Berliner Opernchöre und Orchester wollen am 5. November gegen die Abkopplung ihrer Vergütungen vom öffentlichen Dienst vor dem Roten Rathaus demonstrieren. Seit 2001 sind die Vergütungen der künstlerisch Beschäftigten unverändert geblieben. Gespräche hierüber hat der Senat bisher abgelehnt. Zum 1. Januar 2010 treten für den öffentlichen Dienst neue Vergütungsbedingungen in Kraft. Künstler der öffentlichen Theater, Opernhäuser und des Konzerthausorchesters Berlin bleiben davon ausgeschlossen. Die nmz veröffentlicht hier vorab zwei offene Briefe an den Regierenden Bürgermeister von Berlin:
[update 6.11.]: Rund 250 Musiker zogen am 5. November von der Staatsoper zum Roten Rathaus und forderten Gehaltserhöhungen nach Jahren der Abstinenz. Die Klangkörper sowie das Staatsballett und das Konzerthausorchester sollten wieder an die Vergütungsregelungen des öffentlichen Dienstes angebunden werden, sagten Gewerkschaftssprecher. Kulturstaatssekretär André Schmitz nahm eine Petition entgegen und sagte Gespräche für Ende November zu. Vorher müsse allerdings der Berliner Haushalt im Abgeordnetenhaus beschlossen werden.
Die offenen Briefe:
Keine Abkopplung der Künstlervergütungen!
Tarifsituation der künstlerischen Mitarbeiter/innen im Land Berlin gefährdet die Leistungsfähigkeit der Theater, Opern und Orchester
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister,
die künstlerisch Beschäftigten im Land Berlin fordern Sie hiermit zur unmittelbaren Aufnahme von Gesprächen über die für sie geltende tarifliche Situation auf. Die künstlerisch Beschäftigten, insbesondere die der Stiftung Oper in Berlin (Deutsche Oper Berlin, Deutsche Staatsoper Unter den Linden, Komische Oper Berlin, Staatsballett Berlin etc.) sowie des Konzerthausorchesters sind die wohl einzige Beschäftigtengruppe des Landes Berlin, die seit 2001 an keiner Tarifanpassung teilgenommen hat.
Dies war seinerzeit für die Beschäftigten vor dem Hintergrund der schwierigen finanziellen Lage nachzuvollziehen und wurde als Beitrag zur Konsolidierung mitgetragen. Dennoch haben sich die Künstler nach Kräften und mit Erfolg bemüht, Berlin als wesentlichen kulturellen Standort zu stärken, wie es sich u.a. in den in den letzen Jahren zahlreich erlangten Auszeichnungen und Ehrungen belegen lässt:
Grammy für Tannhäuser 2003 – Deutsche Staatsoper Unter den Linden
Chor des Jahres 2004 – Deutsche Staatsoper Unter den Linden
Opernhaus des Jahres 2007 – Komische Oper Berlin
Chor des Jahres 2007 – Komische Oper Berlin
Chor des Jahres 2008 – Deutsche Oper Berlin
Wiederentdeckung des Jahres 2008 – Deutsche Oper Berlin
Chor des Jahres 2009 – Deutsche Oper Berlin
Europäischer Kulturpreis 2009 Chor – Deutsche Staatsoper Unter den Linden
Orchester des Jahres – Staatskapelle Berlin (2000, 2004, 2005, 2006, 2008)
Darüber hinaus wurde die künstlerische Identität Berlins durch zahlreiche Gastspiele, Sonderkonzerte und repräsentative Aufgaben im Rahmen von staatlichen Empfängen und Staatsakten regelmäßig unterstützt und hat weit über die Grenzen Berlins – auch international – zur Stärkung und Sicherung des Kulturstandorts Berlin beigetragen, nicht zuletzt auch als bedeutender wirtschaftlicher Faktor.
Die aktuelle in Berlin geltende tarifliche Situation gefährdet diese Entwicklung in erheblichem Maße, da es zunehmend schwieriger ist, die Künstler in Berlin zu halten bzw. auch neue Beschäftigte zu gewinnen. Denn Berlin ist im künstlerischen Bereich gegenüber anderen vergleichbaren Häusern im Bundesgebiet schlicht und ergreifend nicht mehr konkurrenzfähig. Die Leistungsfähigkeit der Einrichtungen ist in Gefahr! Um die zur Zeit noch bestehende künstlerische Qualität zu erhalten, ist es erforderlich, dass hier eine langfristige Perspektive zur auskömmlichen Finanzierung der Vergütungen der künstlerisch Beschäftigten geschaffen wird. Denn Kunst kann nur dort gedeihen, wo es den Künstlern auch gut geht. Sollte der Senat an seiner bisherigen Blockadehaltung festhalten und nicht einmal Gespräche mit seinen Leistungsträgern führen, droht dieses künstlerische Potential zu verkümmern und dadurch den Standort Berlin nachhaltig zu schwächen – auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Dass der Senat die Aufnahme von entsprechenden Gesprächen mit dem Argument verweigert, dass zunächst der Haushalt beschlossen werden müsse, ist nicht nachvollziehbar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit den anderen Beschäftigtengruppen desselben Arbeitgebers aktuell Verhandlungen geführt werden.
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Keine Abkopplung der Künstlervergütungen!
Tarifsituation der künstlerischen Mitarbeiter/innen im Land Berlin gefährdet die Leistungsfähigkeit der Theater, Opern und Orchester
Sehr geehrter Herr Regierender Bürgermeister!
Vor dem Hintergrund, dass
• die künstlerisch Beschäftigten der Bühnen des Landes Berlin und der Stiftung Oper in Berlin als wohl einzige Beschäftigtengruppe des öffentlichen Dienstes seit 2001 an keinen Tarifanpassungen mehr teilgenommen haben,
• der Beschäftigungssicherungstarifvertrag für das nichtkünstlerische Personal am 31.12.2009 ausläuft mit der Folge, dass dort die Vergütungsregelungen des „Potsdamer Abschlusses“ von 2004 mit Steigerungen von insgesamt 4,46 % greifen und dies nach geltendem Recht auf das künstlerische Personal zu übertragen ist,
• bei dem Grundsatzgespräch am 8. September 2008 die Vertreter des Senats deutlich signalisiert haben, dass es keine Vergütungsabkoppelung des künstlerischen vom nichtkünstlerischen Personal geben soll und dass die den Landesbeschäftigten gewährten Einmalzahlungen auch auf die künstlerisch Beschäftigten übertragen werden sollen – auf die bis November 2008 (!) fest zugesagte abschließende Äußerung warten wir ebenso wie der Bühnenverein bis heute
• die Künstlergewerkschaften sich ausdrücklich bereit erklärt haben, den NV Bühne in seiner derzeitigen Struktur für das Land Berlin zu übernehmen, hinsichtlich der nach 2004 erfolgten Vergütungsanpassungen im öffentlichen Dienst aber Streckungen zu akzeptieren,
• der Orchestertarifvertrag TVK ab dem 1. Januar 2010 für das Land Berlin vollständig gekündigt ist,
• die grundsätzliche langfristige Ankopplung des Tarifrechts der künstlerisch Beschäftigten an die Entwicklung der jeweiligen Flächentarifverträge im unmittelbaren Interesse der Qualitätssicherung an den Berliner Bühnen liegt,
fordern wir im Namen der künstlerisch Beschäftigten im Lande Berlin Sie hiermit auf, kurzfristig für einen Verhandlungstermin unter Einbeziehung aller Beteiligten (Künstlergewerkschaften, Bühnenverein, Senat, Stiftung Oper in Berlin) zur Verfügung zu stehen.
Berlin, den 05.11.2009
Vereinigung deutscher Opernchöre und Bühnentänzer e.V. (VdO)
Genossenschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger (GDBA)
Deutsche Orchestervereinigung