Als 2013 der „Spielstättenprogrammpreis“ des Bundes durch die „Initiative Musik“ erstmals vergeben wurde, waren sich die meisten einig, dass dies einen ersten Schritt einer lange überfälligen Förderung der Musikszene durch den Bund darstellte. Gleichwohl gab es in den ersten Jahren viel Kritik. Daran, dass sich Jurymitglieder selbst auszeichneten. Dass man sich nicht an die eigenen Richtlinien hielt. Dass immer wieder die gleichen, ohnehin bereits subventionierten Clubs bedacht wurden, obwohl die Bundesregierung doch eigentlich, so der damalige Kulturstaatsminister Bernd Neumann, „das Engagement von Clubbetreibern, die ohne oder mit nur wenig öffentlicher Förderung ein ambitioniertes Musikprogramm anbieten“, belohnen wollte. Dass viel zu viel Geld für die Verleihungsparty zweckentfremdet wurde. Dass das Austarieren zwischen Jazz- und Popclubs nicht funktionierte.
APPLAUS-Award: Laudatorin Angelika Niescier. Foto: © Bernhard Schinn
APPLAUS allein reicht nicht
Es hatte sich dann immerhin einiges getan. Angefangen vom sperrigen Namen, aus dem 2015 „Applaus“ wurde, über die Aufstockung der Fördermittel bis zur Zusammenarbeit mit der Bundeskonferenz Jazz und der LiveKomm für die Auswahl. Am 17. November fand jetzt die 12. Preisverleihung statt, zum zweiten Mal nach 2015 im Münchner Muffatwerk. Aus diesmal 477 Bewerbungen hatten die 18-köpfigen Jurys 88 Preisträger herausgepickt. Und ein Blick auf diese Liste – plus dem Bemerken, wer alles nicht darauf stand –, macht freilich schnell den nie abgestellten Geburtsfehler des „Applaus“ deutlich: Nach wie vor werden die vom Geschäftsmodell über die Programmstruktur bis zur Zielgruppenausrichtung völlig unterschiedlichen Club-Szenen von Jazz und Pop in einen Topf geworfen, wodurch sich immer jemand zu Recht benachteiligt fühlen wird.
Die Veranstaltung selbst war von einem Extrem ins andere gewandert. Litten die frühen Applaus-Ausgaben – gewissermaßen die Monika Grütters-Phase nach der lange amtierenden Kulturstaatsministerin – an der Fülle der auf die Bühne wandernden Preisträger, ließ man nun von den von Inserts abgelesenen 88 nur noch sechs auf die Bühne: die Hauptpreisträger der ursprünglichen drei Kategorien „Beste kleine Spielstätte“, „Beste Livemusikspielstätte“ und „Bestes Livemusikprogramm“. Und dazu die Gewinner des „Awareness“-Preises, eines Preises für „Inklusion“ und eines für „Nachhaltigkeit“. Jeweils mit Video-Einspielern und Begründungen der Sonderjurys vorgestellt.
Was man als Ergebnis einer Claudia-Roth-Phase interpretieren könnte, ist sicher auch richtig und wichtig. Aber weit überproportional präsentiert, was auch die Musikumrahmung mit drei interessanten und exzellenten Bands („Vandalisbin“ und „Enji“ aus München, „Grenzkontrolle“ aus Köln) nicht kompensieren konnte. Hätte nicht Angelika Niescier in ihrer Laudatio auf das Dortmunder Domicil ein aus eigener Erfahrung geschöpftes Profil des Programms vorgetragen, dann hätte man während der kompletten Veranstaltung von keinem einzigen Preisträger erfahren, für welche musikalischen Inhalte er überhaupt ausgezeichnet wurde. Soll heißen: Über Musik wurde auf diesem Fest für Musikveranstalter nicht gesprochen.
Womit wir bei der Politprominenz wären, die natürlich auch wieder vertreten war. Münchens Kulturreferent Marek Wiechers, Bayerns Kunstminister Markus Blume und der neue Kulturstaatsminister des Bundes Wolfram Weimer gaben sich die Ehre – und den Ton der Veranstaltung vor: Alle überschlugen sich vor Lob, Dank und Wertschätzung, nicht zuletzt natürlich auch für die eigene Arbeit. Blume verbeugte sich vor den Anwesenden dafür, dass „sie jeden Tag da draußen den Unterschied machen“. Weimer sprach gar von der Heiligkeit der Musik und der deutschen Musikszene als der reichsten der Welt. Man darf gespannt sein, wie er den „Applaus“ noch ins „Heilige“ ummodeln wird.
Wenn es nämlich so viel Geld gäbe wie warme Worte, dann hätte die Szene keine Probleme. Aber die diesmal ausgereichten 1,7 Millionen (es waren auch schon einmal 2,5 Millionen) für einen kleinen Teil des kulturellen und ökonomischen Komplex von über 2000 Clubs, Vereinen und Betrieben – das ist eine Summe, über die andere Wirtschafts- wie Kultur-Branchen nur müde lächeln können.
Der Befund bleibt also auch im zwölften Jahr derselbe, und er gilt ebenso für ähnliche Preise wie den ebenfalls von der Initiative Musik ausgerichteten Deutschen Jazzpreis: Es sind Alibi-Veranstaltungen, die das Fehlen von struktureller, nachhaltiger Förderung überdecken. Und die in keinster Weise das adressieren, was der Club- und Musikszene abseits des Mainstreams aktuell abhandenzukommen droht: das Publikum.
- Share by mail
Share on