwarten sie sich von der Neugründung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft?

Pfeiffer-Poensgen: Es beginnt beim Wort: Bereits im Namen drückt sich die Wertschätzung aus: Es heißt Ministerium für Kultur und Wissenschaft und nicht umgekehrt. Im Etat gibt es zwangsläufig große Unterschiede: Der Etat für die Wissenschaft beläuft sich auf über 8 Milliarden Euro, der für die Kultur derzeit auf 200 Millionen und in fünf Jahren werden es 300 Millionen Euro sein.

Das Bewusstsein für Kultur in der Gesellschaft soll sich verändern. Und es geht darum, wieder stärker den Blick auf die vielen Einrichtungen der Kultur in NRW zu richten. In der Nachkriegsgeschichte hatte NRW in der Bildenden Kunst (Düsseldorf), im zeitgenössischen Tanz (Wuppertal) und auch in der zeitgenössischen Musik (Köln) eine enorm wichtige, internationale Funktion. Heute würde man sagen, das waren echte Hot Spots. Sehr viele Impulse sind von NRW ausgegangen. Das ist in Teilen – und ganz ungerechterweise – in der öffentlichen Wahrnehmung verschüttet. Das hat mit der Verlagerung der Aufmerksamkeit nach Berlin zu tun, das hat aber auch etwas mit einer sehr starken Geschichtsvergessenheit zu tun. Wir haben tolle Ausstellungshäuser mit sehr guten Programmen. Es muss wieder gelingen, Kunst und Kultur in NRW bundesweit anders zu platzieren.

nmz: Erfolgsmodelle aus NRW gibt es doch auch in jüngerer Zeit bis heute: JeKi und JeKits, die traditionsreichen Ruhrfestspiele, die Kulturhauptstadt Ruhr oder auch die Ruhrtriennale. Alles auch Kulturproduktion, die auf ein breites Publikum zielt und nicht nur Hochkultur sein will …

Pfeiffer-Poensgen: Die Ruhrfestspiele gibt es seit 50 Jahren und sie werden weiterhin unterstützt als wichtiger Baustein mit großer Tradition. Die Ruhrtriennale als Aufbruch in die postindustrielle Zeit wurde von Gerald Mortier in genialer Weise angeschoben. Sie ist bis heute ein sehr ambitioniertes Projekt zeitgenössischer Kunst. Wenn Sie aber mit Hochkultur die Stadttheater meinen, dann kann ich nur sagen: Ich kann es nicht mehr hören, dass Stadttheater nur Hochkultur für Besserverdienende produzieren. Ich halte das für Denk- und Diskussionsmuster von vor 30 Jahren. Die Menschen, die das behaupten, waren lange nicht mehr im Theater. Ich war gerade im Düsseldorfer Schauspielhaus: Es war ausverkauft, alles junge Leute. Das Bild in vielen Theatern ist längst ein anderes. Auch die Themen, die verhandelt werden, sind gegenwartsbezogen.

nmz: Stadttheater ist das eine. Wie gehen Sie auf die freie Szene zu?

Pfeiffer-Poensgen: Wir haben hier eine fantastische freie Szene – und finden auch hier vollkommen gemischte Besuchergruppen vor.

nmz: Was sind ihre nächsten Pläne? Gibt es einen „Fahrplan“?

Pfeiffer-Poensgen: Ich bin schon gestartet. Meine Besuchsreise durch die Theater in NRW hat bereits angefangen. Sie dürfen nicht vergessen, dass ich auch für die Hochschulen des Landes zuständig bin. Auch da gibt es einen Fahrplan. Man lernt sehr viel mehr durch Gespräche und Besuche vor Ort als durch Aktenstudium. Das ist der schönste Teil meiner Arbeit.

nmz: Im Eingangsbereich Ihres Ministeriums steht in großen Lettern: „Ministerium für Kultur und Wissenschaft“. Wie ist die Idee für dieses neue Ministerium entstanden. Wurde des lange im Voraus am Grünen Tisch geplant?

Pfeiffer-Poensgen: Ich bin erst nach Abschluss des Koalitionsvertrags dazu gestoßen. Ich habe mich mit Ministerpräsident Armin Laschet in Berlin zu einem Gespräch getroffen und er hat mir diese Aufgabe angeboten. Das hat mich total überrascht, denn ich habe keinen politischen Lebenslauf. Die Entscheidung über die Namensgebung des Ministeriums lag bei den Koalitionspartnern – ich habe den Namen erst aus meiner Ernennungsurkunde erfahren. Aber er war mir sehr recht.

nmz: Wie nehmen Sie ihre Rückkehr von Berlin nach NRW war? Was hat sich verändert?

Pfeiffer-Poensgen: Das ist nicht einfach zu beantworten. Nordrhein-Westfalen war für mich auch in Berlin gar nicht so weit entfernt. Für die Kulturstiftung der Länder war ich zwei bis drei Tage die Woche in allen Bundesländern unterwegs, häufig auch in NRW, als dem größten Bundesland mit einer großen Zahl an Kultureinrichtungen. Auch wegen der umstrittenen Kunstverkäufe war ich häufig in Düsseldorf. Am Ende sind vertretbare Lösungen gefunden worden. Es ist gelungen, die Bilder der ehemaligen WEST LB Sammlung gut über das Land und seine Museen zu verteilen.

Kommunale Prägung

nmz: Bei der nordrhein-westfälischen Kulturförderung überwiegt die kommunale Förderung mit 70 Prozent deutlich. Das Land beteiligt sich bisher mit 30 Prozent. Was wollen sie daran ändern?

Pfeiffer-Poensgen: NRW ist sehr stark kommunal geprägt, Es hat keine feudale Geschichte. Es ist ein Land mit vielen alten Städten und ist daher bürgerlich geprägt. Es ist nur konsequent, dass die Städte ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Aber sie brauchen Unterstützung dabei, das ist die Aufgabe der Landeskulturpolitik. Dazu steht einiges bereits im Koalitionsvertrag. Ich greife mal die Theater- und Orchesterförderung heraus. Sie ist im Moment verschwindend gering. Eines der ersten Vorhaben wird es sein, eine schrittweise Erhöhung für diese Einrichtungen zu ermöglichen und dafür ein gerechtes und transparentes System zu entwickeln. Der Anteil des Landes an der jeweiligen Theaterfinanzierung war schon, als ich vor über zehn Jahren in Aachen als Kulturdezernentin tätig war, mit 7 bis 8 Prozent niedrig. Inzwischen ist er auf 3 Prozent zurückgegangen. Das muss sich ändern. Insgesamt wird der Kulturetat um 50 Prozent über fünf Jahre aufgestockt.

nmz: Stellt sich die Frage nach einem Staatstheater für NRW für Sie noch?

Pfeiffer-Poensgen: Aus den eben genannten Gründen: Nein.

nmz: Ministerpräsident Laschet hat Anfang Oktober seine 100-Tage-Pressekonferenz abgehalten. Werden Sie das auch tun?

Pfeiffer-Poensgen: Nein. In den ers-ten Wochen war es für mich wichtig, Menschen aus den verschiedenen Bereichen kennenzulernen, seien es die Rektoren der Universitäten und Hochschulen oder die Leiter der großen Kultureinrichtungen wie Theater, Orchester oder Museen. Zwei oder drei Mal war ich auch bei der Ruhrtriennale zu Gesprächen, ganz einfach deshalb, weil sie derzeit stattfindet.

nmz: Gibt es Kontakte nach Berlin?

Pfeiffer-Poensgen: Wir warten ab, welche Koalition zustande kommt und welche Akteure dann unsere Gesprächspartner sein werden. Das ist insbesondere für den Hochschulbereich wichtig, da es eine Menge wesentliche Kooperationen zwischen dem Bund und den Ländern gibt. Mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters habe ich ebenfalls sehr gut zusammengearbeitet. Natürlich haben wir hier in Düsseldorf schon einige gute Ideen, die wir dem Bund vorschlagen könnten.

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