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Dorothea Figueroa

Dorothea Figueroa

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«Siebter Himmel»: Deutsche spielt Cello in New Yorker Met-Orchester

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Das Orchester der New Yorker Metropolitan Oper zählt zu den besten der Welt, und mittendrin sitzt seit mehr als 20 Jahren die in Dresden geborene Dorothea Figueroa. Mit Pavarotti ist die Cellistin schon aufgetreten - und nun fast täglich mit einem ganz besonderen Mann.

New York - Fast jeden Abend machen sich Dorothea Figueroa und ihr Ehemann Rafael schick und gehen gemeinsam in die New Yorker Metropolitan Oper. «Wir wohnen auch ganz in der Nähe, dann haben wir die fünf Minuten, können uns noch unterhalten und dann spielen wir miteinander», sagt Dorothea Figueroa. Sie ist stellvertretende Solocellistin in der renommierten Metropolitan Oper in Manhattan, deren Orchester zu den besten der Welt gezählt wird. Ehemann Rafael sitzt neben ihr, ebenfalls als Solocellist. «Wir spielen in Harmonie und wir reden überhaupt nicht. Das heißt, es ist ein Miteinander und es ist quasi so wie ein Date», sagt die 48-Jährige.

Schon als kleines Kind war die in Dresden geborene und in Leipzig aufgewachsene Dorothea Figueroa häufig in der Oper, denn ihre Eltern waren Sänger - die Mutter dramatischer Sopran, der Vater Bassbariton. «Schon als ich so zwei, drei, vier Jahre alt war, habe ich alle Opern miterlebt. Meine Eltern haben uns auch ins Publikum mitgenommen - das hat zum einen Teil Spaß gemacht, zum anderen war es auch ein bisschen langweilig.»

Trotzdem bleibt sie bei der Musik und entscheidet sich für das Cello - vor allem wegen des «warmen Klangs». Ihr Talent wird schnell deutlich: Mit einem Cello-Quartett gewinnt sie «Jugend musiziert» und kurz darauf einen Wettbewerb, der sie für ein Jahr kostenlos an die renommierte Juilliard-Musikhochschule in New York bringt. «Und nach dem Jahr habe ich mir gedacht, also das eine Jahr reicht mir nicht.» Figueroa beendet ihr Studium und hört in New York erstmals live das Orchester der Metropolitan Oper. Sie sei sofort fasziniert davon gewesen, wie die Musiker und Musikerinnen dort auch die subtilsten Andeutungen der Stücke ausdrücken hätten können. «Und die Akustik ist auch phänomenal.»

Ende 2001 wird eine Cello-Stelle im Orchester frei, die junge Frau spielt vor und bekommt sie. «Da war ich im siebten Himmel.» Kurz darauf verliebt sie sich in den Solo-Cellisten neben ihr - Rafael Figueroa aus Puerto Rico. «Und jetzt sind wir mittlerweile schon seit über zehn Jahren verheiratet und haben auch zwei Kinder.» Für die acht und neun Jahre alten Kinder kommt entweder ein Babysitter oder sie dürfen inzwischen sogar mit in die Oper. «Das heißt, die leben jetzt quasi so mit uns mit, wie ich damals mit meinen Eltern in der Musik gelebt habe.»

Das Programm des Orchesters ist intensiv, fast jede Woche kommt eine neue Oper dazu, um die 30 verschiedene Opern in einer etwa 33 Wochen dauernden Spielzeit. «Wir haben fast jeden Tag Vorstellungen, das heißt sieben Vorstellungen die Woche, am Samstag sind es zwei. Und von den sieben ist die Pflicht, mindestens vier davon zu spielen.» Dazu kommen durchschnittlich vier Proben pro Woche in der Oper und stundenlanges Üben zuhause. Außerdem gibt es Tourneen und weitere Auftritte. Tausende von Seiten mit Millionen von Noten hat Figueroa praktisch im Kopf.

Zu Beginn ihrer Karriere an der «Met» hat Figueroa sogar noch mit dem italienischen Star-Tenor Luciano Pavarotti gespielt, der 2007 starb. «Das waren schon gute Momente, an die man sich erinnert.» Eines der bewegendsten Erlebnisse sei aber gewesen, als die Oper 2021 nach der Corona-Pandemie wieder aufmachen konnte - nach anderthalb Jahren ohne Vorstellung, während denen die Musiker kein Gehalt bekamen und Figueroa sogar zeitweise im Central Park auftrat. «Das Publikum ist aufgestanden, hat geklatscht und nicht mehr aufgehört, bevor wir überhaupt gespielt haben. Und mir sind dann wirklich die Tränen gelaufen. Ich hatte zum Glück noch eine Maske dran, so dass man das gar nicht so sehr gesehen hat. Aber es war dann schon bewegend.»

Seit mehr als 20 Jahren spielt Figueroa nun schon in einem der besten Orchester der Welt - und wenn es nach ihr ginge, könnte es einfach so weitergehen. Irgendwann wolle sie dann aber doch auch einmal «die Rente genießen und vielleicht noch was ganz anderes machen. Wer weiß, was es ist.» Auch dann noch einmal nach Deutschland zurückzuziehen sei möglich, sagt die Cellistin. Der Bezug zu Heimat und Familie sei sowieso nach wie vor da - und auch eine deutsche Sprachfärbung. «Ich habe meinen Akzent überhaupt nicht verloren, weil mir auch viele Freunde gesagt haben: «Oh, dein Akzent, das ist ja so schön.»»

Neben den Figueroas gibt es in dem Orchester mit rund 120 Musikern und Musikerinnen aus aller Welt noch rund zehn weitere Paare. Die Stimmung in dem 1883 gegründeten Orchester sei trotz des anspruchsvollen Programms «familiär», sagt die Cellistin, die sich auch im Betriebsrat des Ensembles engagiert. «Wir verbringen sehr viel Zeit auch hinter der Bühne miteinander, wir reden, lernen uns kennen und wissen alles über unsere Familien.»

Wenn einer der Musiker etwas besonders gut mache, dann gebe es ein besonderes Zeichen der Anerkennung: «Dann kratzt man so mit seinem Fuß auf dem Teppich herum und das ist dann so: «Oh, das war super!» Das ist so ein ganz subtiles Zeichen unter Musikern», sagt Figueroa. «Zum Beispiel gestern hat in «La Boheme» die Piccoloflöte extrem lang ihren Ton gehalten, obwohl der Dirigent viel zu langsam war. Das war wirklich fast eine halbe Minute und da musste sie noch zwei andere Töne dranhängen und sie hat das super gekonnt. Danach haben wir alle begeistert mit unseren Füßen hin und her gescharrt.»

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