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Ein Mann von großer Bedeutung für das bundesdeutsche Musikleben, flankiert von Familie, Freunden und Weggefährten: Eckart Rohlfs (Mitte). Foto: Juan Martin Koch/nmz
Ein Mann von großer Bedeutung für das bundesdeutsche Musikleben, flankiert von Familie, Freunden und Weggefährten: Eckart Rohlfs (Mitte). Foto: Juan Martin Koch/nmz
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Unsterblichkeit ist möglich

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Ein Konzert zu Ehren von Eckart Rohlfs in München
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Was gut ist, verdient stetige Erwähnung – das gilt so recht für den 90. Geburtstag von „Mr. Jugend musiziert“: Dr. Eckart Rohlfs hatte im Dezember sein 90. Lebensjahr vollendet. Die Feier­lichkeiten für eine Persönlichkeit, die wie keine zweite das bundesdeutsche Musikleben gestaltet hatte, fanden ihren öffentlichen Höhepunkt in einem Konzert am 14. Februar im Gasteig in München.

Die Idee zu diesem Konzert mit dem Titel „Dr. Eckart Rohlfs zum 90.“ hatte der Deutsche Tonkünstlerverband München unter seinem Vorsitzenden Edmund Wächter erdacht. Und um auch den Untertitel „Konzert mit Preisträgerinnen und Preisträgern aus der Geschichte des Wettbewerbs ‚Jugend musiziert‘ zu verwirklichen, wurden Interpret*innen und Redner*innen eingeladen, die als Zeitzeugen die Bedeutung des Jubilars für das bundesdeutsche, ja europäische Musikleben angemessen zu würdigen in der Lage waren.

Vor dem ersten Ton im Kleinen Konzertsaal des Münchner Gasteig erreichte die Spannung jedoch bereits ihren ersten Höhepunkt in Erwartung der Ehrengäste dieses Abends. Dem Rohlfs’schen Universum entstiegen sie: Repräsentant*innen der Jeunesses Musicales Deutschland, der European Union of Music Competitions for Youth, der Regional-, Landes- und Bundesebene „Jugend musiziert“, der Neuen Musikzeitung, des Deutschen Tonkünstlerverbandes, ausnahmslos gewichtige Kulturinstitutionen, deren geistiger Vater Eckart Rohlfs gewesen war. Dazu Familienmitglieder, Freunde, Weggefährten aus der Schweiz und Luxemburg.

Rund 100 Personen waren geladen und nahmen erwartungsfroh im Konzertsaal Platz. Den musikalischen Anfang machten ehemalige „Jugend musiziert“-Bundespreisträger aus den 80er- und 90er-Jahren: Ein spontan gegründetes Streichquartett mit Bernhard Metz (Violine, Preisträger im 28. Bundeswettbewerb 1991 in Kiel), Clément Courtin (Violine), Konstantin Sellheim (Viola, zweifacher Bundespreisträger 1989 und 1999) und Manuel von der Nahmer (Violoncello, Preisträger 1988 beim 25. Bundeswettbewerb in Erlangen/Nürnberg). Da im Großen Saal des Gasteig eine Stunde nach Beginn des Jubiläumskonzerts ein Konzert der Münchner Philharmoniker angesetzt war und die vier Musiker dem Klangkörper angehörten, verließen die vier nach ihrem Geburtstagsgruß – dem 1. Satz des Streichquartetts in Es-Dur von Fanny Hensel – zügig die Bühne, um im Nebensaal rechtzeitig ihre Plätze im Sinfonieorchester einnehmen zu können.

Edmund Wächter begrüßte die Gäste im Saal, namentlich die Vertreterin des Kulturreferats der Landeshauptstadt München, Bettina von Bechtoltsheim, und richtete seine Rede dann an den Jubilar, der dem DTKV München seit vielen Jahren als Ehrenmitglied angehört. Zum ersten Mal fiel der Begriff „visionär“, der sich ab dann durch alle weiteren Reden des Abends zog.

„Was in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Musikschulen und allgemein bildenden Schulen an Konzepten für den Musikunterricht entwickelt wurde, geht auf die Ideen und Impulse von Dr. Eckart Rohlfs zurück“, so Wächter in seiner Rede. Aufgabe künftiger Generationen sei es, die gewachsenen Strukturen in den Ausbildungsinstitutionen weiterhin mit Leben zu erfüllen.

Den ersten schlagenden Beweis für die Vitalität von Ausbildungskonzepten trat das Vokal-Septett „Chiave“ aus Freising an, das im Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ 2017 mit einem eigens für den Wettbewerb komponierten humorvollen Stück einen 1. Bundespreis erzielt hatte und nun das Publikum im Saal auf hohem Niveau amüsierte.

Der ziemlich hartnäckige Visionär

Barbara Haack, die an diesem Abend die Redaktion der neuen musikzeitung repräsentierte, aber auch die Jeunesses Musicales Deutschland, würdigte Rohlfs’ Engagement; von der Gründung der deutschen Sektion bis 1971 war Rohlfs Generalsekretär der JMD: „In diese Zeit fielen unter anderem die Gründung eines der Herzstücke des Verbands, die Arbeitsgemeinschaft Jugendorchester und die Verwandlung einer Stätte für Sommerkurse in eine ganzjährige Akademie.“ Sie hob außerdem seinen Einsatz in Sachen Völkerverständigung hervor: „Du warst dabei, als sich nach dem Krieg einige junge Männer zusammenfanden, um das Beispiel der internationalen Jeunesses Musicales in Deutschland umzusetzen. Im Glauben daran, dass nach schlimmsten Kriegsverbrechen Versöhnung möglich ist: durch die Begegnung junger Menschen aus gerade noch verfeindeten Nationen – und durch die Musik.“

Dem hätte der aktuelle Generalsekretär der European Union of Music Competition for Youth (EMCY), Paul Scholer aus Luxemburg unbedingt zugestimmt. Als Gast saß er im Publikum und verwirklicht in diesem Amt seit mehreren Jahren die Rohlfs’sche Idee, Vergleichskriterien für nationale und internationale Jugendmusikwettbewerbe fortzuentwickeln und sie unter einem Dach zusammenzuschließen. „Aufbruch, Vision, die Überzeugung, dass Verständigung möglich ist – und der Glaube an die Kraft der Musik: All dies hat Dich Dein Leben lang begleitet. Der – ziemlich hartnäckige – Visionär hat seine ganze Kraft darein gesetzt, aus den Visionen und Träumen reale Projekte zu machen. Projekte, die heute noch blühen und gedeihen. Dafür gilt Dir der Dank vieler, vieler junger – heute auch älterer – Menschen, die sich in der Musik, im gemeinsamen Musizieren, in der Begegnung mit anderen weiterentwickeln konnten. Solche hartnäckigen Visionäre wie Dich brauchen wir heute genauso dringend wie vor 70 Jahren. Dein Engagement, Deine Überzeugung, Deine ‚Nimmermüdigkeit‘ können denen als Vorbild dienen. Du hast dazu beigetragen, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Für all das sagen wir: Danke!“, so die Schlussworte von Barbara Haack, die mit warmem und lang anhaltendem Applaus bedacht wurden.

Die Mutter aller Wettbewerbe

Es folgten zwei weitere Musikbeiträge, virtuos musiziert vom 13-jährigen Fabian Egger (Querflöte) und seinem Klavierpartner Johann Zhao und dem Singer/Songwriter Levent Geiger am Klavier. Prof. Reinhart von Gutzeit, ehemaliger Rektor des Mozarteums in Salzburg und langjähriger Beiratsvorsitzender von „Jugend musiziert“ lieferte anschließend in seiner Rede die Begründung für den Titel „Mr. Jugend musiziert“. Eckart Rohlfs habe auf vielen Hochzeiten getanzt, aber sein Standbein war 30 Jahre lang „Jugend musiziert“ und dieses Projekt „stelle sicherlich den dicksten Band in seinem Lebenswerk dar“. Was „Jugend musiziert“ in der deutschen Musikszene so einzigartig, ja, zur „Mutter aller Wettbewerbe“ mache, sei die Tatsache, dass unter seinem Dach Breite und Spitze vereint seien, dass der Wettbewerb nicht nur künstlerisch, sondern auch durch und durch pädagogisch konzipiert sei. Eckart Rohlfs habe unermüdlich an dem Faden gesponnen, um den pädagogischen Anspruch im Wettbewerb zu verankern. So seien Ideen entstanden wie die Teilnehmerberatung, die Literaturvorschlagslisten, das Rahmen- und Begegnungsprogramm beim Bundeswettbewerb, die turnusmäßig durchgeführten Zentralkonferenzen, und Anschlussmaßnahmen wie das Bundesjugendorchester oder der Deutsche Kammermusikkurs. Und dadurch, dass er, Rohlfs, auf allen Ebenen zur Diskussion um diese Anregungen aufforderte, wurde „Jugend musiziert“ für alle zur Herzensangelegenheit.

Der Bekanntheitsgrad des Wettbewerbs ist beneidenswert hoch, „es gibt niemanden, der sich für Kultur interessiert und ‚Jugend musiziert‘ nicht kennt“, so von Gutzeit. Ein Netzwerk trägt den Wettbewerb und identifiziert sich mit seinen Inhalten, auch damit sei ein Ideal von Rohlfs verwirklicht, der beim Knüpfen der Verbindungen so lautlos und diskret wie der Mitarbeiter eines Geheimdienstes vorgegangen sei. „Zu Zeiten, als noch keiner den Beriff Corporate Identity buchstabieren konnte, war das bei ‚Jugend musiziert‘ bereits verwirklicht: Ein Erscheinungsbild, das sich vom Bundeswettbewerb bis zu den Regionalwettbewerben erstreckt. Infomappen, die allen Beteilig­ten erläutern, was wann wie und wo getan werden muss.“ Eine Bilanz, die von Gutzeit bereits zum 70. Geburtstag von Eckart Rohlfs in der nmz gezogen hatte (nmz 12/99), die Aussagen behielten jedoch bis zu diesem Abend ihre Gültigkeit. Dieses bereitwillige Teilen von Ideen, die vollkommene Abwesenheit von eifersüchtigem Bewachen eigener Einfälle führte dann auch dazu, dass „Jugend musiziert“ in Euro­pa reihenweise kopiert wurde – von Rohlfs dabei nach Kräften unterstützt. Die EMCY mit ihren rund 50 Mitgliedswettbewerben, deren Parameter an der „Mutter aller Wettbewerbe“ ausgerichtet sind, ist der zur vitalen Institution gewordene Beweis. Den Jubilar ermunterte von Gutzeit am Ende seiner Rede, selbst ein paar Worte an seine Gäs­te zu richten. Zunächst jedoch betrat Andreas Hofmeir die Bühne. Der weltweit gefeierte Tubist, ehemaliges Mitglied der bayerischen Blasmusik-Gruppe La­BrassBanda und inzwischen auch Professor für Tuba am Mozarteum, hatte 1997 seine ersten musikalischen Erfolge bei „Jugend musiziert“ gefeiert. Die Anerkennung auf dem bis dahin verkannten Instrument Tuba ermutig­te ihn, den Weg des Berufsmusikers einzuschlagen.

Vom Wert einer Leberkässemmel

Hofmeir fasste sein durch und durch erfolgreiches Leben auf den großen Showbühnen dieser Welt mit den Worten zusammen: „Von meinem Beruf kann ich gut leben und mir jederzeit eine Leberkässemmel kaufen, und das habe ich Ihnen zu verdanken, Herr Rohlfs.“ Sprach’s und riss das Publikum hin zu Tränen der Rührung ebenso wie zu begeistertem Applaus.

Anschließend betrat Rohlfs verabredungsgemäß die Bühne, dankte für das Zustandekommen dieses einmaligen Abends und fügte, frei von jeder Sentimentalität, hinzu, dass „Jugend musiziert“ für ihn menschlich, pädagogisch und fachlich die größte Bereicherung seines Lebens gewesen sei. Als dann dem brillanten Kopf partout nicht einfallen wollte, welcher Künstler als nächstes die Bühne betreten würde, blitzte einmal mehr der Rohlfs’sche Schalk aus seinen Augen: „Na, Sie werden es ja gleich selbst sehen.“

Ingolf Turban, Professor an der Hochschule für Musik und Theater München, Preisträger im 17. Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ 1980 und Vater von zwei inzwischen ebenfalls bei „Jugend musiziert“ höchst erfolgreichen geigenden Söhnen, kam die Ehre zu, den Konzertabend zu vollenden. Bevor er mit seiner Klavierpartnerin Tomoko Sawallisch das Rondo brillant h-Moll, op. 70 von Franz Schubert konzertierte, ließ er seine eigene „Jugend musiziert“-Vita noch einmal kurz Revue passieren. „Für mich gehörte ‚Jugend musiziert‘ zum Jahresablauf wie Weihnachten. Der Wettbewerb war eine feste Größe in meinem Leben. Die Freunde von damals sind bis heute meine Freunde, und ich danke Eckart Rohlfs zutiefst dafür, für diese Begegnungen gesorgt zu haben.“ Im Anschluss an die Veranstaltung lud das Kulturreferat der Landeshauptstadt München zu einem Empfang, den die Gäste mit der leisen Erkenntnis begingen: Unsterblichkeit ist doch möglich. 

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