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Johanna Trifellner hatte beim 52. Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in der Kategorie „Besondere Instrumente“ einen 1. Bundespreis erhalten und konzertierte in der Laeiszhalle Hamburg im 1. Preisträgerkonzert. Foto: Erich Malter.
Johanna Trifellner hatte beim 52. Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ in der Kategorie „Besondere Instrumente“ einen 1. Bundespreis erhalten und konzertierte in der Laeiszhalle Hamburg im 1. Preisträgerkonzert. Foto: Erich Malter.
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Ein großer Schub an Professionalisierung

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In der Kategorie „Besondere Instrumente“ hat das Hackbrett Einzug gehalten
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In der Kategorie „Besondere Instrumente“ hat das Hackbrett auf der Bundesebene des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ Einzug gehalten. In zahlreichen Regionalwettbewerben Süddeutschlands und auf Landesebene in Bayern und Baden-Württemberg spielt es schon seit über einem Jahrzehnt eine Rolle. Treibende Kraft dieser Entwicklung ist Birgit Stolzenburg, Professorin für Hackbrett an der Hochschule für Musik und Theater München. Mit ihr sprach Susanne Fließ.

neue musikzeitung: Das Hackbrett wird ja landläufig als Volksmusik-Instrument wahrgenommen. Ist das überhaupt zutreffend oder wird das Spektrum des Hackbretts dadurch geschmälert?

Birgit Stolzenburg: Ja, es ist so, dass Engagements für das Hackbrett zum überwiegenden Teil die alpenländische Volksmusik betreffen, seit einiger Zeit auch so genannte Cross- Over Volksmusik oder Folklore. Engagements für das klassische Hackbrett kommen dagegen fast nur auf eigene Initiative zustande. Das Hackbrett wird in erster Linie mit einer Besonderheit der Volksmusik in Verbindung gebracht, nämlich der Saitenmusikbesetzung, die sich um die Zither als zentrales Instrument gruppiert. Diese Erfindung Tobi Reisers aus den 1930er-Jahren erlebt – nach einem unglaublichen Boom ab den frühen 60er- Jahren in Bayern – gerade einen Abschwung.

So sucht sich das Hackbrett in der Volksmusik auch neue Verbindungen, teilweise wird sogar seine ursprüngliche Funktion als Begleitinstrument wieder aufgegriffen. Die Etablierung des Hackbretts als Melodieinstrument durch Tobi Reiser hat aber wesentlich dazu beigetragen, dass sowohl die wiederentdeckte originale Kunstmusik des Barock und der frühen Klassik für das barocke Hackbrett, im Italienischen Salterio, als auch die neu komponierte Musik des 20./21. Jahrhunderts auf diesem so genannten Salzburger Hackbrett ideal zu realisieren sind.

Durch instrumentenbauliche Weiterentwicklung in den letzten 20 bis 30 Jahren gibt es nun sogar eine Instrumentenfamilie, bestehend aus Hackbrett, Tenorhackbrett, Basshackbrett und Kontrabasshackbrett. Dass dies einer breiten Masse nicht bekannt ist, liegt einfach daran, dass diese Entwicklung relativ neu ist.

nmz: Die bayerischen Regionalwettbewerbe „Jugend musiziert“ und auch der Landeswettbewerb Bayern haben das Hackbrett schon vor einigen Jahren in ihr Kategorien-Spektrum aufgenommen. 2015 wurde Hackbrett nun erstmals auch im Bundeswettbewerb angeboten. Welchem musikpädagogischen Engagement ist diese Entwicklung zu verdanken?

Stolzenburg: Der erste Regionalwettbewerb fand 2003 in München statt, ini­tiiert durch mich und mit Unterstützung einiger Hackbrettlehrerinnen und Hackbrettlehrer sowie des Vereins Hackbrettforum e.V. Bei der nächsten Runde kamen den Regionalwettbewerben außer dem Hackbrettforum der Landes-Hackbrett-Bund Baden-Württemberg e.V. und die Verlage 433 sowie Vogt & Fritz finanziell zu Hilfe. Bis zum Landeswettbewerb ging es ab 2006. Dass das Hackbrett 2015 erstmalig am Bundeswettbewerb teilnehmen durfte, haben wir der gleichzeitigen Zulassung der türkischen Baglama zu verdanken. Beide Instrumente wurden in der Kategorie Besondere Instrumente zusammengespannt.

nmz: Welche Auswirkungen hat die Aufnahme des Hackbretts in das Kategorienspektrum von „Jugend musiziert“ auf die Ausbildung an den Musikschulen und auch an den Hochschulen?

Stolzenburg: Das Hackbrett erlebt nun, wie viele Instrumente vor ihm, einen großen Schub an Professionalisierung. Zudem dürfen wir eine große Begeisterung und Freude der Kinder und Jugendlichen erleben, die nun auch mit ihrem Instrument Wertschätzung und Anerkennung erfahren können. Was die Hochschule betrifft ist es nun so, dass die Kandidaten für die Eignungsprüfung allesamt, teilweise seit Jahren, bei „Jugend musiziert“ dabei waren, so dass das Anfangsniveau für einen Studiumsbeginn deutlich gestiegen ist.

nmz: Weshalb halten Sie es für wichtig, dass das Hackbrett bei „Jugend musiziert“ Aufnahme findet?

Stolzenburg: Das Hackbrett kann so am allgemeinen Musikleben teilnehmen und erfährt eine Präsenz, die sehr notwendig ist, da die Gesamtzahl der Hackbrettspieler immer noch sehr gering und das Überleben des Instruments in der heutigen Musikwelt noch keineswegs gesichert ist.

nmz: In der Ausschreibung für den Wettbewerb 2015 wurde für „Hackbrett solo“ zumindest ein Originalwerk gefordert. Die Ausschreibung 2016 für „Hackbrett-Ensemble“ erlaubt Folklore überhaupt nur ergänzend, wenn die Auftrittszeit damit nicht überschritten wird. Was gibt es denn an „Original-Literatur“, die keinen Folklore-Charakter hat?

Stolzenburg: Mit Originalmusik ist immer die so genannte Klassische Musik gemeint, also die bereits vorhin erwähnte Kunstmusik des 18. Jahrhunderts sowie des 20./21. Jahrhunderts, ergänzt durch geeignete Bearbeitungen aus weiteren Epochen. Darüber hinaus war uns aber wichtig, dass die schöne Volksmusik, die zum Hackbrett auch gehört und gut passt, weiterhin gespielt werden darf und nicht verschwinden muss, wie es ansonsten für die meisten Instrumente der Fall ist.

nmz: Geht das Hackbrett seinen Weg als Kunstmusik-Instrument womöglich beschleunigter aufgrund der bundesweiten Aufnahme bei „Jugend musiziert“?

Stolzenburg: Da bin ich mir ganz sicher, dass das so ist. Der Motivationsschub eines Wettbewerbsbetriebes ist nicht zu unterschätzen.

nmz: Wie sehr regt die Aufnahme des Hackbretts bei „Jugend musiziert“ die Hackbrett-Lehrkräfte zum Überdenken der Ausbildungsstandards an?

Stolzenburg: Ein guter Teil der Hackbrettlehrkräfte hat am Anfang förmlich elektrisiert reagiert und mit Begeisterung mitgemacht. Seither ist das Thema „Jugend musiziert“ ein wichtiger Bestandteil aller Lehrerfortbildungen. Auch sind im Bereich Neue Musik zahlreiche Werke eigens für den Wettbewerb komponiert worden. Besonders erwähnen möchte ich die Münchener Komponistin Dorothea Hofmann sowie Monika Roscher und Dominik Schuster, die eigens Ensemblestücke komponiert haben.

nmz: Wie homogen ist die Szene? Gibt es Widerstände gegen Kunstmusik auf dem Hackbrett oder gegen Volksmusik?

Stolzenburg: Ich denke, dass es in der Hackbrettszene alle Facetten gibt, von den Liebhabern der tradierten Musik über die Klassik bis hin zur Popularmusik, für die das Hackbrett übrigens noch richtig interessant werden könnte. Wir sind insgesamt ja nicht viele und streiten deshalb wohl wenig, falls das der Hintergrund Ihrer Frage gewesen sein sollte.

nmz: Halten Sie es für denkbar, dass sich außer Bayern auch andere Bundesländer sich auf lange Sicht für Hackbrett erwärmen können?

Stolzenburg: Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Im Moment konzentriert sich die Szene auf den südbayerischen Raum mit Zentrum München als Ausbildungsstätte an der Hochschule für Musik und Theater. Es gibt aber eine ambitionierte Szene in Baden-Württemberg, das 2015 zum ersten Mal einen eigenen Regionalwettbewerb durchführen durfte. Das Hackbrett ist ja übrigens ein sehr globales Instrument, man denke an die persische und indische Santur, das Cimbalom Osteuropas, das Yangqin Asiens, das Dulcimer Englands und Amerikas. Ich meine, dass es in Deutschland in weiteren Bundesländern nur dann eine Chance hat, wenn es sich über das alpenländische Volksmusikimage hinaus als Instrument für alle Stilrichtungen zeigt. Und auf diesem Weg sind wir ja bereits, unter anderem mit Hilfe von „Jugend musiziert“. 

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