Boomer gehen in Rente, die Kirchenfinanzen bröckeln - und trotzdem zieht es Menschen an die Orgel. Was treibt Musiker in ein Studium und einen Job zwischen Glauben und knappen Kassen?
Wer setzt sich heutzutage noch an eine Orgel? Einer von ihnen heißt Constantin Bräutigam. Der 24-Jährige trägt eine Brille, hat kurze braune Haare, in der Freizeit hört er gern Hip-Hop. Bräutigam studiert seit einem Semester Orgel und Dirigieren an der Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg. «Ich bin ein ganz normaler Mensch», sagt er.
In einer eintägigen Aufnahmeprüfung musste er zeigen, ob er Klavier, Orgel, Improvisation, Gesang und Dirigieren für das Studium ausreichend anspruchsvoll beherrscht. Und dann war da noch der theoretische Teil - aber für den Musikbegeisterten kein Problem. Trotzdem habe er sich für die Aufnahmeprüfung zum Studium ein halbes Jahr lang intensiv vorbereitet. «Sonst wird man das nicht bestehen», sagt Bräutigam.
Die Hochschule für Kirchenmusik in Heidelberg kann über Mangel an Nachwuchs zwar nicht unbedingt klagen, wie Kord Michaelis, Landeskirchenmusikdirektor der Badischen Landeskirche in Karlsruhe berichtet. «Unsere Sorge im Augenblick ist, dass die Kirchenfinanzen ganz massiv zurückgehen.» Dies hänge mit den Kirchenaustritten und den Missbrauchsskandalen zusammen. Der weit stärkste Effekt sei jedoch demografischer Natur.
Die Zahl der Musikstudienplätze liege seit Jahren konstant bei rund 360. Und es sollen nicht weniger werden, sagt Michaelis.
Jobeinsteiger und Berufswechsel
Die Studentenschaft ist vielfältig: «Wir haben Leute so im Alter, wie ich es bin, Anfang 20. Wir haben aber durchaus auch wirklich Quereinsteiger, die einfach mit Mitte 40, Anfang 50 noch mal etwas Neues ausprobieren wollten», erzählt Bräutigam. Die Musiker kommen auch aus allen möglichen Tätigkeiten - manche bauen sich damit ein zweites Standbein auf, andere wechseln ihren Beruf.
Orgel und Hip-Hop
Bräutigam denkt, dass Studenten vor allem wegen ihrer Musikbegeisterung an der evangelischen Hochschule studieren. «Also es gibt sicherlich auch welche, die machen das aus Glaubensgründen und das gehört natürlich mit dazu, wenn man Kirchenmusik studiert», ergänzt der Organist. Er selbst höre im Privaten ja auch ganz andere Musik - «Hip-Hop, Rock, das volle Programm».