Der Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper, Kent Nagano, verlässt München. Er werde seinen Vertrag nicht über das Jahr 2013 hinaus verlängern, teilte der US-Künstler am Dienstag in München mit. Als Gründe nannte Nagano in einem Schreiben die «kulturpolitischen Entwicklungen der letzten Monate in München». Er wolle mit seinem Entschluss «den Schaden, der durch eine Personaldiskussion entstehen und der zu hausinternen Spannungen und Verwerfungen führen kann, von der Staatsoper abwenden».
Konkret bezog sich der Dirigent auf die aktuelle Situation des Staatstheaters am Gärtnerplatz, dessen Intendant Ulrich Peters das Theater nach dem Willen von Bayerns Kunstminister Wolfgang Heubisch (FDP) schon nach einer Amtszeit wieder verlassen soll, sowie die Querelen um die Nichtverlängerung des Vertrags des Generalmusikdirektors der Münchner Philharmoniker, Christian Thielemann, der als Chefdirigent zur Sächsischen Staatskapelle nach Dresden wechselt.
Zuletzt war wiederholt über einen bevorstehenden Abschied Naganos aus München spekuliert worden. So hieß es, Kunstminister Heubisch sei bereits dazu entschlossen, Naganos bis 2013 laufenden Vertrag in München nicht zu verlängern. Nagano ist seit 2006 Generalmusikdirektor des renommierten Opernhauses und leitet auch das Orchestre symphonique de Montreal.
Hintergrund von Naganos Entscheidung ist offenbar ein Zerwürfnis mit dem Intendanten der Staatsoper, Nikolaus Bachler. Nagano war noch vom früheren Kunstminister Hans Zehetmair (CSU) zusammen mit dem früheren Intendanten der Dresdner Semperoper, Christoph Albrecht, an die Staatsoper geholt worden. Albrechts Vertrag wurde dann von Zehetmairs Nachfolger Thomas Goppel (CSU) wieder rückgängig gemacht. Goppel verpflichtete Bachler, damals noch Chef des Wiener Burgtheaters. Goppels Nachfolger Heubisch entschied sich nun offenbar
für Bachler und gegen Nagano. Auch Bachlers erster Vertrag läuft 2013 aus.
Klaus Bachler reagierte zunächst nicht auf die Entscheidung von Nagano. Ein Sprecher der Staatsoper sagte auf ddp-Anfrage lediglich, in der Mitteilung von Nagano stehe alles, was relevant sei.
Der Wortlaut von Kent Naganos Erklärung:
Angesichts der kulturpolitischen Entwicklungen der letzten Monate in München – am Staatstheater am Gärtnerplatz und bei den Münchner Philharmonikern – und deren Folgen sowohl für den Ruf dieser Institutionen als auch für den der Stadt, habe ich mich entschlossen, für eine Vertragsverlängerung als Generalmusikdirektor der Bayerischen Staatsoper nach dem Sommer 2013 nicht zur Verfügung zu stehen. Mit dieser Entscheidung möchte ich den Schaden, der durch eine Personaldiskussion entstehen und der zu hausinternen Spannungen und Verwerfungen führen kann, von der Staatsoper abwenden.
Beauftragt durch das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst habe ich mich als Generalmusikdirektor in den Dienst der Staatsoper, unseres Orchesters, unseres Chores und unseres Publikums gestellt. Ich habe für diese außergewöhnlichen Kollektive in den reichen und wunderbaren Spielzeiten der letzten Jahre eine hohe Achtung sowie eine tiefe und aufrichtige Zuneigung entwickelt.
Die kulturelle Prägung Münchens, seine Tradition und Atmosphäre sowie besonders meine Kolleginnen und Kollegen haben es mir erlaubt, als Künstler zu wachsen; sie haben mich stark beeinflusst und waren und sind die Quelle meiner künstlerischen Inspiration. Sie sind anspruchsvoll, sachkundig, flexibel und neugierig und unterstützen meine künstlerischen Visionen freundschaftlich und enthusiastisch. Dafür bin ich sehr dankbar.
Mit meiner Entscheidung, für eine Vertragsverlängerung über die Laufzeit des derzeitigen Vertrages hinaus nicht zur Verfügung zu stehen, möchte ich verhindern, dass meine Kolleginnen und Kollegen, die Öffentlichkeit und die Stadt München einer Atmosphäre kulturpolitischer Spekulationen und Spannungen ausgesetzt werden, die letztlich allen Beteiligten Schaden zufügen und der noblen, einmaligen Tradition der Bayerischen Staatsoper, dem Ruf Münchens und seiner Gesellschaft nicht gerecht werden.
With my heartfelt appreciation and dedication,
Kent Nagano
München, den 6. Juli 2010