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unüberhörbar 2018/04

Untertitel
Moritz Eggert, Tzvi Avni, Sergej Prokofieff, Mauricio Kagel
Publikationsdatum
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Mauricio Kagel: mimetics. Sabine Liebner, Klavier. Wergo +++ Sergej Prokofieff: Romeo und Julia. Baltimore Symphony Orchestra, Marin Alsop. Naxos +++ Tzvi Avni: Credo. Johannes Gmeinder, Klarinette; Kolja Lessing, Violine; Fjölnir Ólafsson, Bariton u.a. Perc.pro +++ Moritz Eggert: Muzak, Number Nine VII: Masse. SO des BR, David Robertson, Peter Rundel. Neos

Mauricio Kagel: mimetics. Sabine Liebner, Klavier. Wergo

„Es mag sein, dass nicht alle Musiker an Gott glauben. An Bach glauben jedoch alle“, präzisierte Mauricio Kagel in unüberschaubarem Terrain. Mit seiner „Sankt-Bach-Passion“ hat er dem Übervater ein Denkmal gesetzt. Das zu Denken gibt. Aber nicht ins ideologische Fundament gepflanzt ist. So wie Kagel einer der wenigen von den wenigen Großen ist, die der ästhetischen Theorie Humor implantieren und gleichermaßen abgewinnen können. Die Pianistin Sabine Liebner ist ihrerseits eine der wenigen Interpretinnen, die sowohl die großen kraftvollen Bögen zu schlagen vermögen als auch die subtilst-versteckten Verschachtelungen erkennbar werden lassen können. Sie transformiert den für die Interpreten einkomponierten Grad an Freiheit selbstbewusst, durchreflektiert und wahrhaft überzeugend in Klang. Gerade bei Kagels Metamusik für Klavier mit dem Titel „mimetics“. [Wolf Loeckle]

Sergej Prokofieff: Romeo und Julia. Baltimore Symphony Orchestra, Marin Alsop. Naxos

Prokofieff, von außen manchen heftigen Einsprüchen ausgesetzt, aber musikalisch stets unbeeinflussbar reagierend, hat in seinem herrlichen Shakespeare-Ballett rauschhafte Tanzmotorik und lyrische Tiefenschau nachdrücklich ineinander verschränkt. Aus dem Werk begegnet man, konzertant geboten, den von ihm selbst exzerpierten drei Orchestersuiten. Die auf dieser CD wiedergegebene Gesamtpartitur bietet ihnen gegenüber den Vorteil, die dramaturgisch geschlossene Handlung durch die chronologische Abfolge der Tanznummern nachvollziehbar zu machen. Marin Alsop kann dadurch mit ihrem Orchester die Illusion eines originären Musiktheaters beredt einlösen. Ihre Leistung beweist, dank der Verschmelzungstechnik von durchgestalteter Form und sensibel gesetztem Klang, den phänomenimmanenten künstlerischen Eigenwert der Partitur. Auf dem Grund der scharf herausgearbeiteten Kompositionsstruktur mutiert der ballettgebundene Inhalt zu plastischer Bildhaftigkeit. Das bestimmt die singuläre Qualität dieser unüberhörbaren Werkdarstellung und schafft, damit einhergehend, ein auditives Glücksgefühl. [Hanspeter Krellmann]

Tzvi Avni: Credo. Johannes Gmeinder, Klarinette; Kolja Lessing, Violine; Fjölnir Ólafsson, Bariton u.a. Perc.pro

Zu seinem 90. am 2. September erschien erst die zweite Porträt-CD des 1927 in Saarbrücken als Hermann Jakob Steinke geborenen, aber mit seinen Eltern nach Palästina ausgewanderten jüdischen Komponisten, der heute als Tzvi Avni in Tel Aviv lebt. Sein Umgang mit Saiteninstrumenten („Credo“ erweist sich wider Erwarten als Streichtrio) darf durchgängig als meisterlich gelten, und auch die bis auf Lessing wenig bekannten Interpreten agieren in den vom SR teils live aufgezeichneten Werken auf höchstem Niveau. Wahrlich kongenial gelang Avni 2013 der Celan-Zyklus „Es wird etwas sein, später“, in dem er die berühmte Todesfuge nicht zuletzt aus Pietät rein instrumental vertont hat. Mögen seiner so gar nicht nahöstlich, sondern nach wie vor mitteleuropäisch tönenden Musik noch viele ähnlich hochkarätige Aufführungen vergönnt sein! [Mátyás Kiss]

Moritz Eggert: Muzak, Number Nine VII: Masse. SO des BR, David Robertson, Peter Rundel. Neos

Dank der verdienstvollen, mittlerweile bei Folge 30 angekommenen musica-viva-Serie beim Label Neos kann man nun Moritz Eggerts 2016 uraufgeführten Parforce-Ritt „Muzak“ noch einmal in Ruhe nachhören (siehe nmz 7/2016). Die Wiederbegegnung erfreut, vielleicht weil die Tonkonserve das geeignete Medium für Eggerts uneigentlichen Stilmix ist, den Harry Lehmann inzwischen in einer ausführlichen Analyse als exemplarische Manifestation der Idee der Postmoderne geadelt hat. Hörenswert auch die wuchtig-differenzierte Orchestertutti-Studie „Masse“. [Juan Martin Koch]

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