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Berliner Philharmoniker wollen 2015 Nachfolger für Rattle benennen

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Berlin - Die Berliner Philharmoniker wollen sich für die Suche nach einem Nachfolger für ihren Chefdirigenten Sir Simon Rattle Zeit lassen. Voraussichtlich erst zum Ende der Spielzeit 2014/15 werde das Orchester den Namen bekanntgeben, sagte Orchestervorstand Stefan Dohr am Montag vor Journalisten in Berlin. Über die Kandidaten würden die Orchestermusiker zunächst diskutieren und dann abstimmen.

Nein, wie eine «Lame Duck», eine lahme Ente, fühle er sich nicht, sagte Sir Simon Rattle (58) am Montag in Berlin. Der Begriff für einen US-Politiker auf Abruf passe nicht auf die Arbeitsplatzbeschreibung eines Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker. Der Maestro, der als Brite den feinen Ton des Understatements pflegt, dürfte sich aber dessen bewusst sein, dass um seinen Job, eine der begehrtesten Positionen in der Welt der klassischen Musik, bereits heftig spekuliert wird.

Denn im Januar hatte Rattle angekündigt, dass er seinen Vertrag über 2018 nicht verlängern wolle. Seitdem kursieren die Namen möglicher Nachfolger: «Shooting Star» Gustavo Dudamel wird ebenso genannt wie der Lette Andris Nelsons und der deutsche Stardirigent Christian Thielemann.

Die Philharmoniker, die nach der Schlammschlacht am Ende der Ära Herbert von Karajan (1989) vorsichtig bei Nachfolgefragen geworden sind, wollen jeden Eindruck von Hast vermeiden. Erst 2015 solle ein Name bekanntgegeben werden, versicherte Orchestervorstand Stefan Dohr. Bis dahin sollen aus dem basisdemokratisch organisierten Orchester Namen kommen, über die dann abgestimmt wird. Soweit die Regelung. Allerdings dürfte es schwer sein, bei 128 Musikern absolute Geheimhaltung zu erwarten.

  Es ist auch kaum vorstellbar, dass im Klassik-Business, wo Besetzungen für Konzerte und Opernvorstellungen Jahre im Voraus geplant werden, sich die Philharmoniker nicht jetzt schon Gedanken machen. Namen für Kandidaten sind längst auf dem Markt - doch ob sie die Lücke schließen können, die Rattle hinterlassen wird, ist offen.

  Der Dirigent hat das Orchester ziemlich umgekrempelt. Zwar fällt das Urteil über die musikalische Ausrichtung unterschiedlich aus. Während manche Rattles enorme Programmbreite loben, wünschen sich andere mehr Konzentration aufs Wesentliche. Mit dem mittlerweile angegrauten Lockenkopf aus Liverpool hat sich das Vorzeigeensemble nach der Ära des bedächtigen Claudio Abbado vor allem als global agierendes Musikunternehmen positioniert. Ob die «Digital Concert Hall» im Internet, Live-Konzerte im Kino oder das Education-Programm für junge Leute - Rattle war bereit, das Orchester fit für das 21. Jahrhundert zu machen.

  In ein solches Profil würde ein anderer Lockenkopf passen: Gustavo Dudamel, aus dem vielgerühmten «Sistema» der Jugendorchester Venezuelas zum «Shooting Star» aufgestiegen, öffnet zur Zeit die Los Angeles Philharmonic für neue Hörer aus der Latino-Gemeinde. Dudamel würde in die Multikulti-Stadt Berlin passen. Auch der junge Lette Andris Nelsons, der oft in Berlin zu Gast ist, wird immer wieder genannt.

  Und dann ist da noch Christian Thielemann. An ihm scheiden sich die Geister. Für viele ist der Berliner, einst Karajan-Assistent, so etwas wie der Idealkandidat. Mit seiner Pflege des Repertoires der Romantik könnte er dem Orchester ein klar umrissenes musikalisches Profil geben. Für andere ist das eben das Problem. Das Orchester sei mit seiner Öffnung hin zu neuen Stilrichtungen und zeitgenössischen Komponisten gut gefahren. Und noch etwas kommt möglicherweise hinzu: Thielemann, der heute Chef der Sächsischen Staatskapelle Dresden ist, geht Konflikten nicht aus dem Weg. Von Berlin und München schied er im Krach.

(Autor: Esteban Engel)

Zur Spielzeit 2013/14 der Berliner Philharmoniker

Am Montag sagte Rattle vor Journalisten, er blicke mit Enthusiasmus auf die kommenden Jahre in Berlin. «Wir haben noch viel gemeinsam vor.» In der kommenden Spielzeit will das Orchester den 50. Geburtstag der Berliner Philharmonie groß feiern. Mit Werken mit bis zu mehreren hundert ausführenden Musikern werden die Philharmoniker an die Eröffnung des Saales am 15. Oktober 1963 durch Herbert von Karajan erinnern.

«Wir wollen dabei den Raumklang des Saales ausloten», sagte Rattle. Alle drei Konzerte werde er selbst leiten, darunter die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach in einer szenischen Fassung des britischen Regisseurs Peter Sellars sowie Arnold Schönbergs monumentale «Gurre-Lieder» und eine Uraufführung des Komponisten Wolfgang Rihm.

Zum Jubiläum dreht der Regisseur Wim Wenders in Zusammenarbeit mit dem Kulturkanal Arte eine 3D-Dokumentation über die Philharmonie, wie Intendant Martin Hoffmann ankündigte. Insgesamt plant das Orchester in der nächsten Saison 87 Konzerte in der Philharmonie sowie 28 Auftritte auf Konzertreisen, unter anderem nach Asien und Paris.

 

 

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