In Berlin ist die Studie „MiKADO-Musik“ vorgestellt worden. Sie sagt bis 2035 einen existenziellen Fachkräftemangel an Musikschulen voraus.
MiKADO-Musik, ein Crowd-Research-Projekt, initiiert von ALMS und RKM
MiKADO-Studie: Dramatische Zahlen zum Nachwuchsmangel in der Musikpädagogik
„Alarmierend“ – „erschreckend“ – „dramatisch“: Mit negativen Adjektiven wurde nicht gespart bei der Präsentation der Studie „MiKADO-Musik“, zu der der Deutsche Musikrat (DMR) nach Berlin sowie online eingeladen hatte. Die Studie war von der „Arbeitsgemeinschaft der Leitenden pädagogischer Studiengänge“ (ALMS) und vom „Ausschuss Künstlerisch-Pädagogische Studiengänge“ der Rektorenkonferenz der Musikhochschulen (RKM) initiiert worden. Unter Mitwirkung zahlreicher Musikhochschulen und Studieninstitutionen sowie des Verbands deutscher Musikschulen (VdM) wurden in einem breit angelegten Crowd-Research-Projekt mit über 50 Forschungsgruppen Ursachen, Herausforderungen und Handlungsansätze untersucht. Die Abkürzung „MiKADO“ steht dabei für „Mangel an Nachwuchs im Künstlerisch-Pädagogischen Bereich an Ausbildungsinstituten in Deutschland und Österreich“.
Und dieser Mangel hat perspektivisch ein in der Tat erschreckendes Ausmaß: Wie die Studie anhand von Hochrechnungen ermittelte, gehen bis 2035 rund 14.700 Musikschulkräfte in den Ruhestand, während es beim jetzigen Stand von Studienanfänger:innen bis dahin nur etwa 4.000 Absolvent:innen der Instrumental- und Vokalpädagogik sowie der Elementaren Musikpädagogik geben wird. Damit könnten in zehn Jahren etwa drei Viertel der freien Stellen nicht mit entsprechend qualifizierten Musikschullehrkräften besetzt werden, was angesichts konstant steigender Nachfrage bedeuteten würde, dass mindestens eine halbe Million Schüler:innen keinen Musikschulunterricht mehr bekommen könnten, so das Fazit der Studie. Lydia Grün brachte diese letzte Zahl mit einem Vergleich auf den Punkt: Musikschulunterricht könnte dann so exklusiv werden wie ein Medizinstudienplatz, so die frisch gewählte Präsidentin des DMR in ihrem Eröffnungsstatement.
In weiteren Stellungnahmen gingen Friedrich-Koh Dolge (VdM) und Christian Fischer (RKM) auf die in der Studie ermittelten Gründe für den Nachwuchsmangel ein, darunter die schlechte Bezahlung und das negative Image des Berufes. Dolge sieht in der Studie das „Bauchgefühl“ bestätigt und forderte einmal mehr, dass Künstlerisches und Pädagogisches in Musikhochschulen „auf Augenhöhe“ gelebt werden müsse. Christian Fischer kritisierte die unter Hochschulkollegen immer noch verbreitete Praxis, wenn Studierenden, weil „zu gut für die Pädagogik“, ausdrücklich abgeraten werde, diesen Weg einzuschlagen. Außerdem stellte er in Frage, warum die Förderung von Musikschulen noch immer keine Pflichtaufgabe der Kommunen sei. Am Ende laufe es auf ein klares Bekenntnis hinaus, so Fischer: „Was ist uns kulturelle Teilhabe wert?“
Neben den ernüchternden Fakten werden in der Studie aber auch Vorschläge für konkrete Maßnahmen gemacht: So könne durch Praktikums- und Mentoring-Programme sowie die Ausweitung der studienvorbereitenden Ausbildungen an Musikschulen vermehrt Nachwuchs gewonnen werden. Positiv könne sich außerdem eine Ausweitung praxisorientierter Studienplätze musikpädagogischer Studiengänge und die Erweiterung des Kanons der Instrumente und Ensembles mit Blick auf gesellschaftliche Vielfalt auswirken. Nötig seien aber auch attraktive Arbeitsbedingungen an Musikschulen und Förderprogramme für die Weiterqualifizierung.
Zur Umsetzung stellte Lydia Grün die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Sicherung der außerschulischen Musikalischen Bildung in Aussicht, in der die Kultusministerkonferenz, der Verband kommunaler Arbeitgeber, die kommunalen Spitzenverbände, der VdM und die RKM mitwirken sollen.
Man kann nur hoffen, dass dies schnellere und konkretere Maßnahmen zur Folge haben wird als das, was sich seit Veröffentlichung der MULEM-EX-Studie zum Nachwuchsmangel im Bereich Schulmusik (Juni 2024, siehe nmz 7/8 2024) getan hat. Auf nmz-Nachfrage konnte nur auf Einzelmaßnahmen in zwei Bundesländern in Sachen Eignungsprüfungen sowie darauf verwiesen werden, dass an der UdK Berlin das Klavierspiel nicht mehr zwingende Voraussetzung für potenzielle Studienanfänger sei.
Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der MiKADO-Studie ist als pdf auf der Webseite des Deutschen Musikrats abrufbar.
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