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„The Livelines“ – eine Jugendband der Musik- und Kunstschule. Foto: Katrin Eisenträger
„The Livelines“ – eine Jugendband der Musik- und Kunstschule. Foto: Katrin Eisenträger
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Zwei Ausbildungen unter einem Dach

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Die Musik- und Kunstschule Osnabrück und das Institut für Musik feiern ihr 100-jähriges Jubiläum
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Vor 100 Jahren wurde in Osnabrück das städtische Konservatorium gegründet, aus dem sich die städtische Musik- und Kunstschule sowie das Institut für Musik (IfM) an der Hochschule Osnabrück entwickelt haben. Die Tradition, sowohl die Liebhaber- als auch die Profi-Ausbildung unter einem Dach zu vereinen, setzen die städtische Musik- und Kunstschule und das Institut für Musik auch heute noch fort: Am Institut für Musik besteht ein breit gefächertes Studienangebot für Instrumentalmusik und Gesang in den Studienrichtungen Pop, Jazz, Klassik, Musical und Elementare Musikpädagogik. Und an der Musik- und Kunstschule erlernen derzeit etwa 7.000 Schülerinnen und Schüler ein Instrument oder nehmen an einem Kunstkurs teil. Den 100. Geburtstag feiern die Institutionen schon das ganze Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen. Höhepunkt war das große Fest am 2. Oktober. Unmittelbar nach dem Großereignis sprach die nmz mit Sascha Wien­hausen, dem Leiter des IfM, und Sigrid Neugebauer-Schettler, der Leiterin der Musik- und Kunstschule.

neue musikzeitung: Wie war das Jubiläumsfest?

Sigrid Neugebauer-Schettler: Wunderbar. Alle Profile konnten sich zeigen, und wir hatten ungefähr 2.000 Gäste.

nmz: Haben die vielen Jubiläumsveranstaltungen dazu beigetragen, dass die Institutionen in der Stadt sichtbarer wurden?

Sascha Wienhausen: Auf jeden Fall, die vielen Veranstaltungen haben eine große Sichtbarkeit geschaffen. Wir haben die Geschichte des Konservatoriums in einer Publikation aufgearbeitet. Das hat auch einige Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzeugt.

nmz: Stichwort Geschichte: 1919 wurde das Konservatorium gegründet. Was kam dann?

Neugebauer-Schettler: 1919 war das Bestreben, die Musikpädagogik auf zwei Beine zu stellen: eine Ausbildung für Laien, also die Basis, gleichzeitig die Profi-Ausbildung. In den 1990er-Jahren wollte die Stadt Osnabrück die Studienabteilung nicht mehr tragen. An der Hochschule Osnabrück war ohnehin schon die Theaterpädagogik etabliert worden, da passte die Musikpädagogik perfekt dazu. Die Studienabteilung wurde also mit offenen Armen dort aufgenommen. Und als Musik- und Kunstschule sind wir jetzt auch Gast in den Hochschulräumlichkeiten und leben und arbeiten nach wie vor unter einem Dach.

Wienhausen: Die räumliche Gemeinsamkeit war immer unsere Klammer, auch wenn es jetzt zwei Institute mit verschiedenen Trägern sind: die Hochschule und die Stadt Osnabrück. Es fühlt sich nicht wie ein getrenntes Institut an.

Neugebauer-Schettler: Viele Dozenten arbeiten in beiden Institutionen. Relativ einzigartig ist auch, dass die Studierenden ein sehr stark ausgeweitetes Praktikum absolvieren. Das dauerte wie eine Art Referendarzeit zwei Jahre.

nmz: Gibt es weitere Synergien?

Wienhausen: Wir haben viele inhaltliche Synergien, weil das, was man sich in der Hochschule – vielleicht manchmal im Elfenbeinturm – überlegt, sofort in der Praxis erprobt werden kann. Außerdem wird an der Musikhochschule sehr viel am Vormittag unterrichtet, an der Musikschule viel am Nachmittag. Dadurch entstehen auch räumliche Synergien. Wir ergänzen uns zum Beispiel auch bei den Instrumenten oder bei gemeinsamen Projekten. Es gibt auch Schüler der Musikschule, die schon bei uns im Orchesterbereich engagiert sind. Man kann sich ständig gegenseitig befruchten.

nmz: Wenn sich dieses Modell so gut bewährt: Warum gibt es diese Kombination Ihrer Meinung nach nicht öfter in Deutschland?

Neugebauer-Schettler: Tatsächlich sind wir schon von anderen Städten angefragt worden, wie wir das denn gemacht haben. Aus unserer Sicht ist das wirklich ein tolles Modell.

nmz: Wie funktionieren Sie als Führungsteam, als Doppelspitze gewissermaßen?

Wienhausen: Wir haben unterschiedliche Chefs: den Präsidenten der Hochschule und den Oberbürgermeister der Stadt Osnabrück. Dadurch haben wir in der Verwaltungsstruktur kein gemeinsames Dach. Wir sind eher zwei autonome Königreiche, die hier in einem Land zusammengefasst sind. Wir versuchen, inhaltlich, didaktisch-pädagogisch und im Veranstaltungsbereich zusammenzuarbeiten. Das geschieht auf Augenhöhe.

Neugebauer-Schettler: Das sind gelebte Werte.

nmz: Zurück zur Geschichte: Gab es Meilensteine oder Entwicklungen, die besonders herausragen?

Neugebauer-Schettler: In der Musik- und Kunstschule ist dies das Landesprogramm „Wir machen die Musik“, durch das wir uns wesentlich vergrößert haben. Beide Abteilungen sind mindestens um das Dreifache gewachsen.

Wienhausen: Wir mussten uns als Musikhochschule Gedanken darüber machen, wie man einen kleinen Standort wie Osnabrück so attraktiv macht, dass wir hier Studierende ziehen können, die auch ein gewisses Niveau haben. Und darüber, wie wir uns im 21. Jahrhundert im Bereich der Musikpädagogik verorten. Das hat dazu geführt, dass Osnabrück die einzige Hochschule im deutschsprachigen Raum ist, die zwei Drittel der Studierenden in popularen Bereichen ausbildet. Wir haben die größte Pop- und die größte Jazz-Abteilung und eine der wenigen Musical-Abteilungen in Deutschland. Auch die klassischen Instrumente, die bei uns ausgebildet werden, profitieren davon. Und die elementare Musikpädagogik ist bei uns sehr stark verankert im Musical- und Popbereich.

Der zweite Meilenstein ist, dass uns die Hochschule aus Eigenmitteln einen Erweiterungsbau finanziert. Am 15. Dezember 2020 wird der Bau fertig sein. Dort werden wir tolle Proberäume für Pop und Jazz, Tanzräume für den Musicalbereich und die EMP haben, ein sehr gut ausgestattetes Tonstudio und endlich auch einen Veranstaltungssaal für etwa 400 Gäste, der uns bisher an diesem Standort fehlt.

nmz: Der Bau wird dann auch von beiden Einrichtungen genutzt?

Wienhausen: Das ist noch nicht genau ausdefiniert, aber wir werden uns im nächsten Jahr darüber verständigen.

nmz: Wie sind die Aussichten der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt?

Wienhausen: Wir evaluieren regelmäßig die Abschlussjahrgänge. 86 Prozent unserer Studierenden arbeiten im musikalischen Bereich: zwei Drittel im pädagogischen, ein Drittel im künstlerischen Bereich.
Neugebauer-Schettler: Die Absolventen werden mit offenen Armen auch an den Musikschulen aufgenommen, weil sie von allen Profilen etwas mitbekommen und eben auch eine sehr fundierte pädagogische Ausbildung bekommen. Zum Beispiel Fähigkeiten, die wir im Bereich des Gruppenunterrichts oder Klassenmusizierens brauchen.

nmz: Welche weiteren Schwerpunkte zeichnen Ihre Institutionen aus?

Neugebauer-Schettler: Wir haben neben der Musik den Bereich der Kunst. Die Kunstschule feiert in diesem Jahr auch ein Jubiläum, nämlich das 40ste. Das ist eine große Bereicherung für unsere Schule.

Wienhausen: Das IfM hat im Rahmen der Reakkreditierung ganz neue Schwerpunkte gesetzt und viel Wert auf Management-Skills und auf das Thema Resilienz gelegt. Dazu gehören Achtsamkeits-, ab dem nächsten Semester auch Yogakurse. Flankiert werden die Angebote von einem wissenschaftlichen Seminar zur Resilienztheorie.

Neugebauer-Schettler: Wir waren eine der ersten Einrichtungen, die Musiker-Medizin als Fach hatten, das ist ein fester Bestandteil in der Ausbildung der Studierenden. Wir sind hier in einem Haus, in dem auch die Physio­therapeuten ausgebildet werden, so dass es ergänzende Angebote für Studierende und Lehrende gibt, sich musikermedizinisch betreuen zu lassen. Das ist ein großes Plus.

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