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Liedermacher Fredrik Vahle: Kinder sind hungrig nach kulturellen Impulsen

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Lollar - Der Kinderliedermacher Fredrik Vahle begleitet den Nachwuchs auch noch im Alter von 80 Jahren bei Konzerten oder mit neuen Stücken musikalisch beim Aufwachsen. Dass einige seiner Lieder noch nach Jahrzehnten gehört werden und mittlerweile Evergreens im Kinderzimmer sind, verwundere ihn vor allem auch, sagte Vahle der Deutschen Presse-Agentur.

Gitarre, sanfte Gesangsstimme und weißes Haar, zum kurzen Zopf gebunden. Kinderliedermacher Fredrik Vahle sitzt in seinem Haus in Hessen und singt ein Friedenslied vor, das Anfang der 1980er Jahre auf einem Album veröffentlicht wurde und nun wieder sehr aktuell ist. Zahlreiche Songs hat Vahle in den vergangenen Jahrzehnten geschrieben, zu großen und ernsten Themen, zu alltäglichen und witzigen. Am 24. Juni feiert er seinen 80. Geburtstag und wird nicht müde, Musik für Kinder zu machen.

«Es gab keinen Plan, Kinderliedermacher, Kinderliedersänger zu werden und das bis ans Ende meiner Tage durchzuziehen. Es hat sich auch so ergeben», erzählt Vahle der Deutschen Presse-Agentur. Die ersten eigenen Lieder spielte er zusammen mit Christiane Knauf für eine Gruppe Kinder mit Lernbeeinträchtigungen. Die erste Platte («Die Rübe») erschien 1973. Diverse Alben und zahlreiche Songs sind seither hinzugekommen - manche wurden zu Kinderzimmer-Klassikern wie «Der Hase Augustin» oder «Anne Kaffeekanne».

So kommt es, dass viele Zuhörer von einst heute zusammen mit dem eigenen Nachwuchs Vahle-Songs lauschen. «Ich bin vor allem auch verwundert, dass einige Lieder auch noch nach Jahrzehnten von Kindern gehört werden», sagt der Musiker. «Ich sehe ja auch, wie viele Lieder kommen und gehen. Und dann ist es ganz erstaunlich, dass einige Lieder doch bleiben und manchmal auch Lieder, bei denen ich am Anfang gedacht habe: Naja, also, ein richtiger Hit ist das nicht.»

Lebensfreude und Nachdenklichkeit - das sollen seine Lieder bei den Kindern fördern. Vahles frühe Songs klingen frech, sie haben politische oder gesellschaftskritische Töne. Ganz anders als Vieles, was der Nachwuchs bis dahin hörte. In den jüngeren Stücken geht es häufig um Fühlen, Zuhören, um Klang oder die Lust an Bewegung. «Ich muss ganz deutlich sagen: Das ist kein Entweder-Oder», sagt Vahle zu seinem gewandelten Repertoire. «Es ist vielleicht eine andere Schwerpunktsetzung.»

Seine jahrelange Gesangspartnerin Dietlind Grabe-Bolz - bis vor kurzem SPD-Oberbürgermeisterin von Gießen - sagte einmal in einem Zeitungsinterview über ihn: Dogmatisch sei er nicht. «Früher sang er über Integration, heute steckt das Interkulturelle in seiner Musik selbst.»

Geboren wurde der Musiker 1942 in Stendal im heutigen Bundesland Sachsen-Anhalt. 1956 siedelte die Familie aus der DDR in die Bundesrepublik über. Vahle studierte Germanistik und Politik, promovierte in Soziolinguistik und habilitierte über Kindersprache und Kinderlied. Die 68er-Zeit erlebte er als Student in Gießen. Er war Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund, gehörte aber «nicht zu denen, die sich als Vollblut-Revolutionäre verstanden». 1970 zog er in eine WG in ein Dorf, das heute zu Lollar gehört. Der Musiker, der selbst keine Kinder hat, lebt noch immer in dem Ort, zusammen mit seiner Lebensgefährtin. Er fühle sich mit den Menschen und der Region sehr verbunden: «Ich bin vielleicht inzwischen Halbhesse.»

Das Liederschreiben war und ist seine Hauptbeschäftigung. Daneben gibt Vahle, Träger des Bundesverdienstkreuzes am Bande, Lehrveranstaltungen an der Uni Gießen, Workshops auf Kongressen, er schreibt Lieder und Gedichte für Erwachsene und hat auch Kinderbücher veröffentlicht.

Noch immer spielt Vahle Konzerte. Mal im kleinen Rahmen auf seinem Balkon oder der Terrasse mit Blick über Wiesen und Hügel, mal vor größerem Publikum wie jüngst beim Jugendfestival Open Ohr in Mainz. Zum Repertoire habe auch das Lied «Der Friedensmaler» gehört. «Das war uns wichtig in der jetzigen Situation», sagt er mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Er nimmt seine Gitarre hervor und stimmt das Lied an. Derzeit sei er dabei, seine Lieder zu sichten, inwieweit sie in die jetzige Situation passen. «Es geht ja nicht nur darum zu sagen: Frieden ist etwas Wunderbares und ihr müsst alle friedlich sein. Sondern es geht darum, Konflikte darzustellen und dann zu zeigen: Wie können diese gelöst werden?»

Kurz nach seinem Geburtstag erscheint Anfang Juli Vahles neues Album. Es heißt «Lebenslieder», mit Songs «aus früheren und derzeitigen Einsichten, Reisen, Jahreszeiten und Gedankengängen». Ideen für neue Projekte hat er auch: Dem Liedermacher schwebt eine CD mit außergewöhnlichen religiösen Liedern vor und eine mit Kinderballaden. Privat hat er das Gestalten von Collagen für sich entdeckt.

Mit dem Alter hadert Vahle nicht: Die übliche Haltung dem Alter gegenüber sei oft sehr negativ, findet er. «Ich glaube, es ist falsch, wenn man das Alter einseitig mit Verfall oder Krankheit verbindet. Weil das Alter natürlich auch Dinge beinhaltet, die man nur dann entwickeln kann: eine bestimmte Erlebnisintensität oder eine Freude an kleinen Dingen. Im Alter kann man auch eine gewisse Zwecklosigkeit praktizieren. Das führt dazu, dass man das auch genießen kann.»

 

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