Musikfest Blumenthal +++ Zappanale Bad Doberan +++ Festival Neue Musik Rümlingen +++ „LOUD & PROUD“-Jazz Sommer im Bayerischen Hof +++ jazzopen Stuttgart +++ Internationale Fredener Musiktage +++ GAIA Musikfestival +++ Südtirol Jazzfestival Alto Adige +++ Sommerliche Musiktage Hitzacker
Festivals im Sommer
Musikfest Blumenthal
Seit vier Jahren gibt es ein neues lohnenswertes Pilgerziel für den reisenden Musikenthusiasten: das Musikfest Blumenthal bei Aichach im Wittelsbacher Land.
Tritt man durch eines der Tore ins weite Hofareal von Schloss Blumenthal, dann betritt man eine andere Welt: Man lässt den Alltag zurück und erkundet eine Welt aus Bio-Landwirtschaft und Käserei, Hotel und Öko-Gastronomie, aus Kunstateliers und Coaching-Retreats.
Jeweils an einem Sommerwochenende Ende Juli ist Schloss Blumenthal fest in der Hand der Musik. Das Schloss hat sich in einen großen Musikcampus verwandelt und lädt Besucher aus nah und fern zu hochkarätigen Konzerten ein. Die Idee stammt vom Klarinettisten und Künstlerischen Leiter Georg Arzberger, aufgewachsen im Nachbardorf und trotz internationaler Karriere noch immer vertraut mit örtlicher Schulband und Musikkapelle. Er will die internationale Musikwelt, in die er hinausgezogen ist, mit den Menschen vor Ort teilen und bringt Musik aus den Konzertsälen der Welt ins ländlich gelegene Blumenthal.
Zu diesem Zweck hat er das Blumen-thaler Festspielorchester gegründet: die Camerata Vitilo. Zunächst nur ein hochkarätiges „Telefonorchester“ – weil zusammentelefoniert –, ist es inzwischen musikalischer Botschafter der Region Wittelsbacher Land und Anziehungspunkt für Musiker internationaler Spitzenensembles und -orchester. Darüber hinaus ist die Camerata ein Orchesterpool für jede Menge kammermusikalische Spezialensembles vom klassischen Streichquartett oder Klarinettentrio bis zum seltenen Posaunen/Flöten-Duo.
In Blumenthal macht man vieles anders als anderswo, angefangen bei den Austrittskarten statt der normalen -Tickets: Bezahlt wird nach dem Konzert mit der Summe, die man für angemessen hält und die der Geldbeutel hergibt. Das kostbare, handgemachte Kulturgut Musik wird so noch mehr als sonst zum Vertrauensgut.
Marketing, Ticketing, Vermittlung, Education, Lebensgefühl und Kunst greifen nirgendwo im sommerlichen Festivalreigen so nahtlos ineinander wie hier.
Andreas Kolb
Zappanale Bad Doberan
Manche Festivals nennen sich Biennale oder Triennale, weil sie alle zwei beziehungsweise drei Jahre stattfinden. Über Thema, Programm und Zielgruppe ist damit noch nichts gesagt. In Titel und Profil einzigartig ist dagegen die Zappanale in Bad Doberan, jährlicher Treffpunkt der weltweiten Fangemeinde des US-amerikanischen Experimental-Rock-Gitarristen, Sängers, Texters, Komponisten und Bandleaders Frank Zappa (1940–1993). Neben ehemaligen Musikern von dessen Band „The Mothers of Invention“ treten Coverbands und von Zappa beeinflusste Gruppen auf. Die erste Zappanale fand 1990 noch zu DDR-Zeiten in Althof bei Bad Doberan statt. Die Initiative von Fans aus Stralsund, Bad Doberan und Bischofswerda gründete 1993 die gemeinnützige „Arf Society“ als Trägerverein. Anfangs kamen nur ein paar Dutzend Menschen. Bei der 13. Zappanale 2002 waren es 1.500 und wurde auf dem Alexandrinenplatz ein Zappa-Denkmal eingeweiht. Die aktuelle 33. Zappanale findet vom 17. bis 21. Juli wie üblich auf der Galopprennbahn Bad Doberan statt, natürlich mit zappaesker „music outside the norm“. Die auftretenden Bands heißen unter anderem „Bundespolizeiorchester“, „Blanck Zappath“, „Birth Control“, „Jazzprojekt Hundehagen“, „Compound Chemistry“, „Cats & Breakkies“, „The Wrong Object“, „Die miserablen Husos“ und „Inventionis Mater Trio“. Erstmalig dürfen auch Besucherinnen und Besucher auf einer „Open Space Stage“ performen. Und demnächst gibt es vielleicht ein Zappa-Museum als neuen Fixstern im Zappaversum.
Rainer Nonnenmann
Festival Neue Musik Rümlingen
Der Name verortet das Festival in einem kleinen Dorf im Kanton Basel-Landschaft am Fuße des Schweizer Jura. Doch die seit 1990 bestehende Veranstaltung wandert gerne auch in andere Kantone oder Nachbarorte, dieses Jahr – wie schon zweimal zuvor – ins nahe Oltingen. Unter dem Motto „OltingenX24. ausklinken – eintauchen“ ist das Publikum eingeladen, vom 24. August ab 15 Uhr bis zur gleichen Uhrzeit des nächs-ten Tags während einer kompletten Erdrotation den 24-stündigen Tagesablauf im Dorfleben mitzubekommen. Dazu gibt es 24 kleine und große Ereignisse: Kompositionen, Performances, Elektronik, Figurentheater, Improvisationen, Klanginstallationen und Mondschein-Aktionen. Schauplätze sind Sägerei, Mühle, Werkstatt, Scheune, Schmiede, Kirche, Sportplatz, Wiesen und Äcker. Die Projekte werden eigens für diese Orte, ihre Menschen und Geschichten sowie teilweise partizipativ mit lokalen Vereinen entwickelt. Das Dorf ist Projektionsfläche, Kulisse und Klangraum sowie Thema als besonderer Lebensraum jenseits großer Städte und Ballungszentren. Die Uraufführungen stammen von Schweizer und internationalen Künstlerinnen und Künstlern, namentlich von Romane Bouffioux, Léo Collin, Rama Gottfried, Wolfgang Heiniger, Urban Mäder, Aya Metwalli, Marina Tantanozi, Violeta Garcia, Michel Robin, Daniel Ott und Anna Sowa. Während der 24 Stunden wird natürlich auch gegessen, getrunken, geschlafen. Am frühen Morgen erlebt man dann gemeinsam den Sonnenaufgang.
Rainer Nonnenmann
„LOUD & PROUD“-Jazz Sommer im Bayerischen Hof
Auch dieses Jahr ist der Jazz Sommer im Bayerischen Hof wieder am Start und geht vom 16. bis 20. Juli mit dem Motto: „LOUD & PROUD“ mittlerweile in die 30. Runde! Verantwortlich für das Programm ist zum zweiten Mal der Journalist Oliver Hochkeppel. Bei der Programmauswahl und Zusammenstellung der Events sind alle Voraussetzungen erfüllt, dass es ein abwechslungsreiches, spannendes Festival wird.
Den Auftakt am 16. Juli bestreitet Al Di Meola mit einer ganz besonderen Performance: lang ersehnt findet beim Jazz Sommer die Reunion seiner legendären Electric Band statt. Dabei wird Al Di Meola erstmals seine ihn seit 50 Jahren begleitende 1971er Les-Paul-Gitarre auf der Bühne spielen.
Weitere Gäste sind der Saxophonist Jacques Schwarz-Bart mit seinem Quartett, Vokalistin Malika Tirolien und Band, China Moses im Duo mit dem Pianisten Joel Holmes und „Kennedy Adminstration“. Als Abschluss des Festivals am 20. Juli gibt es am Samstag ein besonderes MUNICH SPECIAL: Matthias Bublath und sein Trio grooven im Nightclub Loud & Proud mit einer ganzen Reihe Special Guests wie Ron Williams, Norisha Campbell, Karoline Weidt, Kaye-Ree und Eva Ahoulou.
Außerdem werden beim Jazz Sommer im Bayerischen Hof eine Reihe von ausgesuchten Musikfilmen in der astor@Cinema Lounge des Hotels aufwarten.
Thomas J. Krebs
jazzopen Stuttgart
jazzopen ist kein Jazzfestival im herkömmlichen Sinn, sondern eine große Pop-Party im Stil von Montreux. Neben Stars wie Herbert Grönemeyer, Lenny Kravitz und Sting findet sich immer wieder populärer Jazz vom Feinsten. Dieses Jahr etwa Lee Ritenour, Jamie Cullum, Lakezia Benjamin oder Al Di Meola. Nicht zu vergessen der diesjährige Preisträger der German Jazz Trophy Billy Cobham, der mit seinen funkigen Schlagzeugbeats das Festival am 19.7. eröffnet.
Doch das jazz im Titel von jazzopen ist auch aus einem weiteren Grund Markenkern: Seit einigen Jahren sind die Open-Stage-Konzerte fest etabliert. Auch zum 30-jährigen Jubiläum der jazzopen vom 18. bis 29. Juli in der Stuttgarter City wird es wieder eine Vielzahl an eintrittsfreien Open-Stage-Konzerten geben. Genauer gesagt: 16 besondere und hochwertige Konzerte mit vorrangig jungen Künstlern und Talenten oft aus der Region.
Dabei stützt sich das privat finanzierte Festival neben seinen Musikfans auf kulturaffine Sponsoren wie Mercedes oder Allianz. Vor wenigen Monaten wurde dafür eine Public-Private-Partnership zwischen der Stadt Stuttgart und den beiden langjährigen jazz-open Premiumsponsoren Sparda-Bank Baden-Württemberg und Mastercard beschlossen. Das Ziel: Ein außergewöhnliches Konzertangebot für alle Musikliebhaber*innen zu schaffen.
Andreas Kolb
Internationale Fredener Musiktage
Jedes Jahr wird im kleinen Freden im hübsch hügeligen Süden Niedersachsens der Winter vertrieben, indem eine Strohpuppe mit Namen „Hinrich-Koarl Kümmelneese“ brennend der durch den Ort fließenden Leine übergeben wird. Und da die Internationalen Fredener Musiktage eben im Sommer und nicht im Winter stattfinden, ist das von großer Wichtigkeit!
Andernfalls könnte der kleine Ort, wie dieses Jahr vom 27. Juli bis 6. August, nicht zeigen, dass Kunstmusik und der Charme eines Dorffests keine Widersprüche sind: Mit einem Fokus auf die von Umbruch geprägten 20er durch die Jahrhunderte finden in verschiedenen Fredener Lokalitäten und dem im Nachbarort befindlichen Fagus-Werk (UNESCO-Weltkulturerbe) verschiedenste Veranstaltungen statt, die von traditionell klassisch-romantischen Konzerten, einer Uraufführung von Sven-Ingo Koch über Abende mit Salon- und Jazzorchestern bis hin zu Filmvorführungen wie dem knapp 100 Jahre alten Klassiker „Metropolis“ reichen.
Als ländlicher Geheimtipp zieht das Festival zudem erstklassige und profilstarke Künstler*innen wie beispielsweise das Orchester im Treppenhaus aus Hannover oder das Salzburger Ensemble BachWerkVokal an. Dabei sind die Veranstaltungen auch in sich höchst abwechslungsreich und mindestens mit einer Prise Experiment abgeschmeckt, wodurch Freden einmal mehr beweist, dass die negative Konnotation des Worts „provinziell“ idealerweise wie Puppe Kümmelneese an die Leine übergeben werden sollte.
Mathis Ubben
GAIA Musikfestival
Vielleicht darf es auch ein Festival abseits der Hauptsaisons oder mit mehr Vorlauf sein?
Das GAIA Musikfestival findet jährlich im Frühjahr in der unverschämt schönen Kulisse des malerischen Thuner Sees im Berner Oberland statt. So frei wie der Blick in die Landschaft macht, so frei interpretiert Begründerin und Violinistin Gwendolyn Masin das Prinzip „Festival“.
Jedes Jahr bestimmt ein Thema das künstlerisch erforschende Programm. Dabei macht das Festival mehr, als aus dem großen Repertoire-Kanon der klassischen Musik passende Werke zusammenzuprogrammieren und sucht zudem mit dem Thema verbundene Künstlerinnen und Künstler aus Musik und anderen Sparten, vergibt Kompositionsaufträge und entwickelt Konzertformate, um das Thema des Festivals als künstlerisches Gesamtkonzept auf die Bühne zu bringen.
Im Frühling dieses Jahres erzählte das Festival so verschiedene Geschichten von Menschen, die den Mut zur Freiheit hatten.
Dafür konzipierte Masin unter anderem ein Konzert mit Schriftsteller und Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss, das improvisierte Anteile mit auf Reisen gesammelten Geschichten und Musik von Menschen, die für ihre Freiheit einstehen mussten und müssen, kombiniert hat.
Für das nächste GAIA-Festival liegt mit dem Thema „Residencies“ das (vorübergehende) Verwurzeln von Menschen und ihrer Kunst im Fokus. Es findet vom 6. bis 11. Mai 2025 statt.
Mathis Ubben
Südtirol Jazzfestival Alto Adige
Wenn die Dolomiten in der sommerlichen Sonne erstrahlen, verwandelt sich Bozen in eine Bühne für das Unerwartete: Vom 28. Juni bis 7. Juli erkundet das Südtirol Jazzfestival Alto Adige in 56 Konzerten die europäische Musikszene und präsentiert eine beeindruckende Vielfalt an jungen, kreativen Talenten.
Stefan Festini Cucco vom Festival-Leitungsteam zeigt sich hocherfreut, dass es bald losgeht. Ein Anliegen sei es hier auch, zukünftiges Publikum für die aktuelle Musik in ihrer Vielfalt zu gewinnen: „Wir sind überzeugt, dass viele einfach das Wort Jazz abschreckt, obwohl diese Musikrichtung so vielfältig und von anderen Stilen positiv beeinflusst ist.“
Schon der Eröffnungsabend verspricht eine von vielen ästhetischen Horizonterweiterungen: In einer Industriehalle im Quartier Rombrücke zelebriert die estnische Saxophonistin Maria Faust eine „Mass of Mary“. Auch Kooperationen mit einem regionalen Elektronikfestival und mit den Leipziger Jazztagen stehen in diesem Jahr wieder an.
Zu den bisherigen Konzertorten in und um Bozen kommen neue Spielstätten wie das Ottmanngut in Meran, das Gasthaus Restaurant Jocher am Vigiljoch in Lana und mit dem Rittner Horn auch schlicht ein Berg.
Besondere Highlights werden wohl eine mehrtägige musikalische Hüttenwanderung und die vom Bassisten Lukas Kranzelbinder gestaltete Konzertperformance „Kabarila“ sein – ein fünfstündiges, ohne Pause durchimprovisiertes Jazz-Trance-Ritual.
Stefan Pieper
Sommerliche Musiktage Hitzacker
Vor dem Krieg hatte das Städtchen zweitausend Einwohner. Mit dem Zustrom von Flüchtlingen – darunter etliche Musiker – verdoppelte sich die Bevölkerung. Auf der niedersächsischen Seite der Elbe gegenüber Mecklenburg gelegen, veranstaltete man hier 1946 die ersten Sommerlichen Musiktage Hitzacker, „um an der Grenze des freien Deutschland eine Hochburg edelster deutscher Kultur“ zu errichten. Anfangs von der Stadt getragen, wird das Festival seit 1951 von einem bürgerschaftlichen Verein veranstaltet. Geboten werden alte und neue Kammermusik, Lieder, Jazz und Improvisationen von internationalen Kapazitäten und jungen Talenten. Klassik und zeitgenössische Positionen werden seit 1973 durch Kompositionsaufträge in Dialog gebracht. Und seit 1985 kommt ein Composer in Residence in die Provinz. Unter dem Motto „Themen.Los!“ gastieren dieses Jahr vom 27. Juli bis 4. August die renommierten Streichquartette Fauré , Jerusalem und Kuss sowie sieben junge Quartette und bekannte Solistinnen und Solisten wie Sarah Maria Sun, Veronika Eberle, Anna -Thal-bach, Markus Becker, Alexander Lonquich und andere. Konzerte gibt es an etablierten Spielstätten, ungewöhnlichen Orten und im Freien. Hinzu kommen Workshops, Vorträge, Künstlergespräche, öffentliche Proben und Kursangebote für Laienmusizierende. Geleitet werden die Musiktage seit 2016 von Oliver Wille, dem zweiten Geiger des Kuss Quartett und Professor für Kammermusik an der Musikhochschule Hannover.
Rainer Nonnenmann
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