Künstlerisch, kreativ, kompetent? Analoges und digitales Musizieren zwischen Kunst und Pädagogik. Zu diesem Thema trafen sich vom 9. bis 11. November Fachleiter:innen und Fachberater:innen aus dem ganzen Bundesgebiet in der Hochschule für Musik Detmold, um sich im Rahmen dieses bewährten Tagungsformates über aktuelle Fragen des Musikunterrichts auszutauschen.
Tagung zu Computerspielen
Im Mittelpunkt der diesjährigen Jahrestagung stand das didaktische Potenzial von Computer- und Videospielen für den Musikunterricht, nicht um hier wieder einmal über den sinnvollen Umgang mit digitalen Medien zu streiten oder um den Musikunterricht mit zusätzlichen Inhalten und den damit verbundenen Aufgaben zu konfrontieren, sondern um sich gemeinsam darüber auszutauschen, wie sich hier neue Welten öffnen können, die den Musikunterricht insgesamt mit lebenswirklichen Perspektiven bereichern und das Lernen insgesamt verändern werden. Auch wenn die praktische Erprobung und reflektive Auseinandersetzung mit Computer- und Videospielmusiken im Mittelpunkt der Tagung stand, um selbst einmal in die neuen Erfahrungswelten von Kindern und Jugendlichen einzutauchen, ging es immer auch um grundsätzliche Fragestellungen, die unser Fach insgesamt betreffen: Wann sind Musizierprozesse künstlerisch, was zeichnet sie als solche aus? Wie lassen sich die neuen Erfahrungen, die wir zweifelsohne im neuen Genre und im Umgang mit digitalen Medien machen, auf unseren bisherigen Alltag und das analoge Musizieren spiegeln, das hier womöglich immer mitschwingt? Welche Dimensionen lassen sich hier auf bereits eingewohnte musikalische Praxen übertragen?
Malte Sachsse stellte in seiner eröffnenden Keynote zunächst die Bedeutung von Videospielen in jugendkulturellen Lebenswelten und die damit verbundenen vielfältigen und durchaus kreativen musikalischen Praxen dar. In diesem Zusammenhang warf er einen Blick auf die musikalisch-ästhetische Gestaltung ausgewählter Videospiele, auf deren Wechselwirkungen mit zeitgenössischer künstlerischer Produktion und den informellen jugendkulturellen Erfahrungswelten. Vor diesem Hintergrund machte er deutlich, dass eine gestaltende Nutzung des informellen Lernens Jugendlicher im Unterricht und eine reflektierende Auseinandersetzung mit den ästhetischen Wirkungsweisen einen wichtigen Beitrag zu einem künstlerisch inspirierenden Musikunterricht leisten können.
Die Response von Jürgen Oberschmidt versuchte diesen Blick zu weiten: Wenn wir darüber nachdenken, wie „symphonische Welten“ der Game-Kultur auf einen simplifizierenden und gleichförmigen „Tetris-Musikunterricht“ treffen, sind damit die üblichen normativen Zuschreibungen aus den Angeln gehoben. Ausgehend von einem künstlerischen Phänomen, dem zunehmend Anerkennung zugesprochen wird, gilt es, Anschlüsse zu Ästhetiken anderer Medien und Künste herzustellen. Musikunterricht macht sich unglaubwürdig, wenn wir die oft hochkomplexen und emotional aufgeladenen Erfahrungswelten unserer Kinder und Jugendlichen nicht aufnehmen, weil es im Unterricht dann um eine musikpraktisch umzusetzende und analytisch abzumessende Ziegelsteinmusik geht, die simplifiziert, statt sich dem Elementaren zuzuwenden. Wie sich künstlerische Situationen ergeben und diese auch im Unterricht gestaltet werden können, wenn sich Musik an der Schnittstelle zwischen analogem Musizieren und digitaler Musiktechnologie ereignet, wurde dann während des abendlichen Gesprächskonzerts „Prohibited Tapes“, gestaltet von Martin Wiese (Komposition), Árpád Kovács (Flöte) und Gabriele Petrucci (Vibraphon), deutlich.
Im Mittelpunkt des zweiten Tagungstages standen dann drei Workshops, verantwortet von Martin Wiese (Detmold), Michael Knarr (Lübeck) und Johannes Voit (Bielefeld). Hier ging es um virtuelle Orchestration durch die Vienna Symphonic Library und ihre Zugänge zu komplexen Orchester-Arrangements, wie sie inzwischen hochprofessionell produziert werden, um kooperatives Improvisieren am iPad mit der Technologie „Ableton Link“ und um die praktische Gestaltung von Gamemusik in einer App und ihre Umsetzung in Bewegung.
Ein konventionelles Herangehen an das Arrangieren mit Papier und Bleistift muss nicht durch eine vorfindliche Orchesterlibrary ausgehebelt werden, digitales Musizieren nicht das analoge ersetzen, neue medien- und spielpädagogische Methoden können den Musikunterricht nur bereichern. Dass solche offenen Zugänge, die im Mittelpunkt dieser Tagung standen, einen gemeinsamen Gedanken- und Erfahrungsaustausch bereichern konnten, scheint im Rahmen einer solchen intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik fast zwangsläufig gegeben. Nun liegt es an allen Teilnehmenden, die Anstöße und Impulse in ihrer Seminarausbildung und in der Beratung von Fachkolleg:innen geltend zu machen.
Ein großer Dank gilt allen, die diese Tagung mit vorbereitet haben, den Referent:innen und Teilnehmer:innen. Ganz besonders gilt solch ein Dank Malte Sachsse, nicht nur für die eingebrachte fachliche Expertise, für seine organisatorische Unterstützung und Vorbereitung der gesamten Arbeitstagung, sondern auch dafür, dass er dafür sorgen konnte, dass die Hochschule für Musik Detmold unsere Arbeit auch finanziell unterstützt hat.
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