Wuppertal - Mit Pina Bausch verliert das internationale Tanztheater eine seiner einflussreichsten und bedeutendsten Persönlichkeiten. Die Tänzerin und Choreographin starb am Dienstagfrüh fünf Tage nach einer Krebsdiagnose, wie eine Sprecherin des Wuppertaler Tanztheaters mitteilte. Noch am vorletzten Sonntag stand sie mit ihrer Company im Wuppertaler Opernhaus auf der Bühne. Bausch wurde 68 Jahre alt.
In ihrem langen Wirken hat Bausch das Tanztheater Wuppertal zur Weltgeltung geführt. Ob in Paris, London, Rom, Madrid, Budapest - überall gastiert das Tanztheater regelmäßig vor ausverkauften Häusern. Bausch wurde mit zahlreichen Preisen geehrt. Unter anderem erhielt sie vor zwei Jahren den Kyoto-Preis, eine der höchstdotierten Auszeichnungen für Verdienste um Wissenschaft und Kultur.
Die am 27. Juli 1940 als Tochter eines Gastwirts in Wuppertals Nachbarstadt Solingen geborene Pina Bausch entdeckte schon als Kind ihre Begeisterung für den Tanz. Mit 14 Jahren begann sie an der von Kurt Jooss, dem Neuerer im Ausdruckstanz, gegründeten Essener Folkwangschule ihre tänzerische Ausbildung. Ein Stipendium ermöglichte ihr im Anschluss den Besuch der Jouillard School of Music in New York. Daran schloss sich ein kurzes Engagement als Mitglied des New American Ballet an der Metropolitan Opera an, wo sie mit berühmten Choreographen in Kontakt kam.
Kurt Jooss holte sie nach Essen zurück. Als Mitglied des Folkwang Balletts schuf sie Ende der 60er Jahre auch erste eigene Choreographien. Wuppertals Schauspielintendant Arno Wüstenhöfer legte dann den Grundstein zu ihrer internationalen Karriere, indem er sie 1973 als Ballettdirektorin und Chefchoreographin an sein Theater holte und sie zur Chefin des neu gegründeten Tanztheaters Wuppertal machte.
Dort durfte Bausch experimentieren und ihr choreographisches Konzept entwickeln, das mit den traditionellen Formen des Tanzes bricht und sie zur wegweisenden Figur des modernen Tanztheaters gemacht hat. «Mich interessiert nicht so sehr, wie sich Menschen bewegen, als was sie bewegt», erklärte sie in einem ihres seltenen Interviews. Ihre Stücke sind oft Collagen, die traumartige Bilder, Elemente des Sprechtheaters und Improvisationen verbinden. Neben dem Tanz erhielten Gesang, Pantomime, Sprache und Alltagsgesten einen wichtigen Anteil am Bühnengeschehen.
Unkonventionell gerieten auch die Titel vieler Stücke wie etwa «Auf dem Gebirge hat man ein Geschrei gehört» oder «Er nimmt sie an der Hand und führt sie in das Schloss. Die anderen folgen». In der jüngsten Zeit hatten die Tanzabende bei der Premiere zunächst keinen Namen und wurden erst Monate später betitelt.
Am Anfang ihrer Wuppertaler Arbeit, die mit Stücken wie «Iphigenie auf Tauris», «Fritz» und «Adagio - Fünf Lieder von Gustav Mahler» begann, reagierten viele Theaterbesucher noch verstört und verließen häufig türenschlagend Oper- und Schauspielhaus. Doch Wüstenhöfer und Bausch hielten durch, und schließlich war das Eis gebrochen.
Der Erfolg von Pina Bausch ist kaum denkbar ohne ihre großartigen Tänzer, von denen einige, wie etwa Dominique Mercy, seit der ersten Stunde dabei sind. Bausch bekannte einmal, dass sie bei der Arbeit an jedem neuen Stück trotz der vielen Erfolge immer noch von Selbstzweifeln geplagt sei. Das Schwierige an ihrer Arbeit sei, dass nicht nur «die Tänzer mir vertrauen müssen, sondern ich muss mir auch selbst vertrauen».