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Foto: © Elvira Labeth

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Musical-Uraufführung als politisches Statement für Kultur und Bildung

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Zum Jubiläum ihres 50-Jährigen hat sich die Kreismusikschule Cloppenburg selbst ein ganz besonderes Geschenk gemacht: sie hat sich von Tobias Schütte (Musik) und Klaas Schramm (Libretto) ein Musical schreiben lassen und dies als Gemeinschaftsproduktion von Schülern und Lehrkräften des Musikschule gemeinsam mit dem Cloppenburger Kinderchor unter der Regie von Martin Kammer aufgeführt. Am 6.10.2023 fand in Löningen, einem von vielen Unterrichtsstandorten im Landkreis, die Welturaufführung statt.

Die Geschichte des Musicals thematisiert die immer wieder aufkeimende Diskussion über den Wert von Musik – und wie er sich „berechnen“ lässt.

Jojo und seine Freunde lieben es, selbst Musik zu machen und holen sich dafür Unterstützung in der Musikschule beim Instrumentalunterricht und im Chor. Jojos Schwester dagegen, verhärtet durch einen persönlichen Verlust, lehnt Singen und Musizieren als Zeitverschwendung und sinn- und ziellose Beschäftigung ab, nennt die Musikschule einen „Subventionsbetrüger“. Es kommt zur Schließung der Musikschule, der Musikvereine und anderer kultureller Einrichtungen. Die Menschen werden überwacht und trauen sich nicht mehr zu singen. Doch dies hat Auswirkungen auf ihr persönliches Wohlempfinden und gipfelt in Jojos Zusammenbruch, der seine Schwester derart erschüttert, dass sich die Geschichte zum Guten kehrt und sich die verhärteten Musikgegner auf der Bühne wieder der Musik zuwenden.

Was hier am Ende gut wird und dem Format des Musicals mit einem Happyend Rechnung trägt, thematisiert anhand der Figuren nicht nur, was kulturpolitisch allzu häufig nicht gut wird: der Stellenwert von Kultur und Bildung lässt bei politisch Verantwortlichen, vor allem auf der Landesebene regelmäßig sich widersprechende Handlungsmuster erkennen, wenn es darum geht, die Statements der Sonntagsreden in eine gesellschaftlich gewinnbringende Realität zu überführen. Durch die enge Zusammenarbeit von Komponist, Librettist, Regie und Gesamtleitung bis zur Uraufführung, war es außerdem möglich durch zusätzliche Songs und die szenische Umsetzung auf die erschreckende Entwicklung hinsichtlich der Akzeptanz rechter und menschlichkeitsfeindlicher Parolen in der Gesellschaft im Verlauf der vergangenen zwei Jahre zu reagieren. Mahnungen, die hoffentlich nicht ungehört verschallen.

Das Musical wurde von Kindern und Jugendlichen des Kinderchores Cloppenburg, unter der Leitung von Franziska Lück, mit beachtlichem schauspielerischem Talent und viel Freude am Spiel auf die Bühne gebracht – unbeschwert und gewitzt, mit starken, klaren Stimmen, die oft auch solistisch im Einsatz waren.

Das Orchester unter der Leitung von Musikschuldirektor Ulrich Schmidt machte vom ersten Ton an deutlich, welchen Wert Musik für Menschen haben kann. Die ganze Aufführung machte deutlich, wie stark die gemeinsamen Proben alle Akteure (Sänger und Instrumentalisten) miteinander verbunden haben. Gesang und Instrumentalspiel wurden zu einer Einheit: mystische Schwebeklänge ließen den zarten, zerbrechlichen Charakter einer Rolle hervortreten, stark rhythmisierte Motive unterstützten die Sängerinnen bei scharf akzentuiertem Sprechgesang.

Eine besondere Überraschung stellte das Bühnenbild dar: statt aufwendiger Kulissen, die den Rahmen der Vorbereitung gesprengt hätten, setzte man auf Minimalismus mit „persönlicher Note“: Neben einigen wenigen Requisiten wurden im Laufe der verschiedenen Szenen Fotos und Videos aus der im Publikum bekannten Kreisstadt Cloppenburg und dem Haupthaus der Musikschule auf die Rückwand der Bühne projiziert. Diese derart personalisierte Aufführung nahm das Publikum auf sehr besondere Weise mit in die Geschichte hinein und war sehr anrührend.

Ein wunderbares und zugleich mahnendes Geburtstagsgeschenk – und ein Musical, dem ein langes Leben mit vielen Aufführungen auch durch andere Musikschulen zu wünschen sei!