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Immer traf Rota seit „La Strada“ intuitiv den „Ton“ der filmischen Fellini-Welten.

Immer traf Rota seit „La Strada“ intuitiv den „Ton“ der filmischen Fellini-Welten.

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Nino, Ennio, Carlo und all die anderen

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Die Geschichte der italienischen Filmmusik
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Das italienische Kino ist seit der frühen Tonfilmzeit in den frühen dreißiger Jahren durch und durch musikalisch. Und so ist es vielleicht kein Wunder, dass viele von der zeitgenössischen Filmkritik damals stiefmütterlich behandelte Genres wie der Giallo und der Italo-Western erst durch die Soundtrackszene wieder entdeckt wurden. Genres, die grundiert sind von der melodramatischen Tradition des Landes. Dieser kleine Abriss soll einen chronologischen Überblick verschaffen über die Entwicklung dieses „musikalischen Kinos“.


 

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Schon in den ersten Tonfilmen wurde wie in Hollywood, Paris, Wien oder Berlin gesungen. Besonders charmant ist, wie der blutjunge Vittorio De Sica in Camerinis „Gli uomini, che mascalzoni“ (1932) in einem Lokal zu den Klängen eines elektrischen Klaviers seine Angebetete ansingt. Ein geliebter Schuft, der ein Jahrzehnt später als Regisseur den Neorealismus entscheidend mitprägen sollte, mit Klassikern wie „Fahrraddiebe“ oder „Schuhputzer“. Und später dann selbst auf der Leinwand angesungen werden wird von den großen Sexikonen des italienischen Kinos: Gina Lollobrigida und Sophia Loren. Die Loren war es dann auch, die in der Hollywood-Komödie „Es geschah in Neapel“ ihren ganz großen Gesangsauftritt hatte, mit dem „Americano“-Song, der in den Nullerjahren „modernisiert“ zum Hit wurde. Die „Mutter“ all dieser „Nummern“ ist freilich Silvana Manganos erotischer Tanz zu „El Negro Zumbon“ in dem Melodrama „Anna“, komponiert von Armando Trovajoli, der bis zu seinem Tod 2013 die Musik für über 200 Filme lieferte.

Trovajoli gehörte zu einer Garde von „genialen“ Handwerkern, die seit den fünfziger Jahren das italienische Kino mit sinfonischen, „exotischen“ oder jazzigen Scores orchestrierten: Mario Nascimbene, Angelo Francesco Lavagnino, Piero Umiliani (der Chet Baker ins Studio holte), Piero Piccioni oder Carlo Rustichelli. Eine Sonderstellung nimmt natürlich Nino Rota ein, der Hausmusikus des großen Zampanos Fellini. Rota & Fellini, das waren die „Unzertrennlichen“ des Italo-Kinos. Ein Kino-„Pärchen“ wie Hitchcock & Herrmann oder Truffaut & Delerue. Immer traf Rota seit „La Strada“ intuitiv den „Ton“ der filmischen Fellini-Welten. Wer an Fellini denkt, hört zuerst Zirkusklänge, Lehar-Walzer, „Stormy Weather“ und all die anderen Volkslieder und sehnsüchtigen Melodien, die Rota miteinander zum „Fellini-Sound“ verschmolzen hat. Ein „Sound“, der später auch viele Jazzmusiker zu Hommagen inspirieren sollte. „Amarcord“ hieß Anfang der 80er das erste Tribute-Album, das der geniale Produzent Hal Willner Rota & Fellini widmete. Mit dabei: Carla Bley, Michael Mantler, Bill Frisell, Steve Lacy oder Deborah Harry. Ein Projekt, das neues Interesse weckte an den Rota-Fellini-Soundtracks für „Otto e mezzo“ oder „La dolce vita“.

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Immer traf Rota seit „La Strada“ intuitiv den „Ton“ der filmischen Fellini-Welten.

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Es war der Gitarrist Bill Frisell, der dann auch beim zweiten großen Filmkomponisten-„Tribute“ der 80er mit dabei war: „The Big Gundown. John Zorn Plays The Music Of Ennio Morricone“. Ein Schlüsselwerk im Schaffen Zorns, das ihn zu seiner Serie mit „Great Jewish Composers“ inspirierte. Nicht nur Soundtracks zu Morricone-Leone Klassikern wie „Spiel mir das Lied vom Tod“ oder „Es war einmal in Amerika“ hatte er auf seine Weise „rekonstruiert“. Und dabei die Feinstruktur des hochkomplexen Morricone-Sounds freigelegt. Eine neue Generation führte er damit in das Morricone-Universum ein. Dass seine Versionen manchmal dem „Original“ des Meisters unterlegen sind, spielte da nur eine untergeordnete Rolle. Zorn lenkte das Ohr auch auf all die anderen Scores zu obskuren Filmen jenseits der Italo-Western, mit denen Morricone damals zu seinem Missvergnügen identifiziert wurde. Danach jedenfalls änderte sich das Bild, das sich die ersten Kritiker von ihm gemacht hatten. Man begann sich für die Zusammenarbeiten mit all seinen anderen Hausregisseuren zu interessieren, mit Dario Argento, Pier Paolo Pasolini oder Elio Petri. Es war dann auch ein anderer Stammregisseur, der am Ende ein wunderbares Filmporträt des „Maestro“ geliefert hat: der „Cinema Paradiso“-Regisseur Giuseppe Tornatore mit „Ennio“. Als Morricone 2020 starb, waren die „goldenen Jahre“ des Italo-Kinos längst vorbei. Uns bleiben die Soundtracks und Filme, die das europäische Kino des 20. Jahrhunderts – gerade mit den Genrefilmen, die von den Fans und den Filmwissenschaftlern wieder entdeckt wurden – entscheidend mitgeprägt haben.

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