Wäre er Tenor gewesen: die Feuilletons hätten ihm ihre erste Seite gewidmet. Jetzt kamen und kommen die Nachrufe etwas später und etwas kleiner. Doch auch in der Erinnerung ragt Sir Donald heraus …
Wasser …
Von vielfacher Größe – Zum Tod von Bassbariton Donald MyIntyre
Donald McIntyre saß im Münchner Nationaltheater nicht in einer der vorderen Reihen. Er kam aus dem Rang heruntergegangen – und wenn man ihn ansprach, schaute er erst mal auf einen herab – und wenn man ihm für die vielfältig-eindringliche-unvergessliche Charakterisierung von Wotans (sonst oft „sich-lang-hinziehender“) Lebensbeichte im 2. Akt „Walküre“ und seine differenzierte Charakterisierung dankte, lächelte er mit einem „Ja, da gibt es aber auch viel zu charakterisieren! Thanks!“
All das war ihm nicht in die Wiege gelegt: 1934 in Auckland, Neuseeland, geboren, wuchs er ohne frühe oder häufige Opernbesuche auf – mit einer Mutter, die Geige spielte, also feiner Musik, und dazu viel Schallplatten und Radio-Übertragungen. Das Singen begann nebenbei, neben dem Studium als Lehrer und zunächst in neuseeländischen Oratorien-Aufführungen. Als er mit 21 Jahren erstmals Oper in Auckland erlebt, zündete ein Feuer, woraufhin ihm sein Gesangslehrer ein Stipendium an der renommierten Guildhall School of Music in London vermittelte. Trotz seiner imposant-hochgewachsenen Erscheinung begann die Karriere höchst gesund an der Welsh National Opera in Cardiff; dann folgte nicht etwa Covent Garden, sondern die Sadler’s Wells Opera – mit vielen Partien in englischer Sprache. Doch Stimme und Bühnenerscheinung fielen auf – auch dem als Impresario höchst findigen Wolfgang Wagner – und so debütierte McIntyre 1967 als Telramund bei den Bayreuther Festspielen; das war ein erstes „Markenzeichen“.
Noch mehr fiel McIntyres intensives Rollenporträt in einem Markstein der Schallplattengeschichte auf: als Pierre Boulez 1969/70 Debussys bislang unterschätztes Werk „Pelléas et Mélisande“ als „Drama der Grausamkeit“ neu etablierte und Donald McIntyre neben den anderen Weltstars Golaud als abgründigen Finsterling gestaltete. Kurz darauf beeindruckte er als Klingsor neben Weltstar Gwyneth Jones. Ein Kenner wie Wolfgang Sawallisch holte ihn als Fliegender Holländer. Und es folgte als Krönung: Boulez-Cheréau bestanden auf ihm und führten ihn 1976 ff. im „Jahrhundert-Ring“ Bayreuths als Wotan-Wanderer zu singulärem Format – vokale Größe vom warmherzigen Vater bis zum heroisch-herrisch Scheiternden, immer gepaart mit der meist überragenden Bühnenerscheinung, eben eine exemplarische Figur mit selten zu erlebender „Fallhöhe“.
Alles Weitere ist Aufzählungsstoff in Opern- und Sänger-Lexika: eine Weltkarriere bis über das Jahr 2000 hinaus – auf nahezu allen Bühnen, auf CDs und DVDs – und eben auch uneitel bis zum kleinen „Comprimario“: zum alten Diener, der in „Elektra“ den noch verkleideten Orest erkennt, 2014(!) in Aix-en-Provence … und aus der Miniszene wurde ein stupender Aufführungsmoment …
Es gilt, was die Bayreuther Festspiele jetzt zum Tod des seit 1992 als „Sir Donald McIntyre“ Anzusprechenden, immer lächelnd bescheiden abwehrenden Großen schreiben: „Er war Mentor, Partner und Herzstück unserer Festspiele. Seine Leidenschaft, seine Wärme und seine künstlerische Integrität werden in Bayreuth weiterklingen. Wir verneigen uns in Dankbarkeit vor seinem Leben und Werk.“
- Share by mail
Share on