Nach römischer Mythologie stand auf den Säulen des Atlas zwischen Gibraltar und Afrika die Warnung „Non plus ultra“, Nicht weiter! In der Antike war hier das Ende der Welt erreicht und Seefahrer drohten von der Erdscheibe in einen bodenlosen Abgrund zu stürzen.
Alles ultra?
Später verkehrte Kaiser Karl V. diese Grenzziehung zum Marschbefehl „plus ultra“, als er sein Weltreich zwischen Wien und Mexiko mithilfe plündernder Konquistadoren und Jesuiten auf immer weitere Teile Mittel- und Südamerikas ausdehnte. Wieder drei Jahrhunderte danach machte sich Ludwig van Beethoven die Globalisierungsparole zu eigen, indem er seine Musik von einer Sonate und Symphonie zur nächsten überbot und die Fortschrittsdynamik bis zur neuen Musik in Gang setzte.
Die Geburtsstadt des Komponisten widmet ihm seit 1845 das Beethovenfest Bonn. Einem seiner Briefe an Zelter folgend, stellt nun Intendant Steven Walter das diesjährige Festival unter das Motto „Alles ultra“. Denn wie 1825 erleben wir auch heute rapide Transformationen. Täglich werden Grenzen verschoben, Tabus und Rekorde gebrochen, neue Technologien erfunden, menschliche Fähigkeiten durch Maschinen, Raumfahrt, Computer, Internet und KI ins scheinbar Endlose erweitert. Hinzu kommen Fliehkräfte an allen gesellschaftlichen Rändern: ultra-konservativ, ultra-orthodox, ultra-modern, ultra-vegan. Doch Ultra-Nationalisten sind mitnichten über den Nationalismus hinaus, wie das Präfix eigentlich nahelegt, sondern treiben die Verblendung auf die Spitze.
Für Schönberg war der Mittelweg der einzige, der nicht nach Rom führt. Während in der Kunst ästhetische Alleingänge für Originalität, Prägnanz und Differenzerfahrung sorgen, sind im wirklichen Leben Kompromisse unerlässlich. Statt in Politik und Gesellschaft durch Radikalisierung weiter auseinanderzudriften, braucht es Vermittlung, die Zusammenhalt stiftet, und Mittelmaß, das den Laden täglich am Laufen hält.
Doch im globalen Aufmerksamkeitskapitalismus des Mehr, Höher, Schneller, Weiter von Internet und Medien bleibt alles Behutsame und Gewöhnliche unter dem Radar. Wer Polarisierungen entgegenwirken und dennoch viele Menschen erreichen möchte, sollte daher wenigstens ein Ultra-Normalo sein.
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