Sachte und geschickt knüpft eine Maskenbildnerin an der Stuttgarter Staatsoper eine Perücke für die Parsifal-Inszenierung von Calixto Bieito. Der Schweizer Filmregisseur Vadim Jendreyko zeigt dabei nur ihre Hände in Großaufnahme. Denn bei dem 90-minütigen Dokumentarfilm „Die Singende Stadt“, stehen die Mitarbeiter der Staatsoper mit all ihren handwerklichen Geschicken und künstlerischen Talenten im Mittelpunkt. Der Film feiert am 20. Januar (Donnerstag) Premiere in mehreren Städten Baden-Württembergs.
„Das Opernhaus ist ein spannender Mikrokosmos mit vielen unterschiedlichen Menschen. Die Kontraste sind enorm und trotzdem müssen alle zusammenarbeiten, egal ob Elektriker, Bühnenbildner, Schneider oder Sänger“, sagt der Regisseur. Und der Intendant der Staatsoper Albrecht Puhlmann fügt hinzu, dass erstmals ein abendfüllender Film und nicht nur kurzes Feature zeige, mit wie viel Kraft, Leidenschaft aber auch Arbeit eine Oper inszeniert werde.
95 unterschiedliche Berufe
All das, was auf der Bühne zu sehen ist, stellen die Mitarbeiter des Opernhauses in Eigenproduktion her. Auf insgesamt 1.300 Mitarbeiter kommen 95 unterschiedliche Berufe. „Wie kann das funktionieren?“, hat sich Jendreyko gefragt und ist diesem Thema ab Sommer 2009 nachgegangen. Während eines Jahres drehten er und sein Team in den Werkstätten des Opernhauses und bei den Proben. Die Kamera sei bei vielen Prozessen dabei gewesen und zeige dem Zuschauer, was ihm sonst verborgen bleibe.
Die große Bereitschaft der Opern-Mitarbeiter, bei den Dreharbeiten mitzuwirken, war für den Regisseur nicht selbstverständlich, im Gegenteil: „Die Erarbeitung einer Oper ist Knochenarbeit, der Zeitdruck enorm. Spannungen und Schwierigkeiten gehören absolut dazu. Ein Filmteam irritiert da zusätzlich“, sagt er. In einem Opernbetrieb prallten die künstlerischen Visionen schon mal ungebremst mit dem praktisch Machbaren zusammen. Da müssten Lösungen gefunden werden, und der Weg dorthin sei manchmal holprig.
Doch genau diese menschliche Zusammenarbeit findet Jendreyko reizvoll. „Es ist spannend, zu sehen, was passiert, wenn der Regisseur Sand auf der Bühne haben will, der Bühnenmeister aber nicht, weil er weiß, dass die feinen Sandkörner trotz bester Vorsicht durch sämtliche Ritzen in die Maschinen der Unterbühne rieseln“, sagt er.
Der Regisseur Calixto Bieito, der die Parsifal-Oper inszeniert und einer von mehreren Protagonisten im Film ist, hat sich ein Mikrofon ans Hemd stecken lassen. „Bieito hat inszeniert, und wir haben ihn dabei beobachtet“, beschreibt der 45-jährige Filmemacher seine Arbeit.
Bundesweiter Kinostart am 10. Februar
Die Idee zum Film entstand 2008. Damals gab es einen kurzen Internettrailer zur Wagner-Oper „Der fliegende Holländer“. In nur fünf Tagen wurde er rund 3.500 mal angeklickt. „Das große Interesse daran, wie es bei uns hinter den Kulissen aussieht, hat uns selbst überrascht und sehr gefreut.“ Er habe deshalb nicht lang gezögert und sich für die Produktion des Films stark gemacht, sagt Intendant Puhlmann.
„Der Film sollte dabei nicht stuttgartspezifisch, sondern exemplarisch für jede Theaterarbeit und für jedes Publikum sein“, erläutert Puhlmann. Sicherlich wolle man mit dem Film auch ein jüngeres Publikum für die Theaterarbeit begeistern, ähnlich wie mit den Trailern.
„Die Singende Stadt“ feiert am 20. Januar (Donnerstag) Premiere und wird in Stuttgart, Freiburg, Heidelberg, Mannheim und Karlsruhe gezeigt. Der bundesweite Kinostart ist am 10. Februar.