Wenn es eine Erfolgsgeschichte wird, dann geht ihm eine lange Vorgeschichte des Scheiterns voraus. Die Rede ist vom vor zweieinhalb Jahren gegründeten Jazz-Referat des Bayerischen Musikrats (laut eigener Beschreibung die größte Kulturorganisation im Freistaat) und seiner tatkräftigen neuen Leiterin Désirée Dischl. Denn eigentlich war das keine Neugründung, sondern die Umwidmung eines alten Problemkindes: des Bayerischen Jazzinstituts in Regensburg.

nmz 2025/10 - Letzte Seite
Rühriges Referat
Die 1992 vom bayerischen Jazz-Pionier Richard Wiedamann im Haus seiner Familie gegründete Einrichtung dümpelte nach seinem Tod 2011 jahrzehntelang dahin. Die noch von ihm installierte Leiterin Sylke Merbold entwand der damaligen Landesarbeitsgemeinschaft Jazz – der heutige Bayerische Jazzverband – die Trägerschaft und entwickelte unter der nominellen Zuständigkeit des Bayerischen Sing- und Musikhochschulverbandes (die SZ verglich das damals damit, als ob man einen Gleitschirmfliegerverein einem Fußballverband angliedern würde) ein intransparentes Eigenleben. Gerade im Vergleich mit dem fast gleichzeitig gegründeten, schon lange international bedeutenden Jazzinstitut Darmstadt wurde immer weniger vertretbar, dass der Freistaat diesen Institutstorso lange Zeit mit fast der Hälfte seiner lächerlichen jährlichen Jazzförderung finanzierte.
Wenn man also lesen kann, dass „zum 1. Januar 2023 im engen Austausch zwischen dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, dem Bayerischen Musikrat (BMR), dem Bayerischen Jazzverband und dem Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen als bisherigem Träger des Bayerischen Jazzinstituts ein Referat Jazz beim BMR eingerichtet wurde“, dann war das der Versuch, aus einer Brache ein für die Szene produktives Feld zu machen. Schnell zeigte sich freilich, dass unter der alten Leitung ein Neustart nicht zu machen war. Am 1. Mai 2024 übernahm also Désirée Dischl, die schon seit Januar 2020 als Projektmanagerin beim BMR arbeitete.
Die Weilheimerin kommt aus der Praxis, und zwar in verschiedenen Rollen. Sie ist Trompeterin und gründete mit ihrem Bruder schon 2012 das Munich International Jazz Orchestra Cantaloupe, als Praxis-Anlaufstelle vor allem für die internationalen Studierenden. Parallel zu ihrem Musikwissenschaft - und Kulturmanagement-Studium in München und Dresden hatte sie auch schon Jobs bei der BMW Welt, bei Actori und als freiberufliche Agentin und Managerin, unter anderem für das Christian Elsässer Jazz Orchestra und Buffzack.
Ihre erste weitreichende Entscheidung war, das Jazz-Referat direkt unters Dach des BMR nach München zu holen. „Mir war freigestellt, auch in Regensburg zu bleiben“, berichtet Dischl. So aber wurde das alte, ohnehin von zwei Mitarbeitern – neben Dischl noch die altgediente Uli Schwarz in Teilzeit – nicht sinnvoll zu betreibende Jazzinstitut aufgelöst. Die teilweise bedeutenden Nachlässe und Archivalien wurden unter großem Sondierungs- und Rechercheaufwand dorthin vergeben, wo sie wirklich genutzt werden, vom Archiv des Münchner Jazz-Instituts über die Stadt Regensburg bis nach Darmstadt oder Berlin. Behalten wurden nur der Großteil des Fotoarchivs einschließlich der Sammlung Binder, das nun online und für Ausstellungen genutzt wird.
Weg vom Archivgedanken, hin zur ganz praktischen Förderung des bayerischen Jazz soll es gehen. Eine lange überfällige Neuausrichtung, die schon deshalb sinnvoll und nötig war, weil es auch plötzlich Mittel gab. „Ein entscheidender Punkt war, dass dem BMR 2023 von der CSU-Fraktion 500.000 Euro für die auf mehrere Jahre verteilte Jazzfestival-Förderung zugesagt wurden“, sagt Dischl. Das von ihr initiierte „Jazzarise“-Festival geht nun im Oktober in Ansbach zum zweiten Mal (nach Traunstein und Anger zum Auftakt im vergangenen Jahr) über die Bühne. Es soll keine Konkurrenz zu bestehenden Festivals oder dem inzwischen gewissermaßen als Wanderpokal vergebenen Landesjazzfestival darstellen, sondern den Jazz nachhaltig in Regionen bringen, wo er bisher fehlte oder schwach aufgestellt war. Das Arbeitsfeld von Dischl umfasst aber noch viel mehr: „Zwei Förderprogramme, einmal die Förderung von Jazz-Workshops an Bildungseinrichtungen. Zum anderen ‚Jazz & More‘, wo genreübergreifende Projekte mit einem bestimmten Standard unterstützt werden. Eine andere Aufgabe ist die konkrete Zusammenarbeit mit dem gleichzeitig gegründeten Beirat Jazz, dem Landesverband Jazz und anderen Organisationen. Schließlich habe ich eine beratende Funktion gegenüber allen politischen Institutionen, aber auch für unsere Generalsekretärin und unseren Präsidenten bei allem, was den Jazz betrifft.“ Und ein letzter, vielleicht sogar entscheidender Punkt: „Unsere Aufgabe ist auch, der Politik zu zeigen, dass die Jazzförderung insbesondere durch die Finanzierung des Jazz-Referats mit seinen Programmen nötig und sinnvoll ist.“ Denn noch gibt es über das kommende Jahr hinaus keinerlei Zusagen. Es wäre allerdings ein Skandal, wenn der Freistaat beziehungsweise Ministerium, Fraktionen oder die anderen beteiligten öffentlichen Stellen, die jahrzehntelang Geld in ein mindestens zweifelhaftes Konstrukt pumpten, sich nun, wo endlich etwas passiert, zurückziehen würden.
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