Der Komponist Dmitri Schostakowitsch hatte stets die Vision von einer besseren russischen Heimat. Diesen Zukunftstraum hat auch die Menschenrechtlerin Irina Scherbakowa.
Die russische Menschenrechtsaktivistin Irina Scherbakowa eröffnet die Internationalen Schostakowitsch Tage in Gohrisch (Sächsische Schweiz). Die weltweit geachtete Germanistin und Kulturwissenschaftlerin ist Mitbegründerin der Menschenrechtsorganisation Memorial, die sich mit der Aufarbeitung des Stalinismus in der früheren Sowjetunion befasst und 2022 den Friedensnobelpreis erhielt.
Schostakowitsch ist musikalischer Chronist seiner Epoche
Sie verehre Schostakowitsch seit ihrer Kindheit, erklärte Scherbakowa in einer Mitteilung des Festivals, dessen 16. Ausgabe vom 26. bis 29. Juni stattfindet. «Dmitri Schostakowitsch kann als ein musikalischer Chronist seiner Epoche bezeichnet werden. Viele seiner Werke dokumentieren die Schrecken der Stalinzeit und des Poststalinismus, unter denen er gelitten und gearbeitet hat.»
«Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er - auf einer schwierigen Gratwanderung zwischen staatlicher Unterdrückung und offizieller Anerkennung - die Wahrhaftigkeit und tiefe Menschlichkeit in seiner Musik nicht aus den Augen verloren hat», betonte die Menschenrechtlerin. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte sie ihre Heimat verlassen und lebt nun in Deutschland.
Schostakowitsch hatte Vision von einem besseren Heimatland
«Irina Scherbakowas Verdienste um die Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal sie damit immer wieder erschreckende Parallelen zu unserer Gegenwart offenlegt», erklärte Tobias Niederschlag, künstlerischer Leiter des Festivals. Genau das finde man auch bei Schostakowitsch: «Auch er hatte zeitlebens die Vision von einem anderen, besseren Russland und seine Musik erscheint uns 50 Jahre nach seinem Tod noch immer so aktuell wie zu ihrer Entstehungszeit.»
Schostakowitsch (1906-1975) gilt als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. 1960 komponierte er in Gohrisch sein 8. Streichquartett - ein sehr persönliches Werk, in dem er seinem Leiden unter dem Sowjetregime Ausdruck verlieh. Seit 2010 werden in Gohrisch in Kooperation mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden die Internationalen Schostakowitsch Tage ausgerichtet. Sie führen seither jedes Jahr renommierte Künstler und Publikum aus dem In- und Ausland in den idyllisch gelegenen Ort.
Pressemeldung der Schostakowitsch Tage:
„Ein Komponist, den ich seit meiner Kindheit verehre“
Die russische MEMORIAL-Mitbegründerin Irina Scherbakowa spricht zur Eröffnung der Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch
Für die Eröffnungsrede der 16. Internationalen Schostakowitsch Tage, die vom 26. bis 29. Juni 2025 im sächsischen Kurort Gohrisch stattfinden, konnte die russische Menschenrechtlerin Prof. Dr. Irina Scherbakowa gewonnen werden. Die weltweit geachtete Germanistin und Kulturwissenschaftlerin ist Mitbegründerin der Menschenrechtsorganisation MEMORIAL, die sich die Aufarbeitung der Verbrechen des Stalinismus in der ehemaligen Sowjetunion zur Aufgabe gemacht hat und 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verließ Irina Scherbakowa ihre russische Heimat und gründete in Berlin gemeinsam mit langjährigen Weggefährten die Organisation Zukunft MEMORIAL, mit der sie die Aufklärungsarbeit von MEMORIAL aus dem Exil heraus weiterführt.
„Voller Vorfreude blicke ich auf meinen Besuch bei den Schostakowitsch-Tagen in Gohrisch, die einem Komponisten gewidmet sind, den ich seit meiner Kindheit verehre“, bekennt Irina Scherbakowa. „Dmitri Schostakowitsch kann als ein musikalischer Chronist seiner Epoche bezeichnet werden. Viele seiner Werke dokumentieren die Schrecken der Stalinzeit und des Poststalinismus, unter denen er gelitten und gearbeitet hat. Es ist ihm hoch anzurechnen, dass er – auf einer schwierigen Gratwanderung zwischen staatlicher Unterdrückung und offizieller Anerkennung – die Wahrhaftigkeit und tiefe Menschlichkeit in seiner Musik nicht aus den Augen verloren hat.“
Schostakowitsch gilt als eine der bedeutendsten und komplexesten Musikerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Bei einem Auslandsaufenthalt komponierte er 1960 im sächsischen Gohrisch sein 8. Streichquartett – eines seiner persönlichsten Werke, in dem er seinem Leiden unter dem Sowjetregime eindringlich Ausdruck verlieh. Offiziell widmete er das Quartett „den Opfern von Krieg und Faschismus“. Seit 2010 werden in Gohrisch, in Kooperation mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden, die Internationalen Schostakowitsch Tage ausgerichtet, die seither alljährlich führende Schostakowitsch-Interpreten und ein Publikum aus aller Welt in den Luftkurort ziehen. In diesem Jahr steht das Festival im Zeichen des 50. Todestages von Schostakowitsch, der am 9. August 1975 in Moskau starb.
„Für uns ist die Anwesenheit von Irina Scherbakowa eine große Ehre“, sagt Tobias Niederschlag, Mitbegründer und Künstlerischer Leiter der Schostakowitsch-Tage. „Seit einigen Jahren stehen wir schon in Kontakt und ich bin sehr glücklich, dass der Besuch in diesem Jahr möglich wird. Irina Scherbakowas Verdienste um die Aufarbeitung stalinistischer Verbrechen können gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, zumal sie damit immer wieder erschreckende Parallelen zu unserer Gegenwart offenlegt. Genau das finden wir auch bei Schostakowitsch: Auch er hatte zeitlebens die Vision von einem anderen, besseren Russland und seine Musik erscheint uns 50 Jahre nach seinem Tod noch immer so aktuell wie zu ihrer Entstehungszeit. “
Für den 16. Jahrgang der Schostakowitsch-Tage werden renommierte Künstler wie die Pianistinnen Yulianna Avdeeva und Onutė Gražinytė, der Cellist David Geringas, der Schauspieler Ulrich Noethen, die Kremerata Baltica unter Mirga Gražinytė-Tyla sowie die Sächsische Staatskapelle Dresden unter Dmitri Jurowski in Gohrisch erwartet. Einen Höhepunkt des Festivals verspricht ein Liederabend mit Alexander Roslavets (Bass) und Andrei Korobeinikov (Klavier), bei dem ein erst kürzlich entdecktes, spätes Fragment von Schostakowitsch zur Uraufführung gelangen wird: „Der Nagel von Jelabuga“ wurde von Alexander Raskatov vervollständigt und ist eine dramatische Ballade auf ein Gedicht von Jewgeni Jewtuschenko. Dieses thematisiert den Selbstmord der russischen Dichterin Marina Zwetajewa im Jahr 1941, die ebenfalls als prominentes Opfer des Stalinismus gelten muss.
Weitere Informationen und Tickets unter www.schostakowitsch-tage.de