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Die Rückkehr des Robin Hood

Untertitel
Im Schatten des Vaters: der Musikproduzent George Korngold
Vorspann / Teaser

„Die Korngolds. Klischee, Kritik und Komposition“ hieß 2007 eine Ausstellung im Jüdischen Museum in Wien. Kuratiert wurde die herausragende Ausstellung von Michaela Feurstein-Prasser und Michael Haas, der in den 1990er-Jahren die Decca-Reihe „Entartete Musik“ betreute, bis diese von der Mutterfirma Universal eingestellt wurde. Im Zentrum der Ausstellung standen ein Vater und sein Sohn: der Musikkritiker Julius Korngold und das „Wunderkind“ Erich Wolfgang Korngold, der in den Dreißiger- und frühen Vierzigerjahren den „Sound“ des „Golden Age of Film Music“ entscheidend mitgeprägt hat. Nur ganz am Rande tauchte damals der Mann auf, der auf seine Weise dieses „Golden Age“ der sinfonischen Filmmusik mit der Gegenwart verbinden sollte: der Musikproduzent George Korngold. Er wird in diesem Text aus dem Schatten seines Vaters heraustreten.

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Georg, wie George eigentlich hieß, wurde 1928 in Wien geboren. Damals war sein Vater der meistgespielte deutschsprachige Komponist seiner Zeit und sein Opa Julius der gefürchtete Musikkritiker der „Neuen Freien Presse“. Julius Korngold bekämpfte in seinen Kritiken Arnold Schönberg und die Zwölftonmusik, unterstützte allerdings auch entscheidend die Karriere von Gustav Mahler. 1932 stellte Julius Korngold seine Arbeit für die „Neue Freie Presse“ ein.

Damals lagen die großen Opernerfolge seines Sohnes, „Die tote Stadt“ oder „Das Wunder der Heliane“ schon wieder ein paar Jahre zurück. In jenen Jahren arbeitete Erich Wolfgang Korngold vor allem als Operetten-Arrangeur. Für Max Reinhardt bearbeitete er „Die Fledermaus“ und „Die schöne Helene“. Zu seinem größten Erfolg war 1930 das Singspiel „Walzer aus Wien“ geworden. 1934 zog sich Erich Wolfgang Korngold aufgrund der politischen Verhätnisse aus dem öffentlichen Musikleben zurück. Im selben Jahr bekam Max Reinhardt von Warner Bro­thers den Auftrag Shakespeares „A Midsummer Night‘s Dream“ zu verfilmen. Mit im Boot: Erich Wolfgang Korngold, der Mendelssohn Bartholdys Musik für das Kino adap­tieren sollte. Zusammen mit seiner Frau Luzi traf Erich Wolfgang Korngold im Spätherbst 1934 in Hollywood ein. Bis kurz vor dem „Anschluss“ pendelte Korngold zwischen Wien und Hollywood hin und her. Ein Telegramm aus Hollywood schließlich führte dazu, dass Ende Januar 1938 Erich Wolfgang, Luzi und Georg Österreich endgültig verließen. Der Rest ist Hollywood-Geschichte.

Auftritt George Korngold. Nach dem Tod seines Vaters 1957 begann George Korngold sich als Musikcutter einen Namen zu machen. So war er zum Beispiel 1964 maßgeblich am Musikschnitt von Tiomkins „The Fall of the Roman Empire“ beteiligt. Ein Hollywood-Handwerker, wie viele andere der „unsung heroes“ der Traumfabrik. Wie sie wäre George längst vergessen, wenn er nicht in den frühen Siebzigerjahren eine Idee gehabt hätte, die den „Sound“ des Hollywoods der späten Siebziger entscheidend prägen sollte. Wie wäre es, endlich die klassischen Scores des „Golden Age“ neu einzuspielen? Fast alle dieser Soundtracks sind in ihrer Zeit nie auf Platte erschienen. Zur Erinnerung: als erste Neueinspielung einer Filmpartitur gilt Miklos Rozsas „The Jungle Book“ von 1942. Ein Schellack-Set, das als Hörspiel konzipiert war, mit Sabu als Erzähler. Erst 15 Jahre später waren die ersten Langspielplatten mit aktueller sinfonischer Filmmusik erschienen. LPs mit Einspielungen der „Klassiker“ waren rar. So erschien erst 1962 ein erster Sampler mit Korngold-Scores, dirigiert von Lionel Newman.

Schnitt ins Jahr 1972. George Korngold überzeugt RCA Records, eine neue Reihe zu beginnen: „Classic Film Scores“. Einspielen ließ der Produzent George Korngold die 14 Alben, die bis Mitte der 70er erschienen, in London mit dem National Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Charles Gerhardt. Von Anfang an entwickelten sich die Alben zu Bestsellern. 2020 hat Sony das komplette Paket noch einmal in einer Box veröffentlicht. Zum ersten Mal konnte man nun die klassischen Scores des „Golden Age“ abseits der Leinwand im Wohnzimmer „erleben“. Gewidmet waren die Alben den Meistern des Genres: Max Steiner, Alfred Newman, Dimitri Tiomkin, Bernard Herrmann, Franz Waxman, Miklos Rozsa und natürlich Erich Wolfgang Korngold. Drei große Hollywood-Ikonen bekamen ihre eigene LP: Bette Davis, Humphrey Bogart und Errol Flynn, der beste Robin Hood aller Zeiten.

Es waren diese mustergültigen Alben, die eine ganze neue Generation von Fans, Sammlern, Musikwissenschaftlern und Filmemachern „anfixte“. Am Ende der Studioära in den frühen Sechzigerjahren hatten die großen Studios ihre hauseigenen Filmorchester aufgelöst und ihre Verträge mit den „klassischen“ Komponisten gekündigt. Sinfonische Filmmusik war out, jeder Score sollte nun nach Mancini klingen. Es waren ausgerechnet die Jungspunde des New Hollywood, die den Sound des „Golden Age“ wieder auf die Leinwand zurückbringen sollten. Die George-Korngold-LPs inspirierten Steven Spielberg dazu, seinen Blockbuster „Jaws – Der weiße Hai“ von John Williams sinfonisch orchestrieren zu lassen.

Und genau diesen Mr. Williams holte sich dann sein Kumpel George Lucas für seine Weltraumoper „Star Wars“, die klingen sollte wie ein „Errol-Flynn-­Swashbuckler“, den Korngold vertont hat. Und John Williams erfüllte seinen Job so gut, dass Korngold – pardon „Star Wars“ – nicht nur zum Kinohit wurde, sondern auch zum Soundtrack-Bestseller. „Star Wars“ leitete das Revival der sinfonischen Filmmusik ein, das bis heute anhält. Der „Mittler“ George Korngold, der 1987 in Los Angeles starb, trug dazu vor einem halben Jahrhundert einen entscheidenden Anteil bei.

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