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Portät von Udo Dahmen. Ein leicht lächelnder Mann mit dicker schwarzer Brille, Dreitagebart und hell-kariertem Sakko über einem T-Shirt.

Udo Dahmen.

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Das PopLänd zwischen Rheinauen und Schwäbischer Alb

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Udo Dahmen berät das Musikland Baden-Württemberg
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Udo Dahmen ist Autor und Schlagzeuger. Von 2003 bis 2023 war er künstlerischer Direktor, Geschäftsführer und Professor der Popakademie Baden-Württemberg. Die Entwicklung der Aus- und Weiterbildung im Pop-Bereich in Deutschland ist ohne ihn kaum vorstellbar. Mit 73 Jahren gab „Mr. Pop-akademie“ zwar die Verantwortung für die künstlerische Direktion an Derek von Krogh weiter, zog sich aber keineswegs ins Privatleben zurück. 2023 und 2024 war er als Berater für PopLänd Baden-Württemberg tätig. Eines der Ergebnisse: Zur Stärkung der Popularkultur in Baden-Württemberg sind im Doppelhaushalt 2025/2026 Mittel in Höhe von einer Million Euro vorgesehen. Wie und wofür diese eingesetzt werden, hat die Szene im Dialogprozess Popkultur mitbestimmt. Der Abschlussbericht mit den Empfehlungen wurde bereits im Dezember 2024 im Kabinett vorgestellt. Die nmz traf Udo Dahmen zum Gespräch über Pop und dessen Bedarfe in Baden-Württemberg.

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neue musikzeitung: Was ist ein Pop­Länd?

Udo Dahmen: „The Länd“ ist der neue Begriff für Baden-Württemberg, den sich das Land selbst gegeben hat, und „POPLÄND“ ist eine Erweiterung dieses Begriffs. Popländ umfasst im Wesentlichen vier Konferenzen, die seit Mai 2023 stattgefunden haben. Angeregt durch Staatssekretär Arne Braun wurde dabei ermittelt: Wo stehen wir aktuell? Was ist für die Zukunft notwendig? Und welche Ziele wollen wir verfolgen?

nmz: In den letzten 20 Jahren hat sich in Baden-Württemberg viel in der Popförderung getan. Welche Entwicklungen gab es, und welche sollen jetzt weiter vorangetrieben werden?

Dahmen: Einerseits gibt es die Popakademie in Mannheim, die 2003 unter anderem mit meiner Unterstützung gegründet wurde. Andererseits existieren inzwischen zehn Pop-Büros in Baden-Württemberg, die jeweils in regionalen Zusammenhängen als Förderstrukturen agieren. Besonders hervorzuheben ist das Pop-Büro Stutt­gart, das auch das Showcase-Festival About Pop in Stuttgart ausrichtet.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben sich viele Initiativen weiterentwickelt, darunter das RegioNet oder Projekte, die aus der Popakademie entstanden sind – etwa der Bandpool, das Future Music Camp oder die Zukunft Pop. Das sind verschiedene Konferenzformate, bei denen die Popakademie aktiv involviert ist.

nmz: Welche Rolle hast du für Pop­Länd übernommen?

Dahmen: Nach meinem Ausscheiden als künstlerischer Direktor der Pop­akademie bestand meine Aufgabe darin, das Land gemeinsam mit meinem ehemaligen Kollegen Hubert Wandjo zu beraten – sowohl in künstlerischen als auch in wirtschaftlichen Fragen. Unser Ziel war es, Ideen zu entwickeln und Strukturen aufzubauen.
Wie kann ein solcher Prozess bottom-up gestaltet werden, sodass die Ergebnisse praxisnah und zukunftsweisend sind? Wir haben dazu mehrere Konferenzen veranstaltet: Die erste fand 2023 parallel zum 20-jährigen Jubiläum der Popakademie in Mannheim statt, die weiteren in Freiburg, Reutlingen und schließlich die Abschlusskonferenz in Stuttgart. Gemeinsam mit den Akteuren wurden sieben Handlungsfelder definiert:

  • Pop machen fördern – Hier geht es um Transformationsprozesse im Sinne von Diversität, Nachhaltigkeit und Awareness.
  • Netzwerke stärken – Kulturförderung, insbesondere die Popularmusikförderung, findet vor allem auf kommunaler Ebene statt. Dafür braucht es tragfähige Netzwerke, etwa in Form der Pop-Büros, die Know-how weitergeben und Initiativen anstoßen. In den letzten 20 Jahren haben sich Modelle entwickelt, die aber noch weiter ausgebaut werden müssen.
  • Popkultur sichtbar machen – Ein Schwerpunkt liegt auf der Weiterentwicklung der Konferenz About Pop, die jährlich stattfindet und 2025 Mitte Mai wieder in Stuttgart veranstaltet wird. Neu ist der POPLÄND-Preis, der als Pendant zum Jazzpreis Baden-Württemberg konzipiert wird und entsprechend dotiert sein soll.
  • Fairplay – Gerechte Bezahlung in der Popkultur
  • Know-how erweitern
  • Pop überall – Vor allem im ländlichen Raum soll Popmusik gefördert werden.
  • Pop im Labor – Hier geht es um die Entwicklungen der letzten Jahre im digitalen Bereich, insbesondere um generative KI. Diese birgt sowohl Chancen als auch Risiken. Die Pop­akademie ist hier als zentraler Anknüpfungspunkt gedacht.

nmz: Wer waren die Teilnehmenden der vier Konferenzen?

Dahmen: Insgesamt nahmen rund 400 Akteurinnen und Akteure aus den verschiedensten Bereichen der Popkultur in Baden-Württemberg teil – darunter Künstlerinnen und Künstler, Veranstalterinnen und Veranstalter, soziokulturelle Zentren, Ausbildungseinrichtungen und Verbände.
Zusätzlich wurde eine Expertenkommission mit zwölf Personen eingesetzt, die in den jeweiligen Konferenzen als Ansprechpersonen und Moderatoren zur Verfügung standen.

nmz: Welche konkreten Ergebnisse gibt es?

Dahmen: Im Doppelhaushalt 2025/2026 sind jährlich eine Million Euro für die „POPLÄND“-Strategie des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst vorgesehen. Damit sollen folgende Empfehlungen aus dem Popdialog umgesetzt werden:

  • Förderprogramme für Künstlerinnen und Künstler, Veranstaltende und Projekte in den Bereichen Demokratieförderung, Nachhaltigkeit, Diversität und Awareness, mit besonderem Fokus auf ländliche Regionen.
  • Weiterentwicklung der (über-)regio­nalen Fördernetzwerke, insbesondere der Popbüros und des RegioNet-Programms der Popakademie Baden-Württemberg.
  • Sicherung der Festival-Konferenz About Pop in Stuttgart als Netzwerktreffpunkt und Leuchtturm für Baden-Württemberg und Süddeutschland.
    Einführung eines neuen Förderpreises für Pop als landesweit sichtbare Auszeichnung.
  • Unterstützung der Popakademie Baden-Württemberg bei ihrer Forschung zu „Künstliche Intelligenz und Pop“.

nmz: Was macht die Popförderung in Baden-Württemberg besonders?

Dahmen: Baden-Württemberg hat in der Popförderung einen eigenen, praxisorientierten Weg eingeschlagen. Das Land hat spezialisierte Akademien geschaffen: die Filmakademie, die Akademie für Darstellende Kunst in Ludwigsburg und die Pop­akademie in Mannheim. Diese zeichnen sich durch einen hohen künstlerischen Output sowie eine starke Branchen­orientierung aus.
Dieser pragmatische Ansatz hat sich bewährt – der Erfolg der Popakademie spricht für sich. Parallel dazu wurde von Anfang an versucht, eine Infrastruktur aufzubauen, insbesondere durch die Popbüros. Während sich diese in Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe und Freiburg gut etabliert haben, gibt es in anderen Regionen noch erheblichen Nachholbedarf.

nmz: Popbüros gibt es seit vielen Jahren. Sind sie eine Parallelstruktur zu den Einrichtungen des Landesmusikrats oder gibt es eine Verzahnung?

Dahmen: Es gibt da keinen Widerspruch. Wir arbeiten sehr gut zusammen. Als Vizepräsident des Deutschen Musikrats bin ich eng mit den Landesmusikräten vernetzt, unter anderem mit dem Landesmusikrat Baden-Württemberg. Mit dessen Präsident Hermann Wilske tausche ich mich regelmäßig aus. Vor allem wenn die Popbüros im ländlichen Raum gestärkt werden, sehe ich große Kooperationsmöglichkeiten. 

nmz: Pop wird oft mit Jugendkultur verbunden. Ist das noch zeitgemäß?

Dahmen: Wir leben in einer Zeit, in der Pop überall ist. Wir wissen alle, dass die Rolling Stones heute keine Jugendkultur mehr sind, sondern ein Mehrgenerationenprogramm darstellen, wo eben die ältesten Fans weit über 60 sind. Das gilt genauso für Hip-Hop oder elektronische Musik. Popmusik verbindet Menschen verschiedener Generationen und gesellschaftlicher Schichten und trägt damit auch zur Demokratieförderung bei.  

nmz: Was sind die nächsten Schritte fürs Popländ? Und was sind deine persönlichen Pläne?

Dahmen: Am 16. und 17. Mai 2025 veranstaltet das Pop–Büro Stuttgart die siebte About Pop im Wizemann Areal, der Stadt und Region Stuttgart. Das About Pop Festival & Convention gilt als größtes Club- und Showcasefestival mit integriertem Konferenzteil in Süddeutschland. Das Hybridfestival will Impulse für die baden-württembergische Musikbranche und verbindet regionale Veranstaltende mit Musiker*innen und Musikschaffenden aus ganz Deutschland und darüber hinaus. Danach wird das Stipendienprogramm umgesetzt.
Persönlich bin ich weiterhin beratend tätig, unter anderem auch  für das Musicboard Berlin. Außerdem bin ich seit 22 Jahren Vizepräsident des Deutschen Musikrats und mache den Pod­cast „Erklär mir Pop“ bei SWR Kultur. Es gibt einige spannende Ideen für die Zukunft – mal sehen, was sich daraus entwickelt.

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