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Gerhaher und Walser präsentieren Brahms' Liederzyklus "Die schöne Magelone"

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Coburg - Wenn zwei Ausnahmepersönlichkeiten wie Christian Gerhaher und Martin Walser zusammen auftreten, darf man durchaus von einem Ereignis sprechen. Auf der einen Seite steht ein von der Kritik gepriesener Liedersänger mit fast mystischem Ruf, auf der anderen einer der meist verkauften und meist diskutierten lebenden Schriftsteller deutscher Sprache.

Im oberfränkischen Coburg präsentieren sie am Sonntag (16.10.) im Rahmen des Festivals "Lied & Lyrik" Johannes Brahms' selten gespielten Liederzyklus "Die schöne Magelone".

Walser hat dazu den von Ludwig Tieck (1773-1853) geschriebenen Text in ein neues, moderneres Gewand gekleidet. Das seit langem ausverkaufte Konzert, eine Uraufführung, ist Auftakt einer kleinen Gastspielreise, die Gerhaher, Walser und den Pianisten Gerold Huber, Gerhahers ständigen Liedbegleiter, auch nach Tutzing, Frankfurt am Main, Luxemburg und Brüssel führen wird.

Walser verführbar durch Gesang

Die Idee zu der ungewöhnlichen Paarung hatte Dieter Borchmeyer, der in der Kulturwelt bestens vernetzte Ordinarius für Neuere Deutsche Literatur an der Heidelberger Universität und Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Borchmeyer, der sich intensiv mit Walsers Werk auseinandergesetzt hat, brachte Gerhaher und Walser zusammen. Dabei verriet Gerhaher, dass er gerne einmal Brahms' Magelone interpretieren würde, den Tieckschen Text aber allzu bieder und antiquiert finde.

Spontan bot Walser an, das Opus des Romantikers in seiner eigenen Sprache nachzuerzählen und erklärte sich schließlich auch bereit, seinen Text selbst zu lesen. "Dann habe ich endlich einmal Gelegenheit, Christian aus nächster Nähe beim Singen zuhören zu dürfen", wird der am Bodensee lebende Literat zitiert. "Ich bin durch nichts so verführbar wie durch Gesang." Christian Gerhaher singe "eben wie schon lange nicht mehr gesungen wurde. Und er hat in Gerold Huber auch den genuinen, also geborenen Begleiter", sagte Walser der Nachrichtenagentur dapd.

Brahms "Magelone" ist ein durchaus ungewöhnliches Werk. Tieck hatte in seinem romantischen Ritterroman, basierend auf einem alten Volksbuch, mehrere Gedichte eingewebt, die Brahms als Grundlage für seinen Zyklus wählte. Darin wird die Liebe von Peter von Provence, einem edlen Ritter, zu Magelone, Tochter des Königs von Neapel, erzählt.

In der Geschichte ist ein typischer Ritterroman. Die beiden Helden, unsterblich ineinander verliebt, müssen eine Reihe von schicksalhaften und wunderlichen Prüfungen bestehen, bevor sie endlich heiraten können. Allein aus den Gedichten erschließt sich die Handlung jedoch nicht, weswegen sie gemeinhin durch den (gekürzten) Tieckschen Wortlaut oder eine geraffte Inhaltsangabe miteinander verbunden werden.

Zwtl.: "Schonungsvoll erneuert"

Diesen Text hat Walser nun in einer ungezwungenen Sprache neu erschaffen, ohne den Inhalt wesentlich zu verändern. "Die Prosa ist eben sehr romantisch geschnitzt, mit Windungen und Wendungen, die wir nicht mehr so schätzen können. Da ist uns halt etwas verloren gegangen. Also habe ich halt so schonungsvoll wie möglich die Prosa, sagen wir, erneuert", erläutert er. Nur zu Beginn der Geschichte erlaubt sich Walser ein paar ironische Freiheiten, wenn er über das doch ziemlich dick aufgetragene Happy End des Urtextes philosophiert.

Das eigentlich Wichtige seien aber die Gedichte, die Tieck seinem Prosatext beigegeben habe und die dann Brahms als Grundlage für seine Vertonung dienten. "Sie sind das pulsierende Herz der Magelone-Geschichte", betont Walser. Dass die ritterliche Story nach heutigen Maßstäben doch offenbar jeglicher Aktualität entbehrt, möchte der Schriftsteller nicht unterschreiben. Schließlich gehe es um zwei Liebende, die sich nicht voneinander abbringen ließen. "Das ist, hoffe ich oder fürchte ich, eine ewige Aktualität. Die Welt ist ja immer noch tüchtiger im Verhindern als im Befördern."

Gerhaher wird nicht nur die von Brahms vertonten Gedichte vortragen, sondern auch die beiden nicht vertonten - in einer gekürzten Fassung - rezitieren. Vielleicht wird ihn das ungewöhnliche Konzert endgültig mit dem Brahmsschen Liedschaffen versöhnen, das ihn, wie er selbst einmal sagte, seit jeher auch "etwas befremdet" habe. Brahms habe immer wieder "sekundär gute Texte als Grundlage für seine Kunstlieder ausgewählt". Und möglicherweise wird Walser noch mehr Geschmack an der Zusammenarbeit mit Musikschaffenden finden.

Dass er einmal ein Opernlibretto schreiben könnte, schließt der 84-jährige Schriftsteller zumindest nicht aus. Vertont wurde Walser schon gelegentlich, beispielsweise von dem griechischen Komponisten Mikis Theodorakis, der die Lieder zu seiner Tragikomödie "Sauspiel" schrieb.

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