Ein Renaissance-Schloss als stimmungsvolle Kulisse – das inspirierte Musikstudenten, die seit Mitte der 1950er-Jahre zu den Internationalen Sommerkursen der Jeunesses Musicales Deutschland nach Weikersheim kamen. Auf Initiative von Klaus Bernbacher wagten sie sich auch an das musikalische Gesamtkunstwerk Oper. Heute, fünfzig Jahre später, haben die Opernaufführungen längst die Dimension eines Publikumsfestivals erreicht. Wo früher für die Vorstellungen am Abend Stühle aufgestellt wurden, bietet heute eine Tribüne Platz für gut 1.000 Zuschauer pro Vorstellung. Für die JMD hat „die Oper“, hinsichtlich der finanziellen und personellen Ressourcen, mittlerweile den Rang eines eigenen künstlerischen „Unternehmens“. Bei erfolgreicher Behauptung am Markt ist es gelungen, den ursprünglichen Charme zu bewahren: Die Junge Oper Schloss Weikersheim ist noch immer Kleinod. Was sind die Entwicklungslinien und inhaltlichen Konstanten dieses Erfolgs?
Der JMD ging und geht es darum, jungen Musikern ein zeitgemäßes Angebot zu machen, das sie in ihrer künstlerischen wie persönlichen Entwicklung fördert. Eine Partie auf die Bühne zu bringen,
dies war für junge Gesangsstudenten lange Zeit eine einmalige Möglichkeit, die ihnen andernorts nicht geboten wurde. Mittlerweile sind Musiktheaterproduktionen an vielen Hochschulen Bestandteil des Curriculums bei insgesamt dramatisch gestiegenem Ausbildungsniveau. Wer sich bei der JMD bewirbt, verbindet seine Teilnahme mit entsprechend höheren Erwartungen: Die Junge Oper Schloss Weikersheim könnte der erste Schritt zu einem festen Engagement sein und steht damit in einer Reihe mit den Opernstudios der großen Häuser. Die stetig steigende Zahl der Bewerbungen – 2015 hatten sich mehr als 250 junge Talente aus über 20 Ländern beworben – belegt, dass ein Engagement an der Jungen Oper Schloss Weikersheim eine exzellente Expertise ist. Der Weg zahlreicher JMD-Opernstipendiaten führte unter anderem nach Aachen, Nürnberg, Erfurt, Leipzig oder im Fall von Matthias Klink und Ricardo Tamura sogar an die Mailänder Scala und die Metropolitan Opera nach New York. Auch 2015 casteten Agenturen und Intendanten renommierter Opernhäuser in Weikersheim den Sängernachwuchs.
Das Orchester der Jungen Oper nahm zeitgleich eine andere Entwicklung. Anfangs waren Studierende die Orchestermusiker. Doch das Leistungsniveau junger Orchester hat sich innerhalb der letzten Jahrzehnte so enorm entwickelt, dass mittlerweile ausschließlich Jugendauswahlorchester den Part des Opernorchesters übernehmen. Ab 1979 war dies regelmäßig eines der deutschen Landesjugendorchester und seit 1990 sitzt kontinuierlich ein junges Ensemble von nationalem Rang im Graben: das Nationale Jugendorchester der Niederlande, das Nationale Jugendorchester Spanien, wiederholt das Bundesjugendorchester. Für die jungen Instrumentalistinnen und Instrumentalisten bedeutet das Projekt eine neue, seltene Erfahrung, eine Förderung auf höchstem musikalischen Niveau und eine spannende Erweiterung ihres Repertoires. Das Bundesjugendorchester etwa spielte 2013 unter Leitung von Bruno Weil in historisch informierter Aufführungspraxis, und 2015 hatte die JMD mit Elizabeth Wallfisch (London) eine weitere weltweit renommierte Kapazität der Musik zwischen 1750 und 1800 verpflichtet.
Der Rückblick zeigt, dass die JMD in der Ästhetik und der musikalischen Entwicklung ihrer Opernaufführungen immer auf der Höhe der Zeit war und ist: Als ein Beispiel sei die Produktion „Orphée“ von Philip Glass 1993 genannt. Der Komponist hatte sich entschieden, die europäische Erstaufführung seines Werkes gemeinsam mit den Opernmachern der JMD auf die Bühne zu bringen. Und Weikersheim rückte in den Fokus der internationalen Opernwelt. Mit Werner Andreas Albert, Dennis Russell Davies, Lothar Zagrosek, Stefan Sanderling, Marc Adam, Yakov Kreizberg und Alessandro De Marchi haben sich führende Dirigenten ihrer Generation in die Chronik der Jungen Oper Schloss Weikersheim eingeschrieben. Für die Trilogie von Mozarts DaPonte-Opern, die in diesem Jahr ihren Abschluss findet, steht mit Bruno Weil eine der weltweit führenden Kapazitäten für die Wiener Klassik am Pult.
Auch den gewachsenen Publikumsansprüchen wird die JMD gerecht. Hier hat sich die Umstellung auf einen zweijährigen Turnus in den 1990er-Jahren als richtig erwiesen, wurde durch das „verdoppelte“ Budget doch Spielraum für eine aufwendigere Gesamtausstattung geschaffen. „Kein Zweifel: Die Produktionen der Jungen Oper Schloss Weikersheim würde in ihrem szenischen Spielwitz, ihrer musikalischen Kompetenz, ihrem sängerischen Niveau und Ensemblegeist jedem größeren Opernhaus zur Ehre gereichen“, bescheinigte die nmz.
Vor allem aber ist es der JMD gelungen, den höchsten Qualitätsanspruch, den sie selbst an das Projekt stellt, einzulösen: Kunst schaffen, die ihren eigenen Regeln, nicht denen des Kommerz folgt, und eine musikalische Qualität, die in einer intensiven menschlichen Begegnung gründet. Sänger, Musiker und künstlerische Leitung entwickeln in sechs Wochen Kursarbeit gemeinsam eine innere Haltung zu einem Stück. Ganz in die Musik eintauchen und ihre künstlerische Aussage erlebbar machen – in diesem besten Sinne sind die Weikersheimer Idylle und der Enthusiasmus sowohl der Beteiligten als auch der Zuschauer unverändert, von Anfang an.