Hauptbild
«Parsifal» und seine Kiffer-Jungs: Wagner-Poetry-Slam in Bayreuth. Foto: Hufner
«Parsifal» und seine Kiffer-Jungs: Wagner-Poetry-Slam in Bayreuth. Foto: Hufner
Hauptrubrik
Banner Full-Size

«Parsifal» und seine Kiffer-Jungs: Wagner-Poetry-Slam in Bayreuth

Publikationsdatum
Body

Bayreuth - Über der winzigen Bühne im Hinterhof einer Wäscherei im Bayreuther Industriegebiet thront eine kleine Richard-Wagner-Figur aus Stein. Es ist der Abend vor dem Beginn der Festspiele mit der «Parsifal»-Premiere. Fanfaren ertönen und ein Mann im giftgrünen Anzug erscheint. «Jetzt mal Hand aufs Herz: Wer von Ihnen war noch nie auf einem Poetry-Slam?», fragt Moderator Michael Jakob in die Runde.

Der Großteil des Publikums hebt die Hand. Damit ist der Abend abgesteckt. Es soll ein Versuch werden: Poetry-Slam trifft auf Richard Wagner, Pop- auf Hochkultur. Und das laut dem veranstaltenden Richard-Wagner-Verband Ammersee zum ersten Mal weltweit.

Die Regeln beim Poetry-Slam sind schlicht: Jeder Poet hat wenige Minuten Zeit, um einen selbst geschriebenen Text ohne Hilfsmittel außer dem Textblatt vorzutragen. Eine spontan bestimmte Jury aus dem Publikum vergibt Punkte, am Ende des Abends gibt es einen Gewinner.

Der Nürnberger Poetry-Slammer «Steven» macht den Anfang: «Ich habe mir mal überlegt, wie es wäre, wenn Parsifal krass kiffen würde und Pokémon-Go-Spieler wäre.» In den nächsten Minuten entwickelt er eine absurde Story über Parsifal und seine «Kiffer-Dudes» (übersetzt etwa: «Kiffer-Typen») im Wald, mal überschlägt sich seine Stimme vor Erregung, mal setzt er gekonnte Pausen. Beim Poetry-Slam kommt es stark auf die Vortragsweise an. Das Publikum ist zunächst etwas irritiert, dann ertönen die Lacher immer häufiger, und zum Ende der fünf Minuten wird der Auftritt mit tosendem Applaus belohnt.

Es ist ein Aufeinandertreffen der Generationen an diesem Abend. Auf der einen Seite Festspielpublikum, Vertreter von Richard-Wagner- Verbänden, Musiker und deren Angehörige. Die Abendgarderobe eher schick als leger. Auf der anderen Seite die Poetry-Slammer, die jungen Revolutionäre im Literaturbetrieb, obgleich mittlerweile schon teilweise im Mainstream angekommen. Hier dürfen es auch einmal die kurze Hose und das knallbunte Hawaii-Hemd sein.

«Man kann zu ziemlich jeder Thematik auch Poetry-Slams machen, wir hatten sogar schon Bibel-Slams», erläutert Michael Jakob. Auf diese Weise lasse sich neues Publikum für das Format begeistern. Ein Plan, den auch Organisatorin Arabella Hellmann so ähnlich verfolgt: «Wir wollten mit dieser Veranstaltung ganz gezielt Wagner auch für ein jüngeres Publikum zugänglich machen. Zeigen, dass Wagner auch Spaß machen kann und nicht immer broternst ist.»

Im vergangenen Jahr erst hat die 32-Jährige zusammen mit vier Mitstreitern den Richard-Wagner-Verband Ammersee gegründet. Die Oberbayern sind allesamt mit Wagner aufgewachsen, Hellmann selbst ist Blaues Mädchen - also Türsteherin bei den Festspielen - seit sie 18 ist. Sie sind so etwas wie die «Jungen Wilden» im Umfeld der Wagner-Verbände. «Viele Verbände sind eher traditionell ausgerichtet, da fehlt einfach Angebot für die junge Generation», so Hellmann.

Diese Einschätzung teilt auch Horst Eggers, der Präsident des Internationalen Richard-Wagner-Verbands: «Viele Ortsverbände sind einfach überaltert. Da begrüßen wir es sehr, dass sich junge Leute engagieren.» Er sei begeistert von den neuen Formaten. Und so ist auch er an diesem Abend unter den Zuhörern beim Poetry-Slam.

Nach der lustigen «Parsifal»-Nummer ertönt zunächst wieder Musik. Die Pausenmusiker der Festspiele sind Hellmanns Einladung gefolgt und begleiten den Abend. Der Bamberger Florian Langbein tritt auf die Bühne und wagt sich an eine Interpretation von «Rheingold». Sein Text: düster und mystisch. Es wird still unter den Zuhörern. Langbein flüstert ins Mikrofon: «Der Ring ist das Böse. Der Ring ist der Tod.»

«Wahnsinn, was das für eine Bandbreite ist», sagt der 22-Jährige Florian Preußer in der Pause. Der Bayreuther Student ist bei seinem ersten Poetry-Slam, hatte sich zunächst über Veranstaltungen im Zusammenhang mit den Festspielen informiert. Nach Langbein folgen noch die Poeten Martin Geier und Dietmar Wilgosch mit Texten zu Wagner, nach der Pause präsentieren alle vier Künstler noch Stücke aus ihrem eigentlichen Repertoire.

Am Ende gewinnt der Nürnberger «Steven» mit seiner «Parsifal»-Persiflage und einem weiteren launigen Text über Linsensuppe und Perfektionismus. Der Preis ist ein goldener Becher, der Gral des Bayreuther Wagner-Slams.

 

Ort