Eichstätt - Kein Training, keine Konzertproben, kein gemeinsames Singen. Die Corona-Krise hat auch die Musik- und Sportvereine zu einem großen Teil lahmgelegt. Die Funktionäre befürchten, dass viele Mitglieder beim Neustart nicht mehr dabei sind.
Viele Orchester, Chöre und Sportvereine befürchten, dass die Corona-Krise lange nachwirken wird. Einen Hinweis darauf liefert etwa eine Untersuchung, die die Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt unter Chören im deutschsprachigen Raum gemacht hat. Die Chöre erwarteten «einen Schwund an Mitgliedern» für die Zeit nach der Pandemie, berichtet die Uni über die Studie.
Funktionäre von Musik- und Sportvereinen sehen eine ähnliche Tendenz. Der Bayerische Landes-Sportverband (BLSV) zählte zum Jahresende 2020 rund 4,53 Millionen Mitglieder in den Sportvereinen im Freistaat. «Der BLSV hat also durch die Corona-Pandemie rund 100 000 Mitglieder verloren», sagt Präsident Jörg Ammon. Der Deutsche Olympische Sportbund hatte zuvor bereits erklärt, dass bundesweit binnen eines Jahres rund eine Million Sportler ihre Vereine verlassen hätten.
Ähnlich sieht es im Musikbereich aus. Die Eichstätter Hochschule hat zu diesem Thema eine Online-Befragung von mehr als 4300 Chören in Deutschland, Österreich und der Schweiz ausgewertet. Wie Professorin Kathrin Schlemmer berichtet, hätten die meisten Chöre mit Austritten zu kämpfen. «Nur weniger als ein Drittel konnte die ursprüngliche Mitgliederzahl beibehalten», erläutert die Studienleiterin die Ergebnisse.
Besonders dramatisch sei die Lage im Bereich der Nachwuchschöre. Dort existiere «de facto fast jeder achte Kinder- und Jugendchor nicht mehr», berichtet die Musikwissenschaftlerin. Fast 60 Prozent aller Ensembles erwarteten, dass sie in der Zeit nach der Pandemie nicht mehr in früherer Besetzungsstärke weiterarbeiten werden.
Da die Chöre aufgrund des besonderen Infektionsrisikos während der Gesangsproben lange Zeit nicht wie gewohnt zusammen kommen durften, gibt es teilweise Online-Alternativangebote. Ähnlich sieht die Lage bei den Orchestern aus.
Es gebe aber nicht viele Programme, die für das gemeinsame Musizieren geeignet seien, sagt Georg Hettmann, Präsident des Landesverbandes Singen und Musizieren in Bayern, in dem acht andere Verbände gebündelt sind. Mit weit verbreiteten Internet-Konferenzsystemen sei das nicht möglich, erläutert Hettmann. Dort gebe es Verzögerungen bei der Übertragung «und je nach Netz kommt es bei jedem anders an». Als dauerhafter Ersatz für Präsenzproben sieht er die Technik nicht: «Man kann sich nicht wirklich weiterentwickeln.»
In den Verbänden sei die Mitgliederentwicklung ein großes Thema, erklärt Hettmann. «Das macht uns sehr große Sorgen.» Es gebe unter den Mitgliedern die Tendenz, dass diese durch die einjährige Unterbrechung nachdenklich würden. «Die überlegen sich schon, ob sie dann wieder zurückkehren.» Dazu komme das Problem, dass ohnehin nicht mehr so viele Jugendliche wie früher in die Musikgruppen gingen.
Besonders bei den Sängern, die weitgehend älter als 50 Jahre seien, gebe es auch eine Zurückhaltung wegen des Gesundheitsrisikos. Hettmann erwartet, dass bei den Instrumentalisten der Kern der Orchester, der seit Jahrzehnten zusammen spiele, auch nach Corona bleibe. Aber bei den Mitspielern, die kürzer oder eher für Projekte dabei seien, könne es schon sein, «dass die dann abspringen.»
Bei Ensembles oder Chören, die vielleicht nur aus 15 Leute bestünden, könne der Fortgang von einzelnen Mitspielern die Existenz bedrohen. Dies gelte besonders, wenn keine Jugendlichen nachkämen, erklärt der Verbandspräsident. «Dann heißt es: Wenn es nicht mehr geht, dann hören wir eben auf.»