München - Im Streit um die Verlängerung des Vertrags von Generalmusikdirektor Christian Thielemann hat die Stadt München Gesprächsbereitschaft signalisiert. Die Stadt sei «offen» für ein Gespräch, in dem Thielemann «die von ihm bislang nur in der Presse geäußerten Gedanken» noch einmal erläutern könne, teilte der Münchner Kulturreferent Hans-Georg Küppers mit.
«Das Vertragsangebot liegt vor und es scheint nicht ausgeschlossen, dass der Stadtrat bei einer Zustimmung von Herrn Thielemann im Interesse der Sache eine Vertragsverlängerung erneut diskutieren würde.»
Der Münchner Stadtrat hatte am 22. Juli fast einstimmig beschlossen, Thielemanns Vertrag als Chefdirigent der Münchner Philharmoniker nicht über die Saison 2010/2011 hinaus zu verlängern. Kernpunkt des Streits war, das letzte Entscheidungsrecht über die künstlerische Gestaltung von Programmen, die nicht von Thielemann selbst geleitet werden, auf Intendant Paul Müller zu übertragen. Diesen Wunsch des Orchesters wollte Thielemann nicht akzeptieren.
Küppers betonte, dass es bei den Auseinandersetzungen nur um einen einzigen Passus des Vertrages gehe. Darin heißt es laut Mitteilung: «Gastdirigenten, Programme und Solisten werden in Abstimmung mit dem Generalmusikdirektor vom Intendanten listenmäßig erfasst. Die erstellte Liste, die spätestens vierteljährlich auf den neuesten Stand gebracht wird, ist für die folgenden Jahre gültig. Gastdirigenten, Programme und Solisten werden in Abstimmung mit dem GMD vom Intendanten festgelegt, die Letztverantwortung liegt nach Anhörung des Orchestervorstandes beim Intendanten.»
Thielemann hatte in einem Interview noch auf einen «anderen Aspekt» hingewiesen, wonach der neue Vertragsentwurf der Stadt das Recht gebe, vom Jahr 2013 an den Orchesteretat zu beschneiden, wenn die Gewerbesteuer in München auf eine bestimmte Weise absinke. Einen solchen Punkt unterschreibe er auf gar keinen Fall.
Am Wochenende hatten 35 Komponisten, Interpreten und Intendanten eine Petition unterschrieben, in der sie Münchens Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) bitten, die Verhandlungen mit Thielemann über eine Verlängerung seines Vertrags wieder aufzunehmen. Zu den Unterzeichnern gehören neben Pierre Boulez auch der Dirigent Daniel Barenboim, der Pianist Alfred Brendel, die Sänger Dietrich Fischer-Dieskau und Placido Domingo sowie der Intendant der Salzburger Festspiele, Jürgen Flimm, und die Co-Chefin der Bayreuther Festspiele, Eva Wagner-Pasquier.
[update 17.9.] - Thielemann reagiert skeptisch auf Gesprächsangebot der Stadt München
Dresden - Mit Skepsis hat der Münchener Generalmusikdirektor Christian Thielemann auf die Nachricht einer neuerlichen Gesprächsbereitschaft des Münchner Stadtrats reagiert. «Ich bin überrascht, dass ich die Nachricht aus der Presse erfahren musste», sagte er der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (Donnerstagausgabe) laut einem Vorabbericht. «Wenn man bereit ist, mit mir zu verhandeln, warum ruft man mich dann nicht direkt an?»
Auch der Münchener Kulturreferent Hans-Georg Küppers klagt in der Zeitung darüber, dass «nur über die Presse kommuniziert werde». Er selber habe schon direkt nach der Stadtratsentscheidung im Juli den Kontakt gesucht. Dieser sei aber «leider nicht zustande gekommen».
Laut Küppers enthält das Vertragsangebot nach Auffassung der Stadt nur einen einzigen strittigen Passus. Er betreffe die Verantwortlichkeit für Dirigenten und Programme der nicht von Thielemann selbst dirigierten Konzerte. Küppers sagte, dass der Intendant nur «im Zweifelsfalle, der hoffentlich nicht oft auftreten wird», das Letztentscheidungsrecht habe. Der Akzent liegt nach seiner Ansicht auf einer einvernehmlichen Diskussion von Generalmusikdirektor, Intendant und Orchestervorstand.
Die Kritik Thielemanns an der Orchesterpolitik der Stadt reicht allerdings weiter. Er spricht von einer systematisch geplanten Entmachtung seiner Position. Diese habe sich etwa an der Berufung einer neuen Orchesterdirektorin manifestiert, die ohne seine Mitsprache ins Amt gekommen sei.
Auch gegenüber dem Angebot von Küppers, demzufolge spätestens im Oktober ein erneutes Gespräch mit Thielemann stattfinden könnte, äußert sich der Dirigent zurückhaltend: «Was soll das für ein Gespräch sein, wenn die strittigen Punkte weiterhin nicht verhandelbar sind?»