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Pop im Konzertsaal - New Fall Festival in Düsseldorf und Stuttgart. Foto: Hufner
Die Clubs sind geschlossen: Elektronische Musik im Museum. Foto: Hufner
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Dylan, Springsteen und jetzt Bowie - Verkauf von Songrechten boomt

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London - Weil die Tonträgerverkäufe weltweit sinken und Konzerttourneen in Pandemie-Zeiten zur Herausforderung werden, setzen immer mehr Musiker auf eine andere Geldquelle: den Verkauf ihrer Songrechte. Bei Promis wie Springsteen oder Bowie geht es um Hunderte Millionen.

Kurz vor dem 75. Geburtstag von Pop-Ikone David Bowie machten sich dessen Erben ein großes Geschenk: Für umgerechnet rund 220 Millionen Euro - so berichtet das US-Branchenblatt «Variety» - verkauften sie die Rechte am musikalischen Gesamtwerk des 2016 gestorbenen Superstars. Sechs Jahrzehnte Bowie-Musik, mehr als 25 Studioalben mit Songklassikern wie «Space Oddity», «Changes», «Heroes» oder «Let's Dance» - sie gehören nun dem US-Musikverlag Warner Chappell Music.

Bowie ist der neueste Name in einer langen Liste von Künstlern, deren Songrechte inzwischen bei großen Konzernen und Plattenfirmen liegen. Bob Dylan («Blowin' In The Wind», «Like A Rolling Stone») überließ sein Werk mit rund 600 Aufnahmen dem Marktführer Universal. Bruce Springsteen («Born To Run», «The River», «Born In The U.S.A.») trat seinen gesamten Katalog an Sony ab. Auch die Red Hot Chili Peppers, Shakira, Tina Turner und viele kaum weniger namhafte Künstler trennten sich von ihren Songrechten.

Gründe für diesen Trend sind schwindende Einnahmen durch Tonträgerverkäufe, eine Folge des Musikstreamings, und neuerdings die Pandemie, die das lukrative Konzertgeschäft massiv beeinträchtigt hat. «Ich kann nicht arbeiten», schrieb Songwriter-Legende David Crosby vor einem Jahr bei Twitter und kündigte an, seine Rechte ebenfalls verkaufen zu wollen. «Streaming hat mein Plattengeld gestohlen... Ich habe eine Familie und eine Hypothek, darum muss ich mich kümmern, also ist es meine einzige Option.»

Sind die Songrechte einmal weg, wird es schwer, sie zurückzubekommen. Aber zumindest kurzfristig gesehen ist der Verkauf ein gutes Geschäft. Die Red Hot Chili Peppers («Californication») sollen vom britischen Unternehmen Hipgnosis umgerechnet rund 125 Millionen Euro kassiert haben. Nobelpreisträger Dylan (80) bekam für sein Werk laut Medienberichten rund 250 Millionen Euro. Bei Springsteen (72) sollen es sogar fast 450 Millionen Euro gewesen sein. Damit ist der «Boss» Schätzungen zufolge Rekordhalter - nicht schlecht für einen Musiker, der in seinen Liedern gern die Mühen der Arbeiterklasse besingt.

Hipgnosis gilt als einer der Vorreiter der Rechteverwaltung. Gegründet wurde die Investmentfirma von Merck Mercuriadis, einem Musikveteran, der schon Beyoncé, Iron Maiden und die Pet Shop Boys managte, und Nile Rodgers, dem Gitarristen der Disco-Funk-Band Chic («Le Freak», «Good Times») und Produzenten von Duran Duran, Bowie oder Madonna.

Schmusesänger Barry Manilow, Altrocker Neil Young und Popstar Shakira gehören zu ihrem Portfolio. Kritik der Fans an einem angeblichen Ausverkauf wirkt Hipgnosis entgegen und verspricht, die Musik nur zu den Bedingungen der Künstler zu vermarkten. Mit anderen Worten: Eine Verramschung in Werbespots soll es nicht geben - es sei denn, der Künstler selbst willigt ein. «Merck hat eine neue Art von Musikfirma erschaffen», schwärmte Manilow. «Ich freue mich, ein Teil der Familie zu sein.»

Für jüngere Musiker und Songwriter kann es also durchaus sinnvoll sein, diesen Schritt zu gehen, der sich schon bei einem einzigen Hit finanziell lohnen kann. Denn im Vergleich zu früheren CD- und Schallplattenverkäufen sind die Einnahmen durch Streaming äußerst gering. Das sei unfair, beklagen viele Musiker. Radiohead-Frontmann Thom Yorke zählte zu den schärfsten Kritikern und weigerte sich lange, seine Musik auf Spotify und Co. verfügbar zu machen. US-Superstar Taylor Swift zog vorübergehend ihren gesamten Katalog von allen Streamingplattformen zurück, weil sie das Zahlungsmodell in Frage stellte.

Noch wütender zeigte sich Swift allerdings beim Thema Songrechte. Die liegen für ihre ersten sechs Alben nämlich beim früheren Label Big Machine Records. Mit 15 hatte die US-Sängerin dort einen Vertrag unterschrieben und die Verlagsrechte schon im Voraus abgetreten. Die Rechte wurden inzwischen mehrfach verkauft - Swift gelang es jedoch nicht, sie selbst zu erwerben. Nun hat sie begonnen, diese sechs Alben für ihr Label Universal neu aufzunehmen, um so die Kontrolle über ihr Werk zurückzuerlangen. Eine Vertragsklausel macht's möglich.

Ärger um Songrechte ist in der Branche nichts Neues. In den 80er Jahren erwarb Michael Jackson die Rechte am Gesamtkatalog der Beatles für umgerechnet 40 Millionen Euro - sehr zum Ärger von Ex-Beatle Paul McCartney. Der hatte den Kauf allerdings zuvor abgelehnt, weil er ihm zu teuer erschien.

Die Freundschaft zwischen «Jacko» und «Macca», die zuvor die Duette «The Girl Is Mine» und «Say Say Say» aufgenommen hatten, zerbrach, auch weil Jackson dem Unternehmen Nike die Nutzung des Beatles-Songs «Revolution» für einen Schuh-Werbespot erlaubt hatte. Finanziell lohnte sich das Geschäft für den «King of Pop»: Zehn Jahre später verkaufte Michael Jackson die Beatles-Rechte für das Doppelte.

 

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