Hauptbild
Helmut Zapf

Helmut Zapf

Banner Full-Size

Von Noten, Violinschlüsseln und Spielbarkeit

Publikationsdatum
Body

Das Komponieren von Musikstücken ist eine Wissenschaft für sich. Helmut Zapf bringt anderen bei, wie es geht - ob bei sich im Wohnzimmer oder an einer Musikschule. Für sein Engagement erhält er eine hohe Auszeichnung.

Panketal - «Wenn Dir der Text wichtig ist, änderst Du die Höhe des Soprans - sonst versteht keiner das Gesungene», sagt Helmut Zapf. Konzentriert starrt der erfahrene Komponist zeitgenössischer Musik auf einen Laptop-Bildschirm - gemeinsam mit seiner Schülerin Raphaele Aoun. Die 19-jährige Libanesin hat ein Stück für Gesang, Flöte, Klavier und Cello komponiert, um eine Elegie von Rainer Maria Rilke hörbar zu machen.

Nun sitzt die in Berlin lebenden Nachwuchs-Komponistin im Wohnzimmer ihres Lehrers im Panketaler Ortsteil Zepernick (Barnim), um mit ihm Note für Note durchzugehen. Dabei tauschen sich beide über klangliche Verfärbungen, Anfangs- und Enddynamik, Tonstufen oder andere Fach-Spezifika aus. «An dieser Stelle setzt Du einfach einen Violinschlüssel davor und der Musiker erkennt, dass Du als Komponist mitdenkst», rät Zapf. Denn was nütze die schönste Komposition auf dem Papier oder Laptop, wenn sie praktisch nicht spielbar sei, erklärt er, während Aoun nickt und sich Notizen in ihrem Notenheft macht.

Unterrichten «auf Augenhöhe»

Zapf und Aoun wirken vertraut miteinander, lächeln viel. Insgesamt sieben Stücke hat die junge Libanesin bereits komponiert. «Ich liebe das Komponieren. Es ist eine Leidenschaft, die ich schon immer zum Beruf machen wollte», sagt die 19-Jährige, die schon seit früher Kindheit Klavier spielt und für die Verwirklichung ihres Traums bereits vor Jahren ihre Heimat verließ. In Italien machte sie das Abitur, in Berlin will sie Musik studieren. «Ich hatte mir erste Arbeiten von Raphaele angeschaut, die sie mir per E-mail schickte. Schon am Notenbild kannst Du die tatsächliche Musikalität des angehenden Komponisten erkennen», erklärt der gebürtige Thüringer Zapf.

Der Wahl-Brandenburger habe ein großes Wissen, das er gut vermitteln könne, ohne seine Schülerin im Unterricht einzuengen, lobt Aoun, die sich mithilfe von Zapf auf ein Studium an der Musikhochschule vorbereitet. Die guten pädagogischen Fähigkeiten des Zepernickers kann auch Thorsten Müller, Referent für neue Musik im Landesmusikrat Brandenburg, bestätigen. «Zapf ist stets auf Augenhöhe mit seinen Schülern. Er versteht es unheimlich gut, Nachwuchs-Musiker zu begeistern, holt sie da ab, wo sie in ihrer musikalischen Entwicklung stehen», lobt er Zapf.

Im vergangenen Herbst wurde der Musiker mit dem Brandenburger Landesverdienstorden ausgezeichnet. Die Ehrung erhielt er unter anderem für sein Engagement im Wettbewerb «Jugend komponiert Brandenburg», der jedes Jahr vom Landesmusikrat in Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin) veranstaltet wird.

Brandenburg fehlen Talente für «Jugend komponiert»

Bereits seit 1994 ist Zapf künstlerischer Leiter des Ausscheides, zu dem Nachwuchskomponisten zwischen 14 und 27 Jahren ihre Werke einreichen können - möglichst für das jeweilige «Instrument des Jahres», wie Müller beschreibt. «In diesem Jahr, der 29. Wettbewerbs-Ausgabe, ist das die Tuba, Einsendeschluss ist Anfang September». Parallel dazu werde eine mehrtägige Komponisten-Werkstatt veranstaltet, bei der durchschnittlich etwa 15 junge Talente des Wettbewerbs gemeinsam mit Profimusikern wie Zapf an ihren Stücken arbeiten, die bei einem Abschlusskonzert auch uraufgeführt würden. Inzwischen sei die Zahl beteiligter Nachwuchskomponisten aus dem Land allerdings überschaubar, bedauert der studierte Organist aus Zepernick, der auch Klavier, Gitarre und Trompete spielt.

«Das Komponieren wird an Brandenburger Musikschulen leider nicht mehr unterrichtet, deswegen gibt es da kaum neue Talente», ergänzt Müller, der seit knapp fünf Jahren mit dem Komponisten Zapf bei «Jugend komponiert» zusammenarbeitet.

Deswegen sei der Wettbewerb auch für interessierte Nachwuchsmusiker aus Berlin und Polen geöffnet worden, sagt der Referent für neue Musik. So gebe es seit wenigen Jahren eine Kooperation mit der Musikakademie Poznan (Polen). Hoch im Kurs stünden bei jungen Komponisten aktuell vor allem Filmmusiken, sagt Müller. Animiert würden sie durch Kinostreifen und Streaming-Serien. Das Komponieren könne praktisch jeder erlernen, stimmt er Zapf zu.

Komponieren kann jeder?

«Aber es ist schon eine komplizierte Sache. Da braucht man schon ein gewisses Vorwissen», gibt Müller zu bedenken, auch wenn heutzutage schon per Mausklick komponiert werden könne. «Neue Medien werden auch in diesem Bereich immer populärer - es gibt digitale Noten-Schreibprogramme oder ganze Audio-Work-Stationen. Das erleichtert vieles - ob das Stück dann so aber auch spielbar ist, bleibt manchmal fraglich.»

Mit Noten arbeiten sollte ein Nachwuchskomponist schon können, ergänzt der Profimusiker, der selbst als Jugendlicher lieber improvisierte statt fertige Stücke anderer zu spielen. «Ein Instrument zu beherrschen ist dabei von Vorteil, aber nicht zwingend.» Aktuell betreut Müller sechs Nachwuchs-Komponisten - der jüngste ist 13. Als Studienvorbereitung unterrichtet er sie wahlweise an zwei Berliner Musikschulen oder bei sich in Zepernick.

Außerdem ist er Dozent an der Berliner Musikhochschule «Hanns Eisler». Sein Mitstreiter Zapf ist darüber hinaus Mitbegründer der «Randfestspiele», die im vergangenen Jahr in seiner Wahlheimat, dem Barnim, 30-jähriges Jubiläum feierten - als ältestes Festival für zeitgenössische Musik im Land Brandenburg.

Ort
Musikgenre