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Musik ist uns was wert

Untertitel
Geplante GEMA-Reform benachteiligt die E-Musik
Vorspann / Teaser

„Musik ist uns was wert“. Dieser Slogan prangt auf der Einladung zur diesjährigen GEMA-Mitgliederversammlung, bei der eine Reform des Verteilungsschlüssels und des Wertungsverfahrens auf der Tagesordnung steht. Früher lautete das GEMA-Motto hingegen einmal „Musik hat ihren Wert“. 

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Spitzfindig? Mitnichten! Der aktuelle Slogan impliziert Beliebigkeit: Irgendetwas wird uns die Musik schon wert sein. Das alte Motto hingegen steht für den Eigenwert eines Musikstücks. Wie er sich im bisherigen Tantiemen-Abrechnungssystem auch widerspiegelt. Und der für die Komponistinnen und Komponisten von E-Musik geradezu existenziell ist. Zumal die GEMA-Tantiemen eine der wesentlichsten Tragsäulen für das existenzsichernde Einkommen einer/s Musikschaffenden sind. 

Vorgeblich geht es bei der Reform um mehr Gerechtigkeit, Vielfalt und Verwaltungsvereinfachung. Liest man sich allerdings den Antrag 22a von Vorstand und Aufsichtsrat genau durch, wird klar: Die Führungsgremien wollen die Umverteilung zulasten der E-Musik-Schaffenden und nehmen deren Existenzgefährdung billigend in Kauf. 

Von der Reform „können die GEMA-Mitglieder künftig eine wirkungsvolle und zielgerichtete Kulturförderung erwarten, die allen Genres gerecht wird“, heißt es im Antrag. Doch das Gegenteil ist der Fall, wenn die bisherige wirkungsvolle und zielgerichtete Kulturförderung, die der E-Musik aus guten Gründen seit den Anfangszeiten der GEMA zu Gute gekommen ist, auf alle Genres verteilt wird, wo ohnehin schon die U-Musik deutlich dominiert. Sei es im Aufsichtsrat der Gesellschaft, in dem die E-Musik inzwischen marginalisiert ist, sei es bei der Verteilung des Aufkommens, bei dem die E-Musik auf rund ein Zehntel der U-Musik kommt.
Durch die „Auflösung der Kategorien U und E“ und die Abschaffung der Sparten ED und EM entsteht also nicht die behauptete „Fairness und musikalische Vielfalt“, sondern eine nicht hinnehmbare Benachteiligung der Schöpfer/innen von Werken der E-Musik zu Lasten der musikalischen Vielfalt – wenn nämlich künftig weniger E-Musik-Werke entstehen, da es sich deren potenzielle Urheber/innen gar nicht mehr leisten können, auf diesem Tätigkeitsfeld beruflich unterwegs zu sein und sich zur Existenzsicherung in ganz anderen Bereichen umtun müssen.

Denn „Die Zuordnung zur [neuen] Sparte KUK erfolgt veranstaltungsbezogen auf Basis der Lizenzierung – und nicht werkbezogen“. Heißt: Nicht das Werk in seiner Eigengesetzlichkeit ist die Grundlage der Verteilung wie beim bisherigen Verteilungsschlüssel I, sondern das von ihm erzielte Inkasso. Was zum Beispiel von der Größe des Aufführungsortes, der Anzahl der Ausführenden und der Höhe des Eintrittspreises abhängt. 

Nach dem Reform-Vorhaben soll sich also ein neues Streichquartett wie ein am kommerziellen Markt positionierter Pop-Song behaupten müssen, damit sein/e Verfasser/in einen nennenswerten Beitrag zu den eigenen Lebenshaltungskosten damit erzielen kann. Aber es ist ja wohl kaum anzunehmen, dass ein Kammermusikwerk, das in der Regel in kleinen Sälen von einem überschaubaren Ensemble vor einem nicht minder übersichtlichen Publikum gespielt wird, welches einen mittleren zweistelligen Betrag für sein Ticket bezahlt hat, das Inkasso eines Open-Air-Rockkonzerts vor Tausenden von Zuhörern bei Eintrittspreisen von mehreren Hundert Euro erreicht.   

Denn die Realität ist nun einmal, dass für ein zeitgenössisches Streichquartett weit weniger Aus- und Aufführungsmöglichkeiten bestehen, Sendeplätze im Rundfunk oder Fernsehen gegeben sind, Tonträger produziert werden oder es von den vielfältigen Online-Verwertungsmöglichkeiten profitieren könnte wie ein Pop-Titel. Den zu verfertigen auf der anderen Seite einen wesentlich geringeren Aufwand verursacht als die Komposition eines Kammermusikwerks. Weswegen die seit den 1950er-Jahren im Verteilungsplan der GEMA priorisierte E-Musik diesem Sachverhalt – aufwändigerer Schaffens­prozess bei geringerer Verwertungs-Chance – Rechnung trägt und alles andere als ungerecht ist. 

Wenn wir schon beim Thema „Gerechtigkeit“ sind: Ist es legitim, dass nur wenige E-Musik-Komponisten aufgrund ihres Tantiemen-Aufkommens die Chance haben, ordentliches GEMA-Mitglied zu werden und infolge dessen passiv in ein Führungsgremium gewählt zu werden, weil außerordentliche Mitglieder im Gegensatz zu ihren Kolleg/innen aus der Unterhaltungsmusik die von der Satzung geforderte Einkommenshöhe trotz der Rabattierung um ein Drittel meist gar nicht erzielen können? 
Und der Ersatz des bisherigen Wertungsverfahrens durch eine „Fokus-Kulturförderung“, für den eigens noch ein neuer Ausschuss geschaffen werden muss, führt zu höherem Verwaltungsaufwand, höheren Verwaltungskosten und mehr Bürokratie! Wobei der intendierte, auf vier Jahre angelegte „Übergangsfonds“, um Verluste auszugleichen, keine vollwertige Kompensation ist.

Dieses Vorhaben ist kontraproduktiv, da existenzbedrohend für die Komponisten von E-Musik und nachfolgend für die Sektoren und Institutionen der E-Musik in genere. Überdies verstößt es gegen das Urheberrecht, welches ein auf das Werk bezogenes Eigentumsrecht ist. Es nur noch auf der Basis von dessen Inkasso pro jeweiliger Nutzung zu behandeln, kommt einer Enteignung gleich!

Um in dieser Angelegenheit konstruktiv weiterzukommen, empfiehlt es sich dringend, den Antrag 22a abzulehnen und dem Antrag 22b zuzustimmen, den eine Gruppe aus rund 70 arrivierten Komponist/innen, Verlagen und Rechtsnachfolgern eingebracht hat, wonach im Vorfeld eines Reformbeschlusses erst einmal eine paritätisch besetzte Arbeitsgruppe aus Vertreter/innen der Kurien und verschiedener Berufs- und Fachverbände einzusetzen ist, die dann der Mitgliederversammlung 2026 einen ausgearbeiteten Reformplan vorlegen wird, desgleichen dem Antrag 22c mit seiner aufgezeigten sinnfälligen Reform des Verrechnungsschlüssels I und III.

Der Autor, Jörg Riedlbauer, ist Komponist und Musikpublizist/Kulturdezernent a. D.

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