Neuer Bundesgeschäftsführer des Verbandes deutscher Musikschulen (VdM) wird zum 1. September 2025 Raphael Amend (40). Er übernimmt das Amt in der Leitung des Fach- und Trägerverbandes der rund 930 öffentlichen Musikschulen in Deutschland von Holger Denckmann, der zum 1. Juli 2025 als Dezernent für Schule, Sport, Kultur und Gebäudewirtschaft nach Oldenburg wechselt. Raphael Amend hat nach seinem Diplom in Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Tanz Köln als Lehrkraft für Violine und Elementare Musikpädagogik an der Bergischen Musikschule Wuppertal begonnen und wurde 2012 als Koordinator für Schulkooperationen fest angestellt. Dabei war er auch für den Ausbau des Landesprogramms „JeKits – Jedem Kind Instrumente, Tanzen, Singen“ verantwortlich. Seit 2017 ist Raphael Amend Leiter der Musikschule und widmet sich seit der Gründung einer Talentakademie intensiv dem Thema Nachwuchsförderung sowie dem Auf- und Ausbau interkultureller Programme. Für die Konzertreihe „Saitenspiel“ konzipierte und moderierte er kammermusikalische Schulkonzerte in der Historischen Stadthalle Wuppertal und ist hier auch als Konzertpädagoge für das Sinfonieorchester Wuppertal tätig. Im Landesverband der Musikschulen in NRW konnte Raphael Amend als stellvertretender Vorsitzender die Entwicklungen mit einem Schwerpunkt auf den Bereich Personalentwicklung und Talentförderung maßgeblich mitgestalten. Im Landesmusikrat NRW leitete er als Vorsitzender des Landesausschusses seit 2023 den Landeswettbewerb Jugend musiziert NRW. Ein Höhepunkt in seiner Wuppertaler Zeit war der Bundeswettbewerb Jugend musiziert im Juni 2025.

Raphael Amend. Foto: Andreas Fischer
Bekannte Aufgaben und neue Herausforderungen
neue musikzeitung: Sie sind schnell „in die Bresche“ gesprungen, als Holger Denckmann sich veränderte. War das eine schwierige Entscheidung für Sie?
Raphael Amend: Für mich ist das ein großer Schritt. Ich habe ich hier in Wuppertal in meiner Musikschule nicht nur sehr lange gearbeitet, sondern bin hier als Schüler groß geworden. Ich bin jedoch überzeugt, dass Veränderung jedem Menschen guttut. Für mich ist es daher jetzt ein guter Zeitpunkt, mich inhaltlich und geografisch zu verändern.
nmz: Von der Wupper an den Rhein: Sie bleiben in NRW, Sie wechseln nur den Fluss…
Amend: Ich wage jetzt tatsächlich erstmals in meinem Leben das Pendeln. Ich wohne in Remscheid-Lennep, also etwas näher an Bonn als von Wuppertal aus. Der Job als Bundesgeschäftsführer bringt aber ohnehin viel Reiserei mit sich.
nmz: Ende September vor einem Jahr ging Matthias Pannes in Ruhestand, nach 20-jährigem Engagement als Bundesgeschäftsführer. Ein Generationenwechsel, oder?
Amend: Natürlich ist das eine Art Generationenwechsel. Dennoch habe ich es auch schon als sehr junger Musikschulleiter nie als entscheidend empfunden, wie alt ich bin. Matthias Pannes hat in den 20 Jahren als Bundesgeschäftsführer viele Dinge bewegt und eingestielt, auf die es natürlich jetzt auch aufzubauen gilt. Das ist das eine. Und auch Holger Denckmann hat in seiner kurzen Amtszeit viele Dinge angestoßen und bewegt, vor allem in Richtung Digitalisierung, Kommunikationswege und Transparenz. Hier werde ich anknüpfen. Ich weiß gar nicht, ob es dann am Ende so ein harter Cut wird.
nmz: Was ist Ihre Agenda? Wo sind Ihre Herausforderungen?
Amend: Das Thema, das uns in den nächsten Jahren weiter beschäftigen wird, ist natürlich der Fachkräftemangel – eng verbunden mit dem Berufsbild Musikschullehrkraft. Das ist etwas, womit ich mich in den letzten Jahren sehr intensiv beschäftigt habe. Wie kann es uns gelingen, das Berufsbild Musikschullehrkraft attraktiver zu gestalten?
Seit dem Herrenberg-Urteil können wir in Zukunft viel stärker mit Festanstellungen argumentieren. Die Rahmenbedingungen sind jedoch viel weicher zu fassen: In welchem Kontext unterrichten wir? Wie vielfältig ist unser Berufsalltag? Wie ist das Image der Musikschullehrkraft in den Köpfen immer noch behaftet, was mit der Realität womöglich gar nicht so viel zu tun hat? Wie viel Aufklärung müssen wir eigentlich leisten, dass man als Musikschullehrkraft Künstler sein kann und soll und gleichzeitig Pädagoge ist, ohne dass das in irgendeinem Widerspruch steht? Das sind Dinge, die mir sehr am Herzen liegen, die weiterhin beackert werden müssen.
nmz: Im Musikbereich zählt der VdM mit 22 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen zu den großen Verbänden. Wo wollen Sie Ihre Schwerpunkte setzen?
Amend: Ich finde ich es spannend, dass ich jetzt von einem Laden mit 200 Mitarbeitenden in einen Betrieb komme mit gut 20 Mitarbeitenden. Das ist auf der einen Seite eine Verkleinerung. Der Kosmos, um den es dann in der Bundesgeschäftsstelle geht, ist jedoch um Längen größer: Es geht um über 900 Musikschulen. Was uns hoffentlich alle zusammen antreiben wird, ist das, was in der Dresdner Erklärung steht: Die Bedeutung der Musik und der musikalischen Bildung für die Demokratieförderung in der Stadt, in der Gesellschaft. Es ist das eine, das niederzuschreiben, aber das andere ist es natürlich, das dann vor Ort mit den Menschen auch umsetzen zu können.
nmz: Digitalisierung durchdringt die ganze Gesellschaft…
Amend: Ich bin sehr digital-affin, wenn auch sicher nicht der Experte für den Einsatz von KI in der Musikpädagogik. Da gibt es wunderbare Menschen, die sich damit schon intensiv befasst haben, die wir ja auch beim Dresdner Bundeskongress in Formaten eingeladen haben. Meine Stärke war immer das Vernetzen, Dinge miteinander zu verbinden, die auf den ersten Blick vielleicht nichts miteinander zu tun haben. Ich hoffe, dass ich das mitnehmen kann in den Bundesverband. Es ist natürlich völlige Utopie, dass ich jetzt als neuer Bundesgeschäftsführer in irgendeiner Form Dinge alleine bewegen könnte. Ein erstes wichtiges Anliegen ist es mir insofern mit Blick auf die 16 Landesverbände zu schauen, welche Aufgaben und Fragestellungen vor Ort vorherrschen? Diese Heterogenität anzuerkennen und gleichzeitig aber auch das Gemeinsame nach vorne zu bringen, um dann auch mit einer Sprache nach außen zu gehen, wenn es darum geht, für Musikschulen zu kämpfen.
nmz: Die aktuellen Themen des VdM sind ihnen durch Ihre Arbeit im Landesverband vertraut. Worauf legen Sie als neuer Bundesgeschäftsführer Ihren besonderen Schwerpunkt?
Amend: Wenn wir über die Bedeutung von kultureller Bildung für die Gesellschaft sprechen und die Bedeutung für die Demokratieförderung, dann besteht derzeit die große Gefahr, dass hier an der Einsparung von öffentlicher Förderung manches scheitert. Dies gilt es zu verhindern und da hilft es auch sehr, dass wir mit den vielen Verbänden, mit denen wir in Kontakt sind, so eng wie irgend möglich zusammenarbeiten, so unterschiedlich diese Verbände sind und so unterschiedlich auch manche Positionen sind. Das ist mir ein großes Anliegen, von dem ich hoffe, dass es gelingt: Sonst werden wir uns im Einzelkämpfertum verlieren.
Dass Digitalisierung in den nächsten Jahren weiterhin eine riesige Rolle spielen wird, ist völlig klar. Zudem werden wir uns sicher damit befassen müssen, worauf ich mich auch sehr freue, wie wir unsere Lehrkräfte, aber wie wir insbesondere auch die Führungskräfte weiter fortbilden. Denn das Berufsbild ist heute schon immens vielfältig und wird sich dennoch weiterentwickeln müssen. Insofern werden wir auch weiterhin Fortbildungsangebote an den Bedarf anpassen müssen. Und auch das Thema Quereinstieg und Qualitätsanspruch wird uns sicher auch beschäftigen, denn wir werden den Quereinstieg aus verschiedenen Richtungen brauchen.
nmz: Der VdM wird maßgeblich aus Mittel des Bundesministeriums für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziert. Sind Sie da, was die neue Regierung angeht, zufrieden? Ist man bereits im Gespräch? Und über was spricht man miteinander?
Amend: Ich hatte das Glück, dass ich beim Bundeswettbewerb hier in Wuppertal Ministerin Karin Prien kennenlernen durfte. Insofern konnte ich einen sehr guten Eindruck davon bekommen, was ihr wichtig ist. Sie war beim Bundeswettbewerb Jugend musiziert und hat sich dort für die Förderung von Talenten ausgesprochen. Gleichzeitig hat sie mir im Gespräch aber auch gesagt, dass ihr insbesondere Teilhabegerechtigkeit sehr am Herzen liegt.
Das sind genau die beiden Pole, die Musikschule ausmachen. Sowohl die Breitenförderungen, also möglichst vielen Menschen den Zugang zur Musik ermöglichen, als auch die Spitzenförderung, etwa auch in Vorbereitung auf ein Musikstudium. Deswegen habe ich unsere Musikschulen in ihrer Ansicht da sehr wiedergefunden.
nmz: Was wird ihr erster Termin sein?
Amend: Zunächst starte ich natürlich in der Geschäftsstelle in Bonn. Hier ist mir das gegenseitige Kennenlernen besonders wichtig. Und dann freue ich mich auf einen zeitnahen Austausch mit dem Vorstand des VdM, sowie mit den Vorsitzenden und Geschäftsführungen der 16 Landesverbände.
nmz: Der VdM sitzt in der Bundesstadt Bonn. Wie präsent will man in der Hauptstadt Berlin sein?
Amend: Der VdM soll künftig in Berlin präsenter sein: Es soll eine Dependance geben. Eine meiner ersten Aufgaben wird es sein, in Berlin sehr zügig ein kleines Büro zu eröffnen und in dem Zuge auch eine Stelle für Fortbildung und Digitalisierung neu zu besetzen, die auch in Berlin angesiedelt sein wird.
nmz: Gibt es denn noch den Raum für das eigene Musizieren in Ihrem Leben?
Amend: Seitdem die Corona-Krise und das Thema Herrenberg eingeschlagen sind, habe ich das Unterrichten aufhören müssen. Dennoch war ich immer sehr nah an der Praxis. Was ich vielleicht vermissen werde, ist, dass ich durch die Tätigkeit in einer Kommune sehr unmittelbar spüre, welche Wirkung Musik und musikalische Bildung entfalten können.
nmz: Die Geige ist noch mit im Gepäck oder steht sie nur im Büro in der Ecke?
Amend: Ich bin ehrlich, die Geige steht in der Ecke. Etwas, was ich aber gerne weitermachen würde, ist mein großes Faible, die Konzertpädagogik: Im Bereich der Kammermusik neue Konzertformate zu entwickeln, um diese Musik, die eine gewisse Moderation braucht, Kindern und Jugendlichen zugänglich zu machen.
nmz: Wenn wir über die Zukunft der Gesellschaft sprechen, dann müssen wir auch über die Zukunft der Musikschulen sprechen?
Amend: Der VdM ist ein Verband, der viel bewegen kann. Einmal deshalb, weil er so nah an der Praxis ist durch die über 900 Musikschulen, die er vertritt. Auf der anderen Seite sind wir auf der politischen Ebene gut vernetzt. In dieser Kombination können wir viel bewegen.
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