Mit seiner Gegenveranstaltung zum Eurovision Song Contest wollte Russland ganz wörtlich zurück auf die internationale Bühne. Selbst taucht es in den Platzierungen nicht auf, ließ sich aber feiern.
Gut vier Stunden hat sich Russland Zeit genommen für seine Gegenveranstaltung zum Eurovision Song Contest. Am Ende des Abends setzte die Jury des Musikwettbewerbs Intervision das Lied «Phu Dong, der himmlische König» von Duc Phuc aus Vietnam vor Kirgistan und Katar auf den ersten Platz.
Der Wettbewerb Intervision lebt von seiner Abgrenzung zum Eurovision Song Contest (ESC), aus dem Russland 2022 wegen seines Angriffskriegs gegen die Ukraine ausgeschlossen wurde. Immer wieder ging es im Vorfeld um die Frage, was Intervision von seinem Pendant unterscheidet.
Und selbst am Veranstaltungsabend wollten russische Moderatoren von Stars und Sternchen noch wissen, was denn bei Intervision anders sei als bei «anderen Wettbewerben». In Antworten ist stets die Rede von traditionellen Werten.
Für alle Länder gehe es um eine freie Entwicklung, um eine Bewahrung ihrer Identität, sagte Kremlchef Wladimir Putin in einer Videobotschaft zu Beginn der Show. «Gerade die Achtung vor traditionellen Werten, zur Vielfalt der Kulturen ist die grundlegende Idee des Wettbewerbs und inspiriert die Teilnehmer, künstlerische Höhen zu erreichen.»
Putin hatte die Veranstaltung, die es schon zu Sowjetzeiten gab, per Dekret wiederbelebt. Sie gilt als kulturpolitischer Gegenentwurf zum ESC.
Intervision 2026 soll aus Saudi-Arabien kommen
Anders als beim Eurovision Song Contest geht die Veranstaltung im nächsten Jahr nicht in das Siegerland. Noch vor Bekanntgabe des Gewinnerbeitrags kündigten die Moderatoren an: 2026 trage Saudi-Arabien den Wettbewerb aus.
Ein weiterer Unterschied war, dass es keine Publikumsabstimmung gab, sondern eine internationale Jury über die Platzierungen entschied. Außerdem fehlten die ESC-Verrücktheiten - was gewollt war.
Trotz Abgrenzung zum ESC erstaunlich ähnliche Show
Schon im Vorfeld sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow mit Blick auf den liberalen und queer-freundlichen ESC, es werde «keine Perversionen und Verhöhnungen der menschlichen Natur» geben.
Ansonsten fiel der Abend erstaunlich ähnlich aus: Einspieler, Sofas für Musiker und Musikerinnen während der Wartezeit, Schalten zwischen Bühne und Interviews, technisch aufwendige digitale Bühnenbilder.
Unter den Teilnehmerländern waren frühere Sowjetrepubliken wie Belarus, Kasachstan oder Usbekistan, aber auch mit Russland befreundete Länder in der Staatengruppe Brics wie China, Indien, Brasilien und Südafrika. Für das weltweite Publikum an den Fernsehschirmen wurde auf Russisch, Chinesisch und Englisch moderiert.
Doch kein US-Auftritt
Angekündigt war ein Wettbewerb von 23 Teilnehmerländern, platziert wurden am Ende 21 Beiträge. Unmittelbar vor dem Auftritt der aus Australien stammenden Sängerin Vassy (Vasiliki Karagiorgos), die für die USA angekündigt war, teilten die Moderatoren mit, dass sie doch nicht teilnehmen werde.
Die Veranstalter begründeten dies mit einem angeblich «beispiellosen politischen Druck der australischen Regierung». In der Jury waren die USA mit Rocksänger Joe Lynn Turner den Angaben nach dennoch weiterhin vertreten.
Russischer Teilnehmer bittet, nicht bewertet zu werden
Auch Russland selbst tauchte nicht in der Platzierung auf. Der ultranationalistische Sänger, Putin-Anhänger und Befürworter der Ukraine-Invasion, Jaroslaw Dronow alias Shaman, bat die Jury nach seinem Auftritt, den Beitrag nicht zu werten, da er ja das Gastgeberland vertrete.
Dennoch war Russland omnipräsent an dem Abend. Die Mutter des kasachischen Sängers Mansur Taschmatow zum Beispiel saß mit auf seinem Sofa, und er sagte: «Ich bin froh, dass sie den Roten Platz wiedergesehen hat.» Der Sänger Saif Al Ali für die Vereinigten Arabischen Emirate stimmte mit dem Publikum das russische Lied «Kalinka» an und bedankte sich auf Russisch.