Der letzte Vorhang für Wolfgang Wagner als Festspielleiter von Bayreuth fiel vor gut anderthalb Jahren. Am 28. August 2008 verabschiedete sich der greise Patriarch nach 57 Jahren als Chef der wohl renommiertesten Opernfestspiele der Welt. Eine Ära ging zu Ende in der 132-jährigen Geschichte der von seinem Großvater Richard Wagner (1813-1883) gegründeten Festspiele. Am Sonntag ist Wolfgang Wagner im Alter von 90 Jahren in Bayreuth gestorben.
Der Streit um seine Nachfolge hatte das Renommee des Patriarchen vom Grünen Hügel fast beschädigt, als er schließlich im April 2008 seinen Rücktritt zugunsten seiner Töchter Eva und Katharina ankündigte. Das dynastische Prinzip war gerettet. Seitdem hatte Wolfgang Wagner sich völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Wolfgang wurde als drittes Kind von Richard Wagners Sohn Siegfried und dessen aus England stammender Frau Winifred am 30. August 1919 in Bayreuth geboren. Nach seiner musikalischen Ausbildung begann er an der Preußischen Staatsoper Berlin seinen Dienst als Regieassistent und Hilfsinspizient. Das Debüt als Regisseur hatte er dort mit der Oper «Andreasnacht» seines Vaters Siegfried.
Siegfried, einziger Sohn Richard Wagners, und von seiner Mutter Cosima als «Meistersohn» abgöttisch verehrt, erlitt im Juli 1930 während der Generalprobe der «Götterdämmerung» einen Herzinfarkt und starb wenige Tage später. Winifred übernahm die Festspielleitung und freundete sich eng mit Adolf Hitler an. «Wir waren fast wie eine Ersatzfamilie für ihn», erinnerte sich Wolfgang in der «Süddeutschen Zeitung». Und so habe auch er Hitler gut kennengelernt. Der sei aber mehr an seinem Bruder Wieland interessiert gewesen. «Allerdings hat er mich auch einmal besucht: 1939, als ich mit einer Kriegsverletzung in der Berliner Charité lag», erinnerte sich Wolfgang Wagner. Mit ihrer Nähe zu den Nationalsozialisten war Winifred Wagner nach dem Krieg als Chefin nicht mehr tragbar und das ungleiche Brüderpaar Wieland und Wolfgang übernahm 1951 gemeinsam die Leitung.
Sie schienen sich perfekt zu ergänzen: Wieland als genialer Regisseur, Wolfgang als geschickter Organisator. Als Bayreuther Regisseur debütierte Wolfgang 1953 mit «Lohengrin». Beruflich verstanden sich die beiden gut, doch ihre Familien waren heillos zerstritten. Das ging sogar so weit, dass Wolfgangs und Wielands Kinder nicht miteinander spielen durften, wie berichtet wird. Im Oktober 1966 starb der ältere Bruder mit 49 Jahren und Wolfgang wurde alleiniger Festspielleiter.
Der neue Chef inszenierte zwar auch selbst weiter, setzte aber vor allem durch Dirigenten und Gastregisseure künstlerische Akzente. Er verpflichtete so bedeutende Dirigenten wie Daniel Barenboim, James Levine, Pierre Boulez und Christian Thielemann und holte provokante Regisseure wie Götz Friedrich, Heiner Müller, Christoph Schlingensief und Patrice Chereau auf den Grünen Hügel. «Mein Großvater hat nicht gewesene Werke, er hat lebendige Werke geschrieben», sagte er einmal.
Seit den 90er Jahren schwelte der Zwist um die Nachfolge für den auf Lebenszeit berufenen Festspielchef Wolfgang Wagner. Der favorisierte seine zweite Frau Gudrun und die gemeinsame Tochter Katharina als Erben Bayreuths. Seine Kinder aus erster Ehe - Eva und Gottfried - hatte er ebenso wie die Kinder seines Bruders Wieland aus der Festspielleitung gedrängt. 1999 leitete er selbst ein Verfahren zur Nachfolgeregelung in seinem Sinne ein. Damals bewarben sich neben Gudrun auch Wielands Tochter Nike und seine Tochter aus erster Ehe, Eva. Der Stiftungsrat der Festspiele wählte 2001 Eva Wagner-Pasquier als Nachfolgerin. Vater Wolfgang war damit nicht einverstanden und verweigerte seinen Rücktritt.
Der plötzliche Tod von Gudrun Wagner und Wolfgangs nicht mehr stabile Gesundheit machten 2007 eine Entscheidung in der Nachfolge zwingend. Der Tod Gudruns machte eine Wiederannäherung an die verstoßene Tochter Eva möglich. Tochter Katharina, inzwischen Ende 20 und als Regisseurin bereits mit einigen Erfolgen aufgefallen, ging schließlich mit ihrer mehr als 30 Jahre älteren Halbschwester Eva ins Rennen. Schließlich kündigte Wolfgang an, zu Gunsten seiner beiden Töchter zurückzutreten, was im August 2008 auch geschah.
Das endlose Nachfolgeverfahren brachte dem Bayreuther Gralshüter in der Öffentlichkeit viel Kritik ein. Doch selbst Bayreuth-Kritiker Christoph Schlingensief, der auf dem Grünen Hügel 2004 den «Parsifal» inszenieren durfte, gab sich nach dem Abgang milde gestimmt. «Ich werde Wolfgang Wagner als liebenswerten Patriarchen in Erinnerung behalten, erstaunlich besessen, erstaunlich tolerant», sagte er dem Berliner «Tagesspiegel». Er sei ein fürsorglicher und guter Hausvater gewesen.