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GEMA-Generalversammlung, öffentlicher Teil. Alle Fotos im Dossier: Martin Hufner

GEMA-Generalversammlung, öffentlicher Teil. Alle Fotos im Dossier: Martin Hufner

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In welche Zukunft kann der Antrag 22a die GEMA führen?

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Statements von Komponist:innen und Verleger:innen zur geplanten Umstellung der Fördergrundlagen
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Die GEMA will ihre Kulturförderung reformieren. Die Pressestelle schreibt zum Hintergrund: „Seit jeher stellt die Solidargemeinschaft der GEMA-Mitglieder einen Teil ihrer Lizenzeinnahmen für eine kulturelle Förderung zur Verfügung. Davon werden wie bisher 30 Prozent für eine besondere Mitglieder-Förderung bereitstehen. Allerdings besteht Reformbedarf, denn derzeit ist diese besondere Förderung nur für die sogenannte ‚Ernste Musik‘, also das ‚Zeitgenössische klassische Repertoire‘ reserviert. Diese starre Bindung wollen wir auflösen, um der gesamten Breite des aktuellen Musikschaffens eine zielgerichtete Förderung zu ermöglichen. Eine solche Umstellung der Fördergrundlagen ist nicht nur zeitgemäß und bildet das aktuelle Musikschaffen umfassend ab, sondern sie ist auch fair im Sinne der Solidargemeinschaft der GEMA-Mitglieder.“ Was ist wahr an diesem Statement? Für die neue musikzeitung stellte Redakteur Martin Hufner vier Fragen an Komponist:innen und Verleger:innen. Hier zunächst die Fragen im Überblick. Die vielfältigen Antworten lesen Sie auf den folgenden Seiten.

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Die vier Fragen

  1. Wenn der Antrag 22a des Vorstands und Aufsichtsrats der GEMA bei der Mitgliederversammlung der GEMA eine Mehrheit finden sollte, welche Autor:innen werden dann Ihrer Ansicht nach begünstigt, welche werden benachteiligt? Wer sind die Gewinner und wer sind die Verlierer dieser GEMA-Kulturreform?
  2. Welche gesellschafts- und kulturpolitischen Folgen für das Musikleben (Konzertvielfalt, Veranstalter-Engagement, Ausbildung) erwarten Sie als Folge der sogenannten „Kulturreform“ der GEMA?
  3. Welche konkreten Auswirkungen der GEMA-Kulturreform befürchten Sie für sich persönlich, in welchem Maße sind Sie selbst betroffen?
  4. Welche konkreten Auswirkungen der GEMA-Kulturreform befürchten Sie für die Organisationen der Autor:innen wie den Deutschen Komponist:innenverband und die GEMA selbst?

Antworten und Statements von Johannes K. Hildebrandt, Mathias Lehmann, Camille van Lunen, Felix Janosa, Sabine Kemna, Ludwig Wright und Claus-Steffen Mahnkopf.

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Die Antworten
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Vier Antworten von Johannes K. Hildebrandt

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1. Der Antrag 22a basiert auf der Idee einer Reform in Verteilung und Förderung innerhalb der GEMA. Bei genauer Betrachtung wird vor allem die Verteilung und Förderung der heutigen E-Musik fundamental verändert. Die meisten anderen Bereiche bleiben aber unberührt. Bedenkt man jedoch den ursprünglichen Ansatz, den Grund für die Reform, erscheint diese Reform mehr als fragwürdig. Die GEMA zukunftsfähig machen zu wollen, ihre Position als Verwertungsgesellschaft in einer globalisierten Welt zu stärken und den Kostensatz senken zu wollen wird so nicht gelingen, denn die E-Musik trägt gerade mal mit 1,3 Prozent zum Gesamtinkasso der GEMA bei.

Dass man mit einer Reform dieses winzigen Bereichs die GEMA in ihrer Gesamtheit zukunftsfähiger machen will ist einfach lächerlich. Die Trennung von U und E ist da Nebensache, wird aber als Grund missbraucht. Natürlich ist die E-Musik auf Quersubventionierungen innerhalb der GEMA angewiesen. Ohne diese wäre sie alleine nicht existenzfähig. Und genau um Einsparungen in Form von Umverteilungen geht es bei dieser Reform. Die großen Verlierer sind die Komponistinnen und Komponisten der E-Musik. Wie und wohin die hier abgezogenen Mittel genau fließen sollen ist nebulös. Zwar sollen künftig auch experimentelle Formen der U-Musik gefördert werden, was zu begrüßen ist, aber es bleibt zu befürchten, dass die Gewinner bei der Sache die sind, die schon heute zu den Gewinnern zählen.

Abgesehen davon wird die Trennung E-U nicht wirklich aufgehoben, E heißt jetzt nur KuK (aber finanziell extrem reduziert) und alles andere ist in einer unklaren Fokus Kulturförderung. Interessant ist, dass zur Verwendung nicht abgerufener Mittel im Antrag steht: „Über die Verwendung nicht abgerufener Mittel aus der „Fokus-Kulturförderung“ entscheidet der Aufsichtsrat im Rahmen des Gesamtkontexts der sozialen und kulturellen Förderung der GEMA.“

2. Die Folgen für das Musikleben allgemein sind noch gar nicht abzuschätzen. Es wird zu erheblichen Einbrüchen kommen und den Druck durch stark sinkende öffentliche Kulturförderung auf diese Musikszene verstärken.

Die nächsten Generationen werden darunter leiden, die Attraktivität eines Studiums an deutschen Musikhochschulen sinkt und es wird letztlich zu einem Absterben vieler Konzertreihen und kleiner Fes­tivals kommen, denn viele Komponistinnen und Komponisten gehen hier oftmals mit erheblichen Eigenleistungen und Eigenmitteln hinein. Langfristig werden diese Auswirkungen die GEMA selber mit voller Wucht treffen.

3. Die konkreten Auswirkungen auf mich kann ich nicht beziffern. Es fehlen bisher komplett die sonst üblichen Beispielrechnungen, die eigentlich vor derartigen Einschnitten gemacht werden. Abgesehen davon fehlen unzählige Informationen zu Detailfragen künftiger Verteilung und Förderung. Nach Angaben der GEMA belaufen sich die Verluste in der bisherigen Förderung für den „Mittelstand“ auf 70 Prozent. Bedenkt man jedoch, dass die Umstellung auf eine inkassoorientierte Verteilung noch dazu kommt, können Komponisten wie ich mit einem Verlust von bis zu 90 Prozent rechnen. Und damit geht es für die freischaffenden Komponistinnen und Komponisten um die pure Exis­tenz.

Man kann über die Trennung von U und E und ihre Neuausrichtung in der Förderung diskutieren. Es bleibt jedoch unklar, weshalb die Verteilung in E nun inkassoorientiert geschehen soll und nicht mehr wie bisher kollektiv solidarisch. Hier gibt es keine Quersubventionierung aus U. Es liegt auf der Hand, dass hier vor allem die Aufgeführten der großen Veranstaltungen profitieren, die, die nicht mehr unter uns sind. Das wirkt wie ein Deal, denn die Rechtsnachfolger sind dafür bei KuK raus, aber ein schlechter Deal für die Lebenden. Hier machen die internationalen Verlage das Geschäft bei der Sache.

4. Der Urgedanke der Gründungsväter der GEMA war, dass jedes Mitglied für eine Werkaufführung die gleiche Vergütung erhält. Diese Solidargemeinschaft zerbröselt schon seit Jahren zunehmend. Hinzu kommen ein weltweit einzigartiges Fördersystem, eine sehr exakte Erfassung von Konzertprogrammen und damit eine verlässliche Verteilung, die den Glanz erzeugt hat, die diese GEMA noch umgibt. Und sie ist stark, weil genau deshalb Mitglieder die GEMA suchen und auch internationale Partner davon profitieren. Das alles wird die GEMA verlieren, ebenso ihre gesellschaftliche Anerkennung, die wiederum extrem wichtig ist für die Erhaltung eines starken Urheberrechts durch die Rückendeckung in der Gesellschaft.

Die Verantwortlichen dieser Reform spielen hier mit dem Feuer. Die GEMA wird zu einer Inkassogesellschaft mutieren und keine Spuren mehr hinterlassen. Diese Spuren sind herausragende Komponistinnen und Komponisten, die heute die Welt kennt, die es ohne die GEMA nie geschafft hätten zu dem zu werden, was sie sind, nämlich gleichzeitig Aushängeschilder der GEMA und unseres breiten Musiklebens überhaupt in Deutschland und der Welt. Dafür wurden wir in der Welt beneidet. In Zukunft zählt nur noch das, was Geld bringt und die GEMA macht sich zum willigen Handlanger globaler Konzerne. Der Deutsche Komponist:innenverband hat wie kaum eine andere Organisation die GEMA geprägt. Die Basis dieses Verbandes ist der gleiche Solidargedanke.

Ich mache mir große Sorgen um diesen Verband und befürchte, dass er auseinanderbrechen könnte und in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, wenn dieser Solidargedanke auch hier ein Ende findet. Der DKV ist eng mit der GEMA verbunden. Aber manchmal ist zu große Nähe auch problematisch. Der DKV hat lange in die GEMA hinein gewirkt. Heute wirkt die GEMA in den DKV, lähmt und spaltet ihn.

  • Johannes K. Hildebrandt ist Komponist und seit 2007 Mitglied des Bundesvorstandes des Deutschen Komponist:innenverbands. Weiter ist er Mitglied des Bundesfachausschusses Neue Musik des Deutschen Musikrates und seit 2009 beratendes Mitglied des GEMA-Programmausschusses.
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Verarmtes Kulturleben? Statement zur GEMA-Kulturreform von Mathias Lehmann

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Die Frage, wer die Gewinner:innen und wer die Verlierer:innen der geplanten „GEMA-Kulturreform“ sind, ist pauschal gar nicht so einfach zu beantworten, denn letztlich umfasst der „Antrag 22a“ zwei ganz unterschiedliche Teile, die jeder für sich ganz unterschiedliche Auswirkungen haben:

Der erste Teil des Antrages betrifft gar nicht die Kulturförderung, sondern die Tantiemenverteilung für Live-Konzerte in Deutschland im E-Bereich. Hier soll von einer werkbezogenen auf eine inkassobezogene Verteilung umgestellt werden: Bekam bisher jedes Stück mit vergleichbarer Dauer und Besetzung unabhängig vom Rahmen der Aufführung die gleichen Tantiemen, wird in Zukunft nicht mehr das Werk, sondern das Aufführungsinkasso im Mittelpunkt stehen. Die GEMA-Verwaltung begründet dies mit dem Begriff „Gerechtigkeit“: dass es nicht gerecht sei, wenn Aufführungen mit einem hohen Inkasso nicht auch mehr Tantiemen bekommen als Aufführungen mit einem niedrigen Inkasso.

Die Frage, warum eine „Inkasso-Gerechtigkeit“ einer „Werk-Gerechtigkeit“ vorzuziehen sei, erschließt sich mir nicht. Ergebnis dieses Teils des Antrages wird sein, dass innerhalb des E-Bereichs Werke profitieren, die vorwiegend in großen Sälen mit viel Publikum gespielt werden – in erster Linie also großes (noch) urhebergeschütztes Standardrepertoire. Deutlich schlechter gestellt werden demgegenüber Werke, die auf Konzerten mit niedrigem Inkasso gespielt werden oder an Orten, die Pauschalverträge mit der GEMA geschlossen haben, wie Hochschulen oder Musikschulen. Benachteiligt werden hier also weite Teile der experimentellen zeitgenössischen Musik sowie Werke von Komponist:innen der jüngeren und der mittleren Generation.

Der zweite Teil des Antrag 22a betrifft dann die Kulturförderung. Finanzielle Gewinner:innen wird es wahrscheinlich kaum geben, da die Geldsumme, die nicht mehr der Förderung der zeitgenössischen E-Musik zugeschlagen wird, sondern allgemein und „genre­übergreifend“ verteilt werden soll, lediglich etwa 1 Prozent der Summe ausmacht, die die GEMA insgesamt verteilt. Die für den kleinen E-Bereich relevante Summe verliert sich im viel größeren Inkasso, das die U-Musik generiert.

Die Verlierer:innen sind da leichter zu benennen: die zeitgenössischen Komponist:innen der E-Musik sowie die Verlage, die schwerpunktmäßig dieses Repertoire vertreten. Denn die Summe, die in Zukunft für die Förderung der E-Musik (zukünftig „KuK-Förderung“) umfasst, soll um etwa 2/3 reduziert werden. Innerhalb dieses Topfes soll dann zwar ein System geschaffen werden, das eher kleinere und experimentellere Formate sowie Werke von Nachwuchs-Komponist:innen fördert als das große „Standard-Repertoire“ der neueren E-Musik. Aufgrund der deutlich kleineren Gesamtsumme, die hierfür in Zukunft zur Verfügung stehen wird, stellt sich aber lediglich die Frage, wer „etwas weniger“ und wer „viel weniger“ bekommt.

Zum jetzigen Zeitpunkt noch völlig unklar ist, wer die 2/3 der vormaligen „E-Wertung“ erhalten wird, die dieser abgezogen wurde. Sie soll in eine „genreoffene Kulturförderung“ fließen. Um zu bestimmen, was das genau sein soll, wie und an welche Bereiche die Gel­der verteilt werden und ob und in welchem Umfang auch E-Musik in diesem Bereich gefördert wird, soll aber erst in einem Jahr ein Ausschuss gewählt werden, der das festlegt. Beschlossen werden soll diese „Katze im Sack“ aber bereits jetzt. Was die konkreten wie kulturpolitischen Folgen für das Musikleben betrifft, so ist zu vermuten, dass diejenigen Komponist:innen, die es verhandeln können, ihre Kompositionshonorare hochsetzen werden, um die niedrigeren Tantiemen zu kompensieren. Das führt dann aber dazu, dass in der Summe weniger Kompositionsaufträge vergeben werden. Verlage werden die Kaufpreise und Leihgebühren des Notenmaterials erhöhen, um die niedrigeren GEMA-Tantiemen zu kompensieren. Diejenigen, die das nicht können/wollen, werden noch weniger, als bereits jetzt schon, von ihrer Arbeit leben können. Viele Komponist:innen werden also aufhören oder ihre Arbeit nur noch als „Hobby“ weiter praktizieren, viele Verlage werden schließen oder Leistungen reduzieren.

Das schlägt natürlich auch auf die Veranstalter:innen zurück: Wenn Konzertveranstaltungen aufgrund höherer Kompositionshonorare und Notenkos­ten teurer werden, wird es im Bereich der freien Szene und der mit Projektgeldern geförderten Konzerte weniger Veranstaltungen geben. Freie Ensembles werden aufgeben. Das Experimentelle wird marginalisiert, das Kulturleben – in allen Bereichen – seinen Fokus auf Großveranstaltungen hin verengen.

  • Der Autor ist seit 2006 Geschäftsführer der Edition Juliane Klein und war bis 2023 Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Neue Musik (GNM).
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Abschied von der GEMA – Statement zur GEMA-Kulturreform von Camille van Lunen

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1. Bereits bekannte Autoren, deren Werke an bekannten Veranstaltungsorten (u.a. künftige KUK Veranstaltungsorte) gespielt werden, sind die Gewinner. Die Verlierer sind junge Komponist:innen, die noch nicht etabliert sind, und zusätzlich alle kreativen Menschen, die dem Mainstream nicht folgen, weil sie frei von kommerziellen Zwängen arbeiten wollen (ver­glichen mit reiner Wissenschaft, zweifelt jemand daran, dass diese unterstützt werden muss?).

2. Die vielen Musikensembles für neue Musik (in allen Genres) sind ebenfalls Verlierer, denn wenn Komponist:innen in ihrer Kreation nicht mehr grundlegend unterstützt werden, werden sie nicht mehr schreiben. Für diese Komponist:innen bedeutet dies auch eine existenzielle Not: um zu überleben müssten sie parallel einen anderen Beruf ausüben (was viele bereits tun, in Deutschland leben nur sehr wenige ausschließlich von ihren Kompositionen).

Es würde sich nicht mehr lohnen, sich als Komponist auszubilden. Die Kompositionskurse an den Musikhochschulen sind dann nicht sehr attraktiv. Dies hat erhebliche Konsequenzen für das Musikleben und Lernen an solchen Instituten und für die Attraktivität im Ausland. Was die Vielfalt der Konzerte betrifft, sehe ich die Gefahr, dass diese Reform, die in Zukunft ein Werk nach Nutzung und Dauer und nicht mehr nach Besetzung bewerten / unterstützen wird, zu einem Verlust der Vielfalt führt. Ein Verlust von Farben, Formen, Emotionen, technischen Möglichkeiten und Fähigkeiten: die wichtigsten Komponenten einer Komposition.

Lohnt es sich immer noch, für größere Besetzungen zu schreiben? Es lohnt sich eher lange Werke für kleine Besetzungen zu schreiben. Insgesamt führt dies zu Verarmung und Standardisierung. Wie attraktiv wird das für ausländische Komponist:innen und Verlage?

3. Ich gehöre zu der Gruppe, die nicht dem Mainstream folgt, und würde mich natürlich sehr freuen, wenn meine Werke gleich bewertet werden, egal ob sie in der Kölner Philharmonie oder in der Provinz an unbekannteren Orten erklingen. Ist es nicht die Aufgabe der GEMA, Werke der Neuen Musik unabhängig vom Aufführungsort zu unterstützen oder die Verbreitung und Akzeptanz aller neuen Trends in der Musik sicherzustellen? Sollten Werke bei Auftritten an unbekannteren Orten nicht besonders unterstützt werden?

4. Sollte die GEMA eine Gruppe Komponist:innen nicht mehr repräsentieren und unterstützen, wird diese Verwertungsgesellschaft für diese nicht mehr attraktiv.

Der Deutsche Komponist:innenverband (DKV) ist ein solidarischer Verband, der viele sehr unterschiedliche Komponist:innen vertritt und unterstützt. Die Reform würde einige von ihnen begünstigen oder benachteiligen und zu Unsicherheit und Ungerechtigkeit innerhalb des Verbands führen. Daher appelliere ich an den Aufsichtsrat und den Vorstand der GEMA, in Kooperation mit dem DKV, den Verlagen und anderen wichtigen Akteuren, an den Tisch zurückzukehren, um Lösungen für diese notwendige Reform* zu finden, die die Komponist:innen und ihre Werke in all ihren Facetten schützen, unterstützen und fördern; – wie einige indianische Stämme sich vor der Verabschiedung neuer Gesetze fragten, wie diese nach sieben Generationen aussehen würden, und so lange darüber nachdachten und diskutierten, bis ein Konsens vereinbart wird.

Nachtrag: Zu der notwenigen „Vereinfachung des Verteilungsprozess“ (Siehe Reformvorhaben S. 48) erlauben Sie mir eine Frage: wie kann bei einem zu hohen Arbeitsaufkommen die Lösung darin bestehen, Kunstschaffenden Gelder zu streichen, statt nach Optimierungen in den Abläufen zu suchen? Wäre dies mit Hilfe von KI möglich? Eventuell wäre auch die Einbindung von Mitgliedern sowie eine Überarbeitung der „aufwändigen manuellen Prozesse“ ein Ansatz (z. B. Delegierte einbeziehen oder Einzelpersonen durch Schulungen vorbereiten).

  • Die Autorin ist Komponistin sowie 1. Vorsitzende des Deutschen Komponist:innenverbands/NRW.
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Überfällige Reform – Felix Janosa zur GEMA-Reform

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1. Gewinner bei einer neu geregelten Verteilung und Förderung (die ich im Übrigen seit 30 Jahren für überfällig hielt und staune, dass sie hoffentlich jetzt doch noch zu Stande kommen wird) sind immer die, die sich auch um ihre Verteilungen und Förderungen kümmern und viel Zeit in die Lektüre von GEMA-Regeln investieren, verstehen, durch welche Meldungen, Anträge und sogar Tricks man an Geld kommt.

Ich befürchte, dass die Krux im Detail liegt – nämlich in der korrekten Meldung der neu eingerichteten KUK-Konzerte, der Beantragung einer Leis­tung.

Land der Antragssteller

Deutschland ist das Land der Bittsteller. Über die Jahre habe ich mir deswegen eine stoische Haltung angewöhnt, die mich über den möglichen Verlust von GEMA-Tantiemen hinwegtröstet: Entweder ich bin ein Komponist und komponiere oder ich kümmere mich um die GEMA.

2. Ehrlich gesagt, keine besonderen. Fehlendes staatliches Geld für Kultur, mangelndes kulturelles Interesse, schwindende Zuschauerzahlen bei Konzerten, Rückgang von jungen Menschen, die noch ein Instrument erlernen, der Einbruch von KI in die Musikproduktion, Ideenlosigkeit bei Veranstaltern und Kultur-Politikern sind viel gewichtigere Faktoren, die die Musikszene der Zukunft herausfordern.

Unterbewertet?

3. Ich selbst hätte mir für meine eigene Musik, die genau auf der Kante zwischen U und E ist, irgendwann in den letzten 40 Jahren eine derartige Reform gewünscht, denn oft fühlte ich mich „unterbewertet“, Anträge auf E-Einstufung mancher Werke wurden von der GEMA abgelehnt. Für mich persönlich hat die Kulturreform nun keine Auswirkungen mehr.

  • Der Autor ist Komponist, Pianist, Kabarettist, Produzent und Autor. Seine bekanntesten Kompositionen sind die Songs der Musik-CDs zu den Kinderbüchern um den Ritter Rost und Prinzessin Bö von Jörg Hilbert und Felix Janosa.
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Unabsehbare Folgen für die Verlierer – Sabine Kemna zur GEMA-Reform

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In der Hoffnung, diese Katastrophe abwenden zu können, haben wir folgenden Antrag eingebracht:

In der Mitgliederversammlung der GEMA 2025 werden keine Beschlüsse zur „Reform der GEMA Neuausrichtung der Kulturförderung und Verteilung im Live-Bereich“ getroffen. Aufsichtsrat und Vorstand werden beauftragt, eine paritätisch besetzte Arbeitsgruppe aus Vertreter:innen der Kurien und verschiedener Berufs- und Fachverbände einzusetzen, die der Mitgliederversammlung 2026 einen ausgearbeiteten Reformplan vorlegen wird.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppe sollen regelmäßig tagen und die Zwischenergebnisse mit ihren jeweiligen Verbänden beraten. Die jeweiligen Vertreter:innen der Berufs- und Fachverbände werden von den Verbänden benannt und müssen ordentliche Mitglieder sein.

Hoffen wir, dass dieser anstelle des Antrags des Vorstands und Aufsichtsrates beschlossen wird.

Gerne beantworten wir Ihre Fragen:

1. Soweit es jetzt schon zu überblicken ist, werden die deutschen Autor:innen und Musikverlage am Ende zu den Verlierer:innen gehören. Die großen Gewinner werden die internationalen „Big Three“ sein: Universal, Sony und Warner. Bei Durchführung der aktuellen Pläne werden die Einkünfte in Deutschland dermaßen sinken, dass die Generation der aktuell Studierenden und die Musikverlage, die klassische E-Musik verlegen, keine Chance mehr hätten, je ordentliches Mitglied in der GEMA zu werden. Doch auch die Älteren könnten verarmen: Die vorgeschlagenen Änderungen könnten sich dramatisch auf die Alterssicherung und die GEMA-Sozialkasse auswirken… Wird es am Ende überhaupt noch eine GEMA-Sozialkasse geben?

2. Das ist in seinen gesamten Folgewirkungen noch gar nicht absehbar – zu befürchten ist aber ein Kahlschlag im deutschen Musikleben. Eine vielfältige Kulturszene wird es dann nicht mehr geben.

3. Die GEMA will die E-Musik komplett abwickeln – und damit ein wertvolles und schützenswertes Kulturgut in Deutschland. Der Furore Verlag wird zu den Verlierern gehören, da 100 Prozent des Repertoires E-Musik sind. Die Folgen sind im Konkreten für uns noch gar nicht absehbar. Wir hoffen, dass der von uns unterstützte Antrag 22b verabschiedet wird, in dem Aufsichtsrat und Vorstand beauftragt werden, eine paritätisch besetzte Arbeitsgruppe aus Vertreter:innen der Kurien und verschiedener Berufs- und Fachverbände einzusetzen, die der Mitgliederversammlung 2026 einen ausgearbeiteten Reformplan vorlegen wird.

4. Den Organisationen wird es an Nachwuchs und Mitgliedern mangeln (s. o.) und wenn bei der GEMA zukünftig nach dem „the winner takes it all“-System gearbeitet wird, verliert sie ihre Legitimation. Schließlich ist die kulturelle Förderung als Aufgabe der GEMA im Verwertungsgesellschaftengesetz in § 32 festgeschrieben. Die jetzt geplante Sparte KUK („Kunstmusik-Konzerte“) hat alle Chancen der Welt, ein Bürokratiemonster zu werden, von dem am Ende niemand etwas hat.

  • Die Autorin ist Verlegerin im Furore Verlag und Leiterin des Wahlausschusses der Verleger:innen in der GEMA.
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Gestaltungsspielräume nutzen – Statement zur GEMA-Kulturreform von Ludwig Wright

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Die historische Tragweite der Reform der Kulturförderung der GEMA und Verteilung im Live-Bereich der Sparte E ist enorm. Alle Mitglieder der GEMA, der Verwertungsgesellschaft der musikalischen Urheber:innen, der ich selbst seit 2016 angehöre, schreiben hier Geschichte. Seit Präsentation der Reform bei der ersten Info-Veranstaltung im Januar 2025, ist das Vorhaben einen langen Weg gegangen. Der Aufsichtsrat und Vorstand aber vor allem die verantwortlichen Teams in der GEMA-Verwaltung haben hart daran gearbeitet, einen in vielen Teilen ausgeglichenen Kompromiss zu entwickeln.

Als hauptsächlich Folksänger und -schreiber finde ich es gut, die Begriffe „Ernste und Unterhaltende Musik“ zu überwinden. Auch alle Menschen, mit denen ich bisher gearbeitet habe – von zeitgenössischen Komponist:innen über Filmmusikschaffende, bis zu Akteuren im Pop – finden diese Begriffe anachronistisch und keine hilfreiche Kategorisierung des Musikschaffens.

Bisher wurden Veranstaltungen in der Sparte E (Ernste Musik) kollektiv verteilt. Alle Werke bekamen unabhängig des Aufführungskontextes (beispielsweise von der Publikumsgröße) die gleichen Tantiemen ausgeschüttet. In der Sparte U (Unterhaltende Musik) sind die Ausschüttungen an die Einnahmen einer Live-Veranstaltung geknüpft. Bei einer Weiterreichung der Tantieme spricht man prinzipiell von einer Direktverteilung.

Der Abschaffung der kollektiven Verteilung in der Sparte E kann ich argumentativ folgen, vor allem weil es transparenter und nachvollziehbarer sein kann, die Verteilung und Förderung voneinander zu trennen. Die Sparte E soll in einem Tarif und einer Sparte namens KUK (Kunstmusik-Konzert) aufgehen, dem dann auf Förderungsseite ein KUK-Zuschlag zugutekommt. Dieser Zuschlag ist werkabhängig und soll als Ersatz der kollektiven Verteilung dienen. Das 150-Euro-Mindestaufkommen für diesen KUK-Zuschlag sehe ich als unproblematisch an. Es gibt einige Mindestvoraussetzungen in der GEMA, bei denen man bereits semi-professionell Musik schaffen muss, um beteiligt zu werden. Wenn man Ambitionen hat, wird man das erreichen.

Die Wertung E wird in ein allgemeines Wertungsverfahren umgewandelt, auf Basis der Wertung U. Weiterhin werden das Gesamtschaffen vom Wertungsausschuss belohnt und Mitgliedsjahre angerechnet. Ich finde es gut, dass Rechtsnachfolger:innen nicht mehr beteiligt werden. Kompositionen von lebenden Urheber:innen sollen direkt gefördert werden, statt Systeme zu füttern, die auf Gutwillen beispielsweise Kompositionsaufträge an einen kleinen Kreis vergeben. Außerdem wird ein Fokus-Kultur-Ausschuss aus Reihen der Mitglieder gewählt: Meines Erachtens ein demokratisches Gremium mit Transparenzpflicht gegenüber der Mitgliedschaft. Diese bestimmt Kriterien für eine Kulturförderung und entscheidet nicht über einzelne Werke oder Genres. Das ist viel besser als eine erweiterte Verteilungsplankommission, die vom Aufsichtsrat berufen wird. Denn diese Wahl wird nicht kommuniziert und die Kommission tagt intransparent.

Natürlich kann eine so große Reform nicht bereits alles umfassen. Es gibt noch viel Gestaltungsspielraum in Form der dynamischen Fokus-Kulturförderung und der Einzelförderung. Da müssen wir uns alle informiert einbringen. Debatten gehören zum demokratischen Prozess, genauso wie Kompromissbereitschaft. Ohne Polemik mit klaren Ansagen, lässt sich dieser Prozess effizient verfolgen.

  • Der Autor ist Delegierter der außerordentlichen Mitglieder der GEMA, Vorstandsmitglied des Deutschen Komponist:innenverbandes und Mitglied des Bundesfachausschusses Zukunftswerkstatt des Deutschen Musikrats.


 

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Hundertjähriger Frieden – Statement von Claus-Steffen Mahnkopf

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Jedes Jahr wird von der GEMA in Berlin der Musikautor*innen-Preis verliehen. Jedes Mal ein Ehrenpreis, einmal für jemanden aus dem E-Bereich oder U-Bereich, immer abwechselnd. Denn die GEMA ist für beide Bereich da. Sollte man meinen. Aber man spürt: Die Vertreter des U-Bereichs, längst in der Mehrheit, allein schon deswegen, weil immer ein Team und nicht ein Einzelschöpfer bedacht wird, möchten diese Gleichbehandlung nicht. Warum jedes zweite Jahr ein Ehrenpreis für eine Minderheit, in der GEMA wie im Konzertleben? Seit 25 Jahren wird gemunkelt, schwebte das Damoklesschwert über der Förderung des nun einmal bedürftigeren E-Bereichs: Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mehrheit die Minderheit entmachtet.

Wenn der Vorstand von „nicht zeitgemäß“, von breiter Basis oder Solidarität spricht, glaube ich kein Wort. Ich fühle mich davon nicht vertreten. Ich wurde auch nicht in den Meinungsbildungsprozess einbezogen. Es ist eine feindliche Übernahme durch den neo­liberalen Geist. Geld zählt, nicht die Musik. Dabei kann es nur Verlierer geben, und zwar weit über die E-Komponisten hinaus. Das ganze deutsche Musiksystem wird demontiert, das betrifft Verlage, Musikschulen, Musiker, Komponisten und Veranstalter. Ich verstehe nicht, warum der Vorstand derart Musik und die weltweit bewunderte deutsche Musikkultur hasst. Die neue Regelung zerstört die Musik selbst.

Daher möchte ich diese Prinzipien erinnern.

  1. Demokratie ist nicht nur die Herrschaft der Mehrheit, sondern auch der Schutz der Minderheit. Der sogenannte E-Musik-Bereich ist in der Minderheit und sollte auf Augenhöhe behandelt werden. 
  2. Europäische Kunst seit der Renaissance wurde immer extra gefördert, querfinanziert, wenn man so will: subventioniert. Kunst rechnet sich zunächst nicht, auf lange Sicht aber schon. Das gilt auch für die Musik.
  3. Die einzige Orientierung an kommerziellem Erfolg ist der Tod der Kunst und auch der Musik. Man kann in Italien und den USA den Niedergang der Musik sehen, nachdem die öffentliche Hand zurückgezogen wurde. Und auch bei uns wird das Niveau Stück für Stück abgebaut. Ich denke nicht an nur das Klassikradio, sondern auch an BR Klassik, wo nur noch Häppchen serviert werden – zum Genießen und Entspannen.
  4. Die allermeiste Musik ist Unterhaltungsmusik, auch vieles von dem, was unter Klassik läuft (André Rieu et cetera, eben auch diese sogenannten Klassiksender). Der Name „Ernste Musik“ war immer etwas verunglückt. Ernst ist Musik, weil bei ihr, anders als im Theater oder Kino, nicht gelacht wird. Man müsste „E-Musik“ Musik mit Kunstanspruch nennen. Kunstanspruch heißt: sehr viel Arbeit (man denke an ein Orchesterstück mit 100.000 Noten et cetera), Originalität der Musiksprache, subjektive Notwendigkeit, Abwesenheit von kommerziellen Interessen. 
  5. Definieren wir Kunst mit Kant: Es erweckt ein interesseloses Wohlgefallen. Sie ist nicht für uns da, wir sind für sie da. Sie ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Wir müssen an ihr wachsen, uns bilden, auch belehren lassen. Wir müssen staunen. Wir müssen akzeptieren, dass wir vielleicht das Stück zehnmal hören müssen, um es zu verstehen und zu lieben. Kunst ist nichts für das eine Mal.

Ich bezweifle, dass der Vorstand diese Prinzipien beherzigt. Die GEMA, übrigens gegründet von einem E-Komponisten, ist ein Rechtsinstitut sui generis, das staatliche Rechtsvorgaben, das Urheberrecht, umsetzt. Es muss sich an übergeordnete Richtlinien des Kulturstaats Deutschland halten. Sollte diese sogenannte Reform Wirklichkeit werden, würde es mich nicht wundern, wenn dagegen geklagt würde. Besser ist es, den über hundertjährigen Frieden zwischen E und U beizubehalten

Claus-Steffen Mahnkopf

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