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Dresdner Sinfoniker spielen mit arabischen Solisten die Musik zum Film "Cinema Jenin"

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Dresden - Eigentlich sollte der Dokumentarfilm "Cinema Jenin" diesen Herbst im Westjordanland Weltpremiere feiern, im Namen gebenden Kino von Dschenin. Dass die Filmmusik nun in Dresden uraufgeführt wird und der Film selbst noch nicht fertig ist, hängt mit dem gewaltsamen Tod eines jüdisch-palästinensischen Theatermachers zusammen:

Im April wurde Juliano Mer Khamis in Dschenin ermordet, Drohungen gegen andere Kulturschaffende folgten. "Da konnten wir das Risiko nicht übernehmen, ein Orchester dorthin zu schicken", sagt Markus Rindt, Intendant der Dresdner Sinfoniker.

So spielt das Ensemble nun "Cinema Jenin - A Symphony" erstmals am Samstag (1. Oktober) im Festspielhaus Hellerau (nmz - Eröffnung Tonlagen 2011) im Dresdner Norden unter der Leitung von Andrea Molino. Dazu sollen Szenen aus "Cinema Jenin" gezeigt werden, einem Film über ein Kino in der palästinensischen Kleinstadt, das im August 2010, 23 Jahre nach seiner Schließung, mit internationalen Spendengeldern wiedereröffnet wurde. Der Regisseur des Films und zugleich Mitinitiator der Wiedereröffnung, Marcus Vetter, habe entschieden, den Mord in dem Film zu verarbeiten, erzählt Rindt. "Das hat ihn um Monate zurückgeworfen."

Zurzeit proben die Musiker in einem Gemeindesaal im Dresdner Stadtteil Strehlen: 26 Streicher der Dresdner Sinfoniker, einem Projektorchester mit Mitgliedern aus zahlreichen international renommierten Ensembles, eine Percussionistin, dazu fünf Solisten mit traditionellen orientalischen Instrumenten. Das Projekt sei eine Zusammenkunft "von Musikern, von Menschen, von Kulturen", sagt Ben Deiß, Filmproduzent und Koproduzent des Musikprojektes. "Symphony" solle man nicht im Wortsinn verstehen, betont Rindt. "Es ist keine Sinfonie als musikalische Form, sondern eher bildlich gemeint."

Getragene Streicherklänge erfüllen während der Proben den Gemeindesaal, erst melancholisch, dann dramatisch, mal abendländisch, mal orientalisch klingend. Komponiert hat sie der Iraner Kayhan Kalhor, ein bekannter Virtuose auf der Kamancheh, einem traditionellen persischen Streichinstrument. "Kayhan Kalhor hat ein einmaliges Talent, Ost und West zusammenzuführen", sagt Rindt. "Deshalb haben wir ihn mit der Komposition beauftragt."

In einer Pause sitzen Rindt und Deiß im Garten des Gemeindehauses zwischen grünen Hecken und herbstlich verfärbten Bäumen und erzählen von dem Kino, das sie selbst schon besucht haben. "Das Cinema Jenin ist ein Projekt, das eigentlich unmöglich ist", sagt Rindt. "In Dschenin gibt es kein Geld, kein Wasser, keinen Strom." So sei das Kino als Kulturzentrum mit Gästehaus und Gartencafé eine "Oase mitten in der Stadt", die durch das angrenzende UN-Flüchtlingslager bekannt geworden ist.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Dresdner Sinfoniker mit einem außergewöhnlichen Projekt Aufsehen erregen: So spielte das 1997 gegründete Ensemble 2003 einen Liederzyklus frei nach Texten und Musik der Gruppe Rammstein, begleitete es Anfang des Jahres in Berlin den preisgekrönten Zeichentrickfilm "Waltz With Bashir" über den ersten Libanonkrieg mit Live-Musik. Über dieses Projekt sei der Kontakt ins Westjordanland zustande gekommen, erzählt Rindt. "Wir dachten, es wäre interessant, das in den Palästinensergebieten aufzuführen". Deiß schlug das Cinema Jenin vor, und so entstand der Kontakt zu Vetter und die Idee zu "Cinema Jenin - A Symphony".

Ob diese Sinfonie, die keine ist, die Filmmusik zur fertigen Version von "Cinema Jenin" werden wird, steht Rindt zufolge aber noch immer nicht fest. "Das ist natürlich unser Wunsch", sagt er. Regisseur Vetter werde das Stück am Samstag zum ersten Mal hören. "Vielleicht entscheidet er sich auch für eine ganz andere Musik und unsere wird eine Version, die man nur im Konzert erleben kann."

Vorerst wird das Konzert am Samstag das einzige sein - eine "exklusive Vorschau", wie Koproduzent Deiß sagt. Wenn der Film in ein paar Wochen fertig sei, soll er Rindt zufolge Festivals angeboten werden, im Idealfall auf der Berlinale laufen. Im Frühjahr wollen die Musiker den Dokumentarfilm auf einer Tournee in den Nahen Osten begleiten. Dann soll die Musik auch in Israel und im Westjordanland zu hören sein. Im Cinema Jenin, sagt Rindt, sei das aber vielleicht auch dann noch nicht möglich.

 

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