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Ungewöhnlicher Klangpoet

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Zum Tod des Komponisten Josef Anton Riedl
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„Vielleicht ist es so, vielleicht ist es aber auch nicht so.“ In vielfältigsten Varianten hat er diesen Satz aus Büchners Komödie Leonce und Lena immer wieder dekonstruiert und verschachtelt in seinem experimentellen Schaffen. Josef Anton Riedl, einer der ungewöhnlichsten Komponisten unserer Tage, als Klang-Geräusch-Gesten-Bild- Lautpoet sowie als höchst kreativer Veranstalter war er über ein halbes Jahrhundert lang eine Institution der Neuen Musik in München mit agitatorischer Strahlkraft in alle Welt hinaus.

Jetzt, da mich die Nachricht vom Tode Josef Anton Riedls ereilt, denke ich an den Freund, an die Einladungen nach Schäftlarn in großer geselliger Runde, unsere familiären Besuche in Murnau, denen ‚Jo‘ mit Besuchen in Freiburg und Berlin antwortete. Und ich denke dabei auch an seine Frau Rose, die 2008 verstarb. Beide zusammen bildeten für den Gast eine Herzlichkeit aus, die schwerlich übertroffen werden konnte. Roses Ruhe und Bedachtsamkeit, Jos Rastlosigkeit und Neugier verbanden sich zu einem Energiezentrum, von dem München als Stadt der Künste, die Klang- Aktionen und die musica viva unermesslich profitieren sollten.“ (Winrich Hopp, Künstlerischer Leiter der musica viva)

Nun ist es so. Jo, wie ihn die verschworene Schar seiner Freunde genannt hat, ist nun tot, verstorben am 25. März in Murnau. In München geboren, wahrscheinlich – vielleicht – 1927, hatte er mit gegen den Strich gebürsteter Schlagzeugmusik begonnen. Nach dem Krieg besuchte er die Musikhochschule, wurde von Karl-Amadeus Hartmann, von Scherchen und Orff gefördert.

1951 ein Schlüsselerlebnis konkreter Art:

„Ich ging mit Freunden nach Aixen- Provence zu einem Festival-Workshop, und im Rahmen des Programmes trat Pierre Schaeffer auf, er stellte seine große bekannte Sinfonie eines Einsamen Menschen vor in zehn Sätzen. Die Unbekümmertheit und Frechheit beinahe, die da musikalisch zum Ausdruck kam, die hat mich so beeindruckt, so fasziniert, dass ich schon im Herbst darauf nach einigen Monaten nach Paris fuhr und Produktionen in seinem Studio mir anhörte.“

Tonband-Musik wurde Riedl wichtig. Die Klangwelt eines Edgar Varèse. In den späten 50ern konzipierte er das Siemensstudio für Elektronische Musik und wurde dessen Künstlerischer Leiter.

„Eigentlich war ja Carl Orff beauftragt worden, zu einem großen Jubiläumsfilm eine elektronische Musik zu machen, von Siemens bevollmächtigt, man wollte einen bekannten Namen haben, wollte aber auch die neue Technik verwendet haben. Und Orff sagte dann: „Ich weiß jemanden, der ist natürlich ganz unbekannt, einen ganz jungen Typen, der könnte das machen, der hat da Kontakte in diese Richtung schon aufgenommen in Paris und auch in Köln.“

In seiner Münchner Veranstaltungsreihe „Klang-Aktionen“ stellte Riedl Stücke keinen Komponisten nicht vor, der in der internationalen Welt der Neuen Musik Rang und Namen hat. Sein eigenes multimediales, Gattungsgrenzen sprengendes Schaffen aber lässt sich kaum auf den Punkt bringen. Jedenfalls hat er – wie sein Freund Dieter Schnebel es treffend sagte – nie „normale“ Musik geschrieben.

Riedl erfand begeh- und bespielbare Skulpturen aus verschiedensten Glas- Elementen; Paper-Music-Geräusch- Welten, bizarr anmutende Laut-Gedichte für klatschende und stampfende Sprecher/Schreier – oder nur gezeichnete in spastischer Linienführung. Klangevents im Freien. Unerbittlich in seinem ästhetischen Anspruch, stets auf der Suche nach der nie da gewesenen Klang-Geräusch-Bild-Bewegungs-Licht- Erfahrung gastierte er mit seinen Ensembles im In- und Ausland. In seinen späteren Jahren auch der musica viva verbunden mit enzyklopädischem Wissen. International vernetzter Anreger, Förderer, Freund.

„Also ich lass mich sehr, sehr stark, um auf neue musikalische Ausdrucksmöglichkeiten zu kommen, auf verschiedene Dinge ein, und lass mich überraschen. […] Für mich ist alles offen...“

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